projekt: Landschaftsbauhütte / Der Bauer
Der Bauer
Interview mit Bauer Heribert Grewe in Hagen - am Kaisberg, bei Brockhausen
Heribert Grewe: Als sie die Kläranlage hier umbauen mußten, war ich
hier bei einer Tiefbaufirma. Da waren mehrere Firmen dran beteiligt.
(...) Ich habe noch Bilder wie das vorher aussah. Zufällig sind die
bei Aufräumarbeiten damals in den Container gekommen. In 10 oder 20
Jahren wird keiner mehr wissen, wie das mal ausgesehen hat. Da (auf
den Fotos) sehen sie auch noch die alten Schlammbecken, wo früher
der Schlamm abgelagert und entwässert wurde. Früher wurde das alles
auf mechanischemWeg gemacht, also ohne Pumpen. Durch Drainagen mußte
sich der Schlamm entwässern. Und mein Vater ... meine Eltern, wir haben
schon 1945 mit Pferden Schlamm gefahren. Der wurde früher in kleinere
Beete gemacht. Da wurde vielleicht 80 cm (hoch) Schlamm reingepumpt.
Das waren immer mehrere Parzellen. Da waren so Loren drin ... die Kipploren
oder Muldenloren, die man früher hatte. Diese Loren haben wir mit
dem Pferd gezogen und haben das zu den Kleingärtnern gebracht. Nach
dem Krieg gab es doch nix zu Fressen. Da waren nach dem Krieg noch
zig andere, die mit Pferden und Wagen Schlamm gefahren haben. Dann
kriegten wir auf einmal keinen Schlamm mehr.
Wurde der Schlamm an sie verkauft?
Heribert Grewe: Nein, wir konnten den damals kostenlos kriegen. Aber
auf einmal hieß es: wir kriegen keinen Schlamm mehr. Das war kein
Schlamm mehr, das war wie Torf. Der war trocken. Mit einer Steingabel
konnten wir den abladen. Damals wurde der schon entwässert. Damals
waren auch noch nicht so viel Industrieabwässer drin wie Heute. Dann
kamen wir auch zu den älteren Schlammbecken an der hinteren Seite.
Da war eine Firma, ich glaube von Bochum oder von Langen-Drehe (?),
die wollten den Schlamm im Großen trocknen und als Humus verkaufen.
Die hatten sich da wohl viel von versprochen. Die ganze Anlage ist
später verschrottet worden. Da waren sie froh, daß die Kleinunternehmer
den Schlamm wieder weggeholt haben. Es kam ja immer was Neues dazu.
Und dann wurde die Kläranlage auch umgebaut. Weiss und Freitag hat
das damals gemacht, aus Düsseldorf. Das weiß ich, da war ich im Winter
arbeitslos und da hab ich im Winter in der Kläranlage bei Weiss und
Freitag gearbeitet. Da wurde die modernisiert. Haben sie die alte
Kläranlage mit der Wendeltreppe mal gesehen. Die hab ich damals fertiggemacht.
Das ist so eine Anschauungsanlage gewesen. Wie früher die Kläranlagen
funktioniert haben. Ohne Pumpen ... wie die sich entwässert haben ...
wie sich der Schlamm abgesetzt hat ... und, und, und. Der große Eindicker,
der alte Faulturm, den haben sie nacher abgebrochen. Haben sie die
großen Kreisel gesehen, die oben das Wasser drüber tun. Da hat früher
der Eindicker gestanden. Dann wurden hinten an der Kläranlage die
Teiche größer gemacht ... höher ... Dämme wurde aufgekippt. Dadurch, daß
immer mehr Schlamm in die Kläranlage rein kam mußten sie die Kläranlage
erweitern. Dann mußten sie auch die Becken wegmachen, weil sie Betriebsgelände
für andere Sachenbrauchten. Da mußten sie den Schlamm loswerden ...
und dann stellten sie fest, daß der belastet ist.
Da kamen mal sonntags ein paar jüngere Leute aus Heidelberg. Es waren
Leute, die solche Sachen studiert hatten ... Abwassertechnik. Und da
ist für mich zum ersten mal der Name Kadmium gefallen. Ich habe früher
ja auch Kartoffeln angebaut ... heute nicht mehr. Da merkte ich damals,
daß die Erträge nicht mehr so gut waren. Und auf den Feldern wuