projekt: Landschaftsbauhütte / Der Taubenzüchter
Der Taubenzüchter
Interview mit dem Taubenzüchter Heinrich Dvoracek in Hagen-Vorhalle
- Brockhausen
Heinrich Dvoracek: Früher hatte ich einen Garten weiter oben am Kaisberg
und dort haben sie mich ausgebrannt. Ein Nachbar hat mich ausgebrannt.
Da hat er mir so 80 Tauben verbrannt, 90 Kanarienvögel, dann 4 große
Muttertiere von meinen Kaninchen, die tragend waren ... und auch ein
Rammler war dabei.
Gibt es diese Gärten noch?
Heinrich Dvoracek: Nein, die haben jetzt gebaut da drauf. Da hatte
jeder so einen Streifen ... einer beim anderen ... ganz nahe dran. Ich
war neben Einem der gerne einen hebt ... sehr gerne ... ganz viel ... er
ist halt ein Alkoholiker. Aber man kann nichts sagen, er ist ein lieber
Kerl... der macht keinem was. Wir wußten irgendwann, daß wir da oben
weg müssen ... und da hat jeder geguckt wie er seine Sachen entsorgt
... den Garten, den Stall. Ich wußte, wir müssen da mal raus. Und er
(der Nachbar) wußte das auch. Ich hatte das sehr groß ... ich hatte
ein Wohnzimmer, eine Küche, ein Schlafzimmer einen Vogelraum und eine
Werkstatt und einen herrlichen Taubenschlag. Und er dachte sich: was
soll ich da jetzt machen. Dann hat er sich ein Feuerchen gemacht ...
in seiner Hütte da. Und die waren nahe aneinander ... eine bei der anderen.
Und dann ist er nach Hause gegangen. Ja, und dann ruft mich die Nachbarin
an: Heinrich, komm mal, komm mal, da brennts. Ja, und da war es zu
spät. Der hat 150 Mark Strafe gekriegt ... lächerlich. Was soll man
machen ... was soll man machen ... man kann ihm böse sein, aber man muß
das auch mal vergessen. Wir haben so viele Jahre zusammen gelebt und
dann hat er so einen (Kopf?) gekriegt. Ich meine: Jeder trinkt heutzutage
ein Bierchen... aber bei ihm ist das mit Alkohol ...
Das Gelände hier soll ursprünglich eine Bahnlinie gewesen sein?
Heinrich Dvoracek: Zu Kriegszeiten ist hier eine Bahn gegangen, das
war so eine Geheimbahn. Die sind mit Rüstungsmaterialien gefahren
für die Wehrmacht. Das war hier so getarnt, dass man das nicht einsehen
konnte. Ja und dann war der Krieg zu Ende. Erst mal war hier so eine
Holzbrücke. Die Brücke (Fußgängerbrücke zwischen Vorhalle und Brockhausen)
gab es damals nicht. Rechts nebenan sieht man noch die Pfeiler, da
war so eine große Brücke. Die wurde bombardiert, kaputt gemacht ...
dann haben sie eine Holzbrücke gemacht. Nacher haben sie die Holzbrücke
abgerissen und haben diese hier gebaut.
Die große Autobrücke weiter vorne gab es damals noch nicht.
Heinrich Dvoracek: Die gab es noch nicht. Hier ging ein Fußgängerweg
über die Brücke bis nach Wetter rauf. Da war rechts an der Brücke
so ein kleiner roter Weg ... wunderbar.
Waren sie schon hier bevor Brockhausen gebaut wurde?
Heinrich Dvoracek: Ja, das hier war alles Feld. Jeder hat einen Garten
gehabt, eine kleine Hütte, jeder hat sich nach dem Krieg ... wie es
halt so ging ... eine Garage gebaut. Es gab ja nicht viele Autos ... drei
oder vier. Und oben Richtung Freiherr vom Stein-Turm waren auch keine
Häusser. Die großen Hochhäusser waren auch nicht und die nebenan hier
waren auch nicht. Von den Bauern war einer unten und der oben ist
ja noch, der Ebert ist ja noch. Die Privathäusser weiter oberhalb
vom Bauern, die waren da oben schon. Das ging da bis zum Kaisber rauf
... da waren vier Kneipen, schöne Kneipen. Und wenn oben die Fahne gehisst
war, dann war Tanz. Da wußten wir... Ah, heute ist Tanz. Das war auch
eine schöne Kneipe ... schön!
Sie kennen das noch, als da oben noch eine Kneipe war?
Heinrich Dvoracek: Ich kenn das Alles.
#Und bis wann gab es die Kneipe da oben?
Heinrich Dvoracek: In welchen Jahren haben sie das abgebaut ... in den
70er Jahren vielleicht? So spät haben die das dann weg gemacht. Das
ist eingefallen, weil keiner was gemacht hat. Die wollen das jetzt
angeblich wieder mal in Schwung bringen ... schön wärs.
Wo wohen sie?
Heinrich Dvoracek: Ich wohne in Vorhalle. Über die Brücke, Rothebusch
(?) Straße rechts. Ein paar Minuten nur. Nun, da haben die mich ausgebrannt.
Ich wußte dann nicht wohin und da hat mir die Bundesbahn hier so ein
Fleckel da gegeben. Das war ja alles so verwüstet ... so wie das hier.
Dann hab ich alles rausgerodet. Alles mit der Hand. Den Boden hab
ich alles mit der Hand umgeackert. Die Schienen waren nicht mehr da.
Vor mir hatte das Einer gehabt, der hatte so Schäferhunde gehabt und
die Leute haben sich ein bißchen beschwert, weil die auch gekläfft
haben. Dann hieß es: Fünf Schäferhunde in solchen Boxen, das darf
nicht sein. Heutzutage, seien wir mal ehrlich, stört jeden was. Wenn
da ein Frosch quakt, stört das auch die Leute. Aber ich meine, ein
Hund ist natürlich viel lauter. Und die Kinder sind rumgelaufen und
haben auch Krach gemacht. Dann mußte der weg und dann ist das wild
verwachsen. Das war dann viel, viel Arbeit. Man konnte hier nicht
mehr rein. Da hab ich mich durchgehangelt wie durch den Dschungel
erst mal, bis ich da reinkam und dann hab ich mir das gemacht.
Hatten sie damals schon Grundstücksnachbarn?
Heinrich Dvoracek: Oben die waren da ... der war hier auch da ... und
der auch. Die Hütte ist nicht im Plan. Es gibt Flugzeugaufnahmen,
und die müssen im Plan eingetragen werden. Er ist da ... vom Detlev
oben und meine haben sie jetzt auch eingetragen. Das hat er sich so
... der arme Mann ... schwarz gemacht. Der sollte sich nur so einen kleinen
Gerätechuppen bauen ... er hat sich das dann immer größer ausgebaut.
Aber jetzt liegt er schon fast im Sterben ... er tut mir leid ... das
dauert nicht mehr lange. Na, und dann will das ein Jugoslave haben.
Der kümmert sich und kümmert sich, und kümmert sich und möchte das
wohl gerne haben. Und ich wäre auch froh. Aber ich sag immer: ich
bin bald 70 ... was soll ich da mit dem großen Grundstück noch anfangen.
Mir reicht das. Hier von dem Nußbaum, bis zu der Brücke, das hab ich
und das reicht mir. Ich hab meine Tauben, ein paar Kanarienvögel hab
ich ... das hält man sich so als Bergmann. Ich hab 30 Jahre in der Zeche
unten gearbeitet. Ich hab in Essen gearbeitet. Und dann war ich in
Wengen/Wingen?, da war auch eine Zeche ... das war nur kurz, das war
nach Essen. Essen haben sie dicht gemacht. Das ist eine lange Geschichte.
Und dann kam ich in die DEMAG ... ich war noch zu jung und hab noch
7 Jahre in der DEMAG (?) in Wetter gearbeitet. Das ist eine Kranfabrik.
Das ist die größte Fabrik in Wetter. Da war ich als Schweisser ... und
jetzt bin ich 69 und mache gar nichts ... nur mit meinen Täubchen. Das
ist das Schönste was es gibt, wenn ich hier allein sitze und mich
stört keiner. Man möchte auch gerne mal ein Bier trinken, aber wenn
man das hat, kann man wieder nicht. Zuhause trinkt man schon einmal
ein Bier ... aber auch nicht viel, weil dann kommt die Frau und sagt:
komm wir fahren da oder dort hin. Hier nebenan war früher eine rießengroße
Fabrik. Hier an dieser Ecke stand ein großes Haus mit 4 Stockwerken.
Hier haben die Meister und die Vorarbeiter gewohnt.
Was war das für eine Fabrik?
Heinrich Dvoracek: Die war von Hoesch. Die haben hier Eisen gezogen.
Kaltwalzwerke waren das hier. Verschiedene Profileisen wurden hier
gezogen. Erst in Öfen geglüht und dann haben sie Eisen gezogen. Viele
Leute haben hier gearbeitet und viele Leute gingen in Rente und jetzt
ist alles weg. Der große Ofen war hier gleich.
Seit wann ist die Fabrik weg?
Heinrich Dvoracek: Ja ... seit drei Jahren ... seit 2 - 3 Jahren. Die
haben sich gesagt: wieso sollen wir hier Eisen produzieren, wenn wir
das für einen Appel und ein Ei kriegen aus dem Ausland. Das lohnt
sich nicht hier mit 3 - 4 tausend Leuten, die wollen alle Geld haben,
versichert sein, die Krankenkassen ... und auch gut verdienen. Sehr
viele Leute sind in Rente gegangen. In der Ecke hier ... halb Vorhalle
war hier beschäftigt. Auf der anderen Seite ist auch eine Gießerei
gewesen, die steht noch, aber sie ist schon vergammelt. Dort haben
auch viele Leute gearbeitet, die haben auch zugemacht, die Gebäude
sind eingefallen, es ist nichts mehr da.
Was arbeiten die Leute jetzt hier in der Gegend?
Heinrich Dvoracek: Ja ... die meisten sind Rentner oder wurden entlassen:
Sucht euch Arbeit! Die Jungen Leute haben es schwierig, für die war
es schwierig.
Sind viele von den Jungen weggegangen?
Heinrich Dvoracek: Viele sind weggegangen ... bedauerlich viele Leute.
Ach was die hier alles gemacht haben: sie haben das Tor zugemacht
... die Leute haben einen Sarg hingestellt ... sie haben schwarze Fahnen
gemacht ... und um alles getrauert um das noch zu behalten. Aber das
ging nicht.
Wie lange ging der Protest gegen die Schließung?
Heinrich Dvoracek: Ich weiß nicht so recht. Vielleicht 2 Jahre. Da
waren auch zwei große Ziegeleien, die sind auch weg. Hier war Felix(?)
auf diesem Platz, da war Poco(?) ... eine große Ziegelei, die auch weg
ist.
Also gab es hier Stahl in der Gegend, Bergbau, Ziegeleien und Eisenbahner.
Heinrich Dvoracek: Eisenbahner gibt es ja noch. Bei der Eisenbahn
sind immer noch viele Leute beschäftigt. Ja und in Wengen, das ist
nicht weit von hier, gleich hinter Wetter, da war auch Bergbau.
Der Kaisberg selbst ist ja auch zum Bergbau genutzt worden?
Heinrich Dvoracek: Die haben dort Schiefer-Sprengplatten abgebaut.
Nicht in den Berg hinein sondern im Tagebau. ... Aber eines wäre schön,
wenn sie diese Strasse hier dicht machen würden. Hier unten das kurze
Stück wollen sie durchbrechen. Hier unten an der laterne war ein großer
Kiosk.
Dann war das alles viel lebendiger damals?
Heinrich Dvoracek: Ja, ja ... da war Leben. Jetzt ist hier gar nichts
mehr. Die Leute freuen sich jetzt darüber, daß hier ein neuer Großhandel
aufgemacht werden soll. Was hier mal Geschäfte waren auf der Gaismannstraße
(?). Hier war ein Kino ... viele Kneipen waren hier. Ach was da alles
war. Jetzt gibt es gar nichts mehr. Wenn die Leute heute sich amüsieren
wollen oder einkaufen, dann gehen sie nach Hagen rein, in die Stadt.
Oder nach Herdecke und teilweise auch nach Dortmund. Und hier lebt
es sich schön in Vorhalle. Es ist ruhig.
Ein Mann unten am Schloß hat uns gesagt, daß er sich nachts nicht
in die Siedlung reintraut. Geht ihnen das auch so?
Heinrich Dvoracek: Nein ... das stimmt nicht. Man muß sagen es ist so
... ich will mal sagen ... ich hab ja nichts gegen Türken, das sind alles
Leute wie ich und du. Aber ich meine ... es ist ruhig. Es ist noch nichts
passiert hier bei den Leuten. Türken, Portugiesen, Marokkaner ... hier
gibt es Alles. Aber das ist übertreiben, daß man hier nicht durchgehen
kann. Ich gehe nachts, von da oben wo mein Sohn wohnt, nach Hause,
und mir hat noch keiner ein schlechtes Wort gesagt oder: Hey du ...
Nein. Das gibts nicht. Ich meine es gibt ... sagen wir mal ... Verbrecher
hier und da, aber bei uns ist es ruhig. Das kann man sagen. Nee, nee,
nee. Es gibt ein paar Junge, so Halbstarke. Die sind nicht gefährlich.
Wenn man nicht doof wird zu denen und sie doof anpöbelt, dann machen
die auch nichts. Nein, nein, nein, nein. Das kann man nicht sagen.
Wenn man von der Brücke kommt und links runter geht , da wohnen vorwiegend
Türken. 90% sind da vielleicht Ausländer. In dem ersten Hochhaus links,
wenn man über die Autobrücke fährt. Die haben sich da zusammengesetzt.
Wenn die sich da gut fühlen, warum nicht. Aber die machen keinem was,
das stimmt nicht.
Arbeiten die vorwiegend bei einer Firma?
Heinrich Dvoracek: Verstreut, verstreut, und Arbeitslose gibt es
auch viele, viele, viele.
Die kleineren Häuser weiter oben sind ja älter. Haben die ursprünglich
zu dem Eisenziehwerk hier gehört?
Heinrich Dvoracek: Das sind Häuser von Ruhr-Lippe (Wohnungsbaugesellschaft?).
Das ist eine Wohnungsgesellschaft in Dortmund. Die neuen Häuser weiter
oben, unter dem Kaisberg sind auch von der Ruhr-Lippe gebaut worden.
Da oben haben die Leute jahrelang ... wahrscheinlich schon vor dem Krieg
... jeder ein Stück Garten gehabt. Und jeder hat sich wohl gefühlt.
Ja, und die haben dann da Häuser auf die Grundstücke gebaut. Schöne
Häuser muß man sagen. Wunderbar sieht das am Wald. Aber die ganze
Freiheit, die ganze Natur (der Kleingärtner) wurde mit dem Bagger
weg gemacht. Das ist auch schade drum.
Sie haben hier wirklich ein sehr schönes Fleckchen.
Heinrich Dvoracek: Glauben sie mir, ich bin da so froh darum, dass
ich das hab. Denn das heißt für mich: wenn ich mit jemandem sprechen
will, dann lass ich ihn rein und wenn ich nicht will, dann mach ich
nicht auf. Aber ich freu mich über jeden der kommt. Dann hat man was
zum Erzählen, zum Sprechen.
Wir dachten zuerst Ihr Wagen, der da steht, sei ein alter Eisenbahnwagen?
Heinrich Dvoracek: Das ist ein Bauwagen. Den hab ich gekauft, denn
ich hatte noch ein paar Tauben gehabt von da oben. Als ich ausgebrannt
war, stellte sich die Frage: wo dann hin? Da hat mein Sohn gesagt:
weißt du was. ich besorg dir so einen Bauwagen. Den stellen wir erst
mal hin und dann machst du dir deinen Taubenschlag und deine Täubchen
da rein. Und so ist es geblieben. Und meine Täubchen fühlen sich hier
wohl. Sie sind heute wieder gekommen von Paderborn, vom Flug. Man
schickt sie ja.
Bringen sie die Tauben auch auf Wettbewerbe?
Heinrich Dvoracek: Ja, eben sag ichs, die waren Heute weg in Paderborn.
Das ist nicht weit, vielleicht hundert Kilometer. Für Jungtauben ist
das nicht weit. das geht so jeden Samstag immer weiter, bis nach Helmstädt.
Die kommen zurück, die sind nicht kaputt, die freuen sich, dass sie
wieder da sind und sie baden im Wasser und essen ihr Futter. Die sind
froh, dass sie wieder da sind und fliegen wie verrückt.
Man gewöhnt die also so peu a peu daran immer weitere Flüge zu machen?
Heinrich Dvoracek: Ja, es gibt Vorflüge: 10 Kilometer, 30 Kilometer
... 50 ... 60. Dann sind sie schon daran gewöhnt zurückzukommen. Dann
geht es immer weiter bis 260 Kilometer ... für Jungtauben. Für Alttauben
geht es schon ein bißchen weiter. 600 Kilometer.
Wie war das für die Tauben, als sie umgezogen sind? War das möglich
sie so einfach von da oben nach hier umzusetzen?
Heinrich Dvoracek: Ich hatte oben zwei Taubenschläge. Der eine ist
total verbrannt mit 80 Tauben. Und die anderen hab ich dann am Tag
dreimal runtergebracht, ihnen Futter gegeben, sie nach einer Stunde
rausgelassen und sie sind alle wieder hoch. Da bin ich wieder mit
meinen Körben hoch, hab sie wieder eingefangen ... aber das ist dann
der Hammer: die wolllen dann da nicht mehr rein, und hier auch nicht.
Die haben Angst und wissen nicht wo sie hin gehören. Aber wenn dann
nur eine oder zwei bleiben und hierher fliegen, dann kommen die anderen
nach.
Wieviele Tauben sind das jetzt? Soviel wie früher?
Heinrich Dvoracek: Ich hab so um die 70 Stück. Das sind nicht so viel
wie früher. Das hier ist auch kleiner und man kann das nicht übervölkern,
das bringt nichts. Der Erfolg ist nicht da und es können sich auch
Krankheiten bilden, wenn zu viel Tauben zusammen sind.
Und die ehemalige Bahnanlage hier war komplett zugewachsen?
Heinrich Dvoracek: Als das noch in Betrieb war nicht, aber dann ist
das alles verwachsen. Das sind Wittwer-Tauben, das sind jährige Tauben,
das sind Vollieren Zucht-Tauben und an der Seite sind ganz junge Tauben.
Die Leute fragen meine Frau schon: Haben sie denn einen Mann? Aber
die hat soviel Verstand ... die bringt mir auch das Essen hierher und
verbringt den Nachmittag hier mit mir. Soviel Zeit verbringe ich hier
... ich hab ja Zeit, ich bin ein Rentner.
Ein paar Kaninchen haben sie auch.
Heinrich Dvoracek: Wie ich sage: ein alter Bergmann, der hat Tauben
und Kaninchen und Vögel. Der eine von meinen Söhnen hat gar kein Interesse
in der Richtung. Der denkt nur an sein Auto. Und der andere hat aber
Tauben, der hat das von mir. Der hat seine eigenen Tauben. Er hat
ein Häuschen gebaut. So siehts hier aus ... und wenn die die Straße
hier mal dicht machen, dann wirds noch schöner. Man gewöhnt sich an
die Leute, mich stören die gar nicht wenn die hier gehen. Aber am
Wochenende ist hier so ein Betrieb mit den Autos - mehr als auf der
Weststraße. Alle die aus Wetter kommen sagen sich: Ah, da sind so
viele Ampeln ... und nehmen die Abkürzung und fahren alle hier rum.
...
Ich würde ja gerne die Kinder hier reinlassen, und ihnen zum Beispiel
die jungen Tauben zeigen. Aber man kann sich das Heute ja nicht mehr
erlauben. Wenn man sie einmal reinläßt und das zweite oder dritte
mal nicht mehr ... Kinder können grausam sein. Ganz fest grausam sein.
