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projekt: Landschaftsbauhütte / Der Reichsadler

Der Reichsadler

Interview mit Ralf Huse, Pächter der Gaststätte Reichsadler in Hagen/Vorhalle

Wie lange machen Sie die Wirtschaft schon?

Knapp fünf Jahre.

Wer hat das hier früher gemacht?

Vorher war noch ein Pächter-Ehepaar hier drin aber die sind mit der Kundschaft nicht zurande gekommen, die waren ein bisschen zu hoch gestochen und kamen nicht zurecht. Und davor hat es ca. 30 Jahre lang der Weinreich gemacht, dem auch das Haus hier gehört und der auch hier im Haus wohnt, der hat das lange gemacht.

Wie sind die Öffnungszeiten hier?

Ich mache morgens um elf auf und schließe nachts um eins. Wenn ich eine Veranstaltung habe, dann hole ich mir eine Genehmigung, dass ich an diesem Tag länger machen darf.

Und ab elf kommen die Leute schon?

Ab elf kommen die Stammgäste, da hab ich die Alteingesessenen.

Ich war vergangene Woche schon einmal hier und da sind mir die Bilder aufgefallen die hier in der Schankstube an den Wänden hängen. Das sind alles sehr alte Bilder, die die Gegend um Vorhalle und den Kaisberg zeigen. Wie kam es dazu, dass diese Bilder hier gezeigt werden?

Die Bilder habe ich einem Bekannten gegeben der bei einem Fotografen arbeitet und der hat mir die Bilder vergrößert, so groß wie es eben möglich ist, denn die Qualität war nicht so besonders und das was man jetzt sieht war eben das Optimum das da rauszuholen war.

Die Neugestaltung des Schankraumes ist noch gar nicht so lange her. Wie sah es vorher hier aus?

Vorher war noch eine Wand in dem Raum, die hat den Raum einmal halbiert, dahinter war noch ein kleiner Saal, der aber sehr selten genutzt wurde. Und meine Idee war eigentlich diesen kleinen Saal wegfallen zu lassen, denn ich habe hier noch zwei sehr schöne grosse Säle in denen ich genug machen kann, und aus den zwei kleinen einen grossen Raum zu gestalten. Dabei war der Vorbehalt, zwar neue Technik einzubauen, aber gleichzeitig das "alteingesessene" des Raumes zu erhalten - die Kneipe an der Ecke. Die Wirtschaft gibt es ja schon sehr lange, seit 1871

Früher muss es in der Gegend ja mehr Gastronomie gegeben haben. Uns wurde erzählt, dass zum Beispiel am Freiherr vom Stein-Turm eine Wirtschaft war und dann gab es auch noch die Wirtschaft Zur Deutschen Eiche.

Ja da habe ich teilweise noch Gäste die von der Wirtschaft am Turm erzählen. Wenn dort die rote Fahne hochgezogen wurde dann war da Tanz.

Als wir über den Kaisberg spaziert sind haben wir keine weitere Wirtschaft endeckt. Die Leute die dort wohnen haben ja keine Kneipe wo sie hingehen könnten. Das ist zum Teil richtig. Gerade bei der "Gartengeschichte" haben sie ihr eigenes Bier, ihr eigenes Vereinshaus, eine eigene Zapfstelle, und die Leute sieht man dann gar nicht mehr. Und das ist schade, dass es soviele Zapfstellen gibt, denn hier in der Gegend hält sich kaum eine Wirtschaft. Da ist der Schützenverein, die Camper am Harkortsee, dann haben wir die ganzen Sportvereine, dann haben wir die Carnevals-Vereine, da sind überall Zapfstellen. Da wird das Bier eben preiswerter verkauft, weil die kein Personal brauchen und nur geringe Steuern zahlen. Das macht uns schon arg Schwierigkeiten.

Früher waren wahrscheinlich auch hier viele Vereinssitzungen, ihr habt hier ja große Säle und sogar eine Bühne!

Ja der Raum ist auch wunderschön vor allem die rundgezogenen Decken, dass bekommt man heute so nicht mehr. Der heutige Baustil ist einfach gerade und eckig, und das war es dann. Und hier das mit den abgerundeten Ecken und der kleinen Bühne dahinten drauf, das fand ich schon sehr interessant. Der kleine Saal dahinten ist irgendwo auch mein Stolz.

Wie wird der Saal heute genutzt?

Mittlerweile veranstalte ich Discos in dem Saal, um eben auch wieder junges Publikum herein zu holen. Dann auch Carnevals-Veranstaltungen, Weihnachtsfeiern, eben die Veranstaltungen bei denen es viele Leute, aber keinen Raum gibt. Die Taubenzüchter sind auch noch hier drin, die kommen noch. Aber insgesamt ist das mit den Kleintierzüchtern arg wenig geworden. Das war früher mehr. Laut Erzählungen hat hier der komplette Saal mit Käfigen zu gestanden bei den Karnickelausstellungen und die Leute mußten sich durch die Käfige durchquetschen wenn sie sich die Tiere angucken wollten. Diese Ausstellungen sind dann auch immer sehr gut besucht gewesen, davon hat der Verein sich dann hochgehalten. Irgendwann ist dann alles weniger geworden. Da liegen eben die Interessen heutzutage ganz woanders.

Gibt es in Vorhalle denn noch einen anderen Raum in den die Leute gehen?

Es gab ein Gemeindezentrum das ist abgerissen worden, ein neues soll gebaut werden. Die älteren Leute stehen momentan natürlich da und haben dann nicht allzuviel. Manche gehen zur katholischen Kirche, aber ich habe gehört, dass sie dort auch nicht besonders glücklich sind.

Ich war überrascht über die Preise hier. Ein Bier für zwei Mark, das sind faire Preise.

Mit anderen Preisen könnte ich mich hier gar nicht halten.

Kommen denn noch viele von den alten Stammkunden? Du sagtest ja, dass du mit der Neugestaltung der Räume auch die alteingesessenen Kunden erreichen willst.

Die Alteingesessenen sind im Moment so etwa 50-70% der Gäste. Die erzählen heute noch, dass die Leute hier früher in vierer- und fünferreihen hier vorm Tresen standen.

Das ist heute nicht mehr so. Woran liegt das?

Das liegt zum Teil sicher an der hohen Arbeitslosigkeit. Die Leute die da waren, die ihr Geld in die Hand gekriegt haben, die haben es dann auch ausgeben können. Heute ist die Arbeitslosigkeit in Vorhalle doch relativ hoch und die Leute die Arbeit haben, arbeiten nicht in Vorhalle, die arbeiten alle auswärts, oder ziehen auch weg. Ganz im Gegenteil habe ich hier aber auch Jugendliche die in Vorhalle geboren sind, die sagen: ich geh nicht weg! Von denen will keiner aus Vorhalle raus. Die mögen den Menschenschlag hier und die gehen nicht weg, egal, was passiert.

Wie alt sind die ungefähr?

20 - 25 - 27 Jahre und die ganz alten wollen hier sowieso nicht weg.

Und wo finden die Leute Arbeit wenn sie Arbeit finden?

Wo finden sie neue Arbeit? Ja das sind so Sachen. Einige finden Arbeit als Maler und Lackierer, bei Privatunternehmen, und dann wird es auch schon schwierig. Mal hier jobben, mal da jobben, was größeres in dem Sinne nicht.

Wie oft findet denn die Disco in dem Saal statt?

Vorher habe ich es einmal im Monat probiert, jetzt durch meinen Umbau habe ich das Ganze erst mal verschieben müssen, und nächsten Monat fange ich das wieder an, um eben auch der Jugend was zu bieten. Und da muss ich auch ehrlich sein, die alten Gäste sterben langsam weg. Ich habe hier noch eine Kegelbahn dabei. Da merkt man das, da ist dann bei der Kegelbahn wieder einer gestorben und dann bleiben die anderen, die mit ihm gespielt haben, auch weg.

Wenn die Vorhaller feiern, wo findet so etwas statt, wie organisiert sich das?

Ja die haben unten den neuen Platz, der heißt jetzt Europaplatz, wo sehr viele Vorhaller eigentlich nichts mit anfangen können, der Platz ist ihnen zu neu, zu modern und mit dem Namen sind viele auch nicht so ganz einverstanden. Und auf diesem Platz finden dann so kleinere Stadtfeste statt. Dann ist oben noch Hofackerâ wo sämtliche Vereine ihre Feiern machen. Ja und Fussball ist groß geschrieben in Vorhalle, das ist eben die Gelegenheit wo man sich trifft.

Die Strasse, die vom Europaplatz hier her zur Reichsbahnstrasse führt, die versucht man ja gerade etwas zu beleben, funktioniert das?

Die ist ja vor kurzem erst gepflastert worden. Ja ich hoffe, das das klappt. So das da ein bisschen mehr Lebensqualität hier rein kommt. Dann kommt noch ein zweiter Einzelhändler hier rein. Da haben sich die Vorhaller Geschäftsleute unheimlich dagegen gewehrt, das ist ein großer Plus-Markt und ich hoffe, dass dadurch auch noch ein bisschen mehr Lebensqualität hier reinkommt.

Was glaubst Du denn, was haben die Vorhaller bzw. die Brockhausener für Wünsche, was könnte verbessert werden?

Persönliche! Das steht glaube ich an erster Stelle. Wenn die Rentner die hier jahrelang bei der Bahn gearbeitet haben mal 20 Mark mehr Rente kriegen, dann sind die schon happy. Da würde ich schätzen, und nach den Gesprächen zu urteilen, dass es den Vorhaller Bürgern eigentlich gar nicht so gut geht, es ist einfach kaum Geld da.

Eigentlich ist ja Brockhausen auch Teil von Vorhalle, räumlich ist das aber durch die Gleisanlagen ziemlich getrennt, gibt es da einen Austausch?

Ja der Austausch wird schon gesucht. Wenn die mal unter Leute kommen wollen zum Reden, dann müssen die hier nach Vorhalle reinkommen. Die haben gar keine andere Möglichkeit.

Wenn man versuchen würde die Situation der Gegend zu verbessern, und das über Tourismus versucht, würde das Ihrer Meinung nach funktionieren?

Ich würde mal sagen, ja. Es muss aber an bestimmten Punkten angesetzt werden, es muss bei den Menschen angesetzt werden.

Wie würde das aussehen?

Zum Beispiel Brockhausen: wenn man den Leuten aus Brockhausen die Möglichkeit gebe, wenn sie da oben am Kaisberg irgendwas machen, das sie da mit einbezogen werden. Das ist alles sehr anonym geworden. Zum Beispiel ist ja das Wasserschloss dort renoviert worden. Es gibt ja die Möglichkeit in das Wasserschloss eine Gastronomie rein zu setzen, da ist auch lange mal drüber diskutiert worden und beratschlagt worden, ob man das machen soll oder nicht, letztendlich wäre das halt zu teuer geworden. Nur dann muß ich auch Eingeständnisse machen. Wenn ich so ein Wasserschloß habe, dann muß auch Geld fließen, dann muß auch Geld oben ankommen. Und wenn ich den Hochzeitspaaren bei den Ambiente-Trauungen im Grunde genommen um 10 Uhr da oben den Strom abstelle, weil es ruhestöhrend ist - da rufen die Nachbarn, die Bauern und die Leute drumherum an wegen der Musik an und klagen wegen Ruhestörung. Dann kamen die Leute oben vom Wasserschloss zu mir runter und fragten, ob ich Aschenbecher hätte, ob ich mal 10 Aschenbecher verleihen könnte, mit einem Tablett. Und damit fängt es an. Wenn ich dann so ein Schloss habe und das versuche zu nutzen, dann muss ich es vernünftig ausnutzen. Und das mit den Ambiente-Trauungen da oben, dann zählt da nur das Ambiente, dann wird da oben geheiratet, das Ja-Wort gegeben, und dann setzen sich die Leute ins Auto und feiern wo anders. Und letztendlich kann ich damit kein Geld verdienen, und auch in die Gegend kein Geld rein bringen. In das Wasserschloss sind Millionen an Geldern rein geflossen, die sind richtig ins Wasser gesetzt worden, wenn man da die Leute mehr nachgefragt hätte -was wollt ihr?-, -wo wollt ihr hin?- Ich hatte hier eine Versammlung vom Ortsverein gehabt, da ging es um diesen neuen Plus-Laden, da war der Saal rappelvoll, so was um die 150 Gäste. Die Leute haben hier oben noch gesessen und dann gab es noch ettliche Leute die gestanden haben. Da sind mal die Interessen der Vorhaller Bürger angesprochen worden. Das hat leider nicht mehr zum zweiten mal stattgefunden. Warum, wieso, weiss ich nicht, es lag glaube ich vor den Wahlen. Dann fühlt man sich benutzt, und ich würde mal sagen, das würde eigentlich unheimlich viel bringen, wenn man das viel öfter mal machen würde. wenn man zu den Leuten gehen würde. Dann kommen eigentlich auch viele Sachen raus an die man vorher gar nicht denkt. Ganz lapidare Sachen, die würden nicht viel Geld kosten, wen man sie machen würde.

An was denken Sie da?

Zum Beispiel an die Einkaufsmöglichkeiten. Es hat hier einen Einzelhändler gehabt, der hier eben den einzigen Laden in Vorhalle hat, bei dem viele ältere Leute nicht zufrieden sind, weil er menschlich wohl nicht so rüberkommt, sagen wir es mal so - jeder hat so seine eigene Art. Nur als Geschäftsmann darf er es sich nicht erlauben, wenn ein Gast reinkommt und grüsst, nicht zurück zu grüssen. Da geht einem irgendwas ab.

Mögen die Leute hier die Gegend, den Kaisberg und den Turm?

Ja die Leute gehen auf dem Kaisberg spazieren, den Hund ausführen, mit der Oma im Wald rumbummeln, doch das wird schon genutzt. Der Kaisberg oben ist bei den ganz alten Leuten schon ein bißchen verpönt, die sind da nicht oben gewesen, die haben den Turm gar nicht gesehen, die haben da keinen Bezug zu, gerade die älteren. Der Kaisberg ist früher für eine gewisse Schicht gewesen, da durfte dann auch nicht jeder hoch, die haben sich damit nicht identifiziert. Für Vorhalle allgemein ist das glaube ich was anderes. Das sich die Leute so mit Vorhalle identifizieren liegt glaube ich an dem Menschenschlag. Vorhalle oder die Vorhaller Bürger ist, wenn man mal reingekommen ist, richtig gut. Ich komme aus Dortmund, ich bin gebürtiger Dortmunder und ich wurde richtig gewarnt vor den Vorhaller Bürgern, die wären eigenartig, die seien link, die würden fremde Bürger nicht akzeptieren, aber die sind nicht eigenartig. Die akzeptieren fremde Leute genauso wie sie einen Vorhaller akzeptieren, sobald er ehrlich ist, sobald sie merken, da kommt Ehrlichkeit rüber. Das ist im Grunde genommen wie bei allen Leuten. Wenn ich damit versuche umzugehen, und gesund umgehe, dann ist da nichts eigenartiges. Als ich dann hier ein Jahr drin war, da wollten sie mich in Vorhalle schon aufnehmen und Trallala und dann merke ich das. Das ist der Menschenschlag. Früher waren hier Stahlarbeiter, die Leute von den Ziegeleien, Eisenbahner, das hat irgendwie verbunden. Heute ist das teilweise anonym geworden. Ich hab da so ein Beispiel von einem Stammgast der am meckern ist und ich frag den: Du, wie heißt dein Nachbar aus dem Haus nebenan? Den kennt man nicht mehr. Früher kannte man noch die Nachbarn aus dem zweiten, dritten und vierten Haus, nur dieser Bezug besteht heute nicht mehr.

Ja aber in der Kneipe hier funktioniert das ja zum Teil noch.

Ja das sind die Leute die nach draussen gehen, die sagen, komm laß uns mal ein Bierchen trinken, die in den Reichsadler kommen und den oder den zu treffen. Die wissen ganz genau die sind da. Da funktioniert das noch, nur im privaten Bereich nicht mehr.

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