Die müssen nur sagen: Papa, der Heinrich, der hat mich da angefasst
... oder so etwas. Und der Vater, der kommt dann hierher mit solchen
Muskeln und schon hab ich ein blaues Auge ... oder es kommt gleich die
Polizei. Kinder können unglaublich grausam sein ... nicht alle. Manchmal
kommen hier 8 oder 9 oder 10 jährige Mädchen her ... und da muß man
Angst haben vor diesen Kindern.
Gab es hier schon mal Vandalismus?
Heinrich Dvoracek: Nein, nein, nein - hier noch nicht. So lange ich
hier lebe noch nicht. (...)
Als die Leute oben ihre Gärten verlassen mußten, da sind Tränen geflossen,
das waren allles alte Leute. Die mußten von heute auf Morgen alles
verlassen. Das war ein großer Platz mit Gärten und einer Wiese ... und
da hat die Ruhr-Lipppe dann gesagt: stop, da bauen wir Häuser. Da
gab es wunderschöne Gärten ... jeder hat die gepflegt und gehegt. Jeder
war stolz und der Herr in seinem Reich.
Haben die anderen auch alle ein Ersatzgrundstück bekommen?
Heinrich Dvoracek: Nein. Ich hatte was bekommen - warum? Das geht
zurück auf den alten Adolf. Da haben sich die Leute auch schon gemeckert
und gemeckert. Und der Taubenzüchter, von dem ich den oberen Garten
übernommen habe, der hat gesagt: ich mache das anders. Und dann hat
der zum Adolf Hitler geschrieben. Einen großen Brief. Und der Adolf
Hitler hat gesagt: stop mal meine Herren: Du mußt im Jahr sechs paar
Tauben abliefern für die Wehrmacht ... Spionagetauben ... und dann kannst
du deinen Taubenschlag behalten ... lebenslang. Und dann konnten die
Leute gar nichts mehr machen. Und als ich das jetzt gezeigt habe,
als wir da raus mußten, da war die ganze Gesellschaft von Hagen da,
vom höchsten Bürgermeister angefangen ... die haben so mit dem Kopf
geschüttelt und kein Wort darauf gesagt.
Und das Schreiben gibts noch?
Heinrich Dvoracek: Das hab ich. Unterschrieben persönlich vom Adolf.
Und die haben sich das alle angeguckt, Wir saßen da alle hier in der
Kneipe bei einer Versammlung. Da war die Zeiitung da ... es gab ein
paar Versammlungen. Der alte Mann ist gestorben ... vor acht oder 10
Jahren ... von dem ich auch das Schreiben übernommen habe. Wir mußten
da raus, weil wir da oben keine Miete bezahlen mußten ... keine Pacht.
Wir haben da umsonst gelebt. Deshalb hat auch keiner eine Entschädigung
bekommen. Nur wenn man Miete zahlt, dann muß man etwas dafür kriegen.
Und hier?
Heinrich Dvoracek: Hier zahle ich. Ich zahle 250 Mark im Jahr. Die
haben mir das nicht als Grabenland gegeben, sondern zur Taubenzucht,
zur Brieftaubenzucht. Als Grabenland wäre das wesentlich teurer.
Gibts denn viele Taubenzüchter in der Gegend?
Heinrich Dvoracek: Nein, da oben waren wir vielleicht 10 Mann. 10
Taubenschläge nur da oben unter dem Wald. Jetzt kenn ich nur noch
3. Auf der Weststraße waren glaub ich auch noch fünfe. Und auf der
Wocherbuschstraße, da waren auch so Schrebergärten, da waren auch
in jedem Garten Tauben. Und heute bin ich nur gebleiben und da oben
die. Ich glaube wir müssen jetzt gehen. Vielen Dank, das war sehr
interessant. Noch eine Frage: wie heißen sie?
Heinrich Dvoracek: (zögert!) ... Ich heiße Heinrich Dvoracek. Mein Vater
stammt aus der Tschechei von der Nähe der polnischen Grenze. Deshalb
ist auch der Name da. Die haben hier ja alle Schwierigkeiten mit dem
Aussprechen D V O R A C E K ... das ist nicht so gewohnt hier. Obwohl
ich schon mein Leben hier gelebt hab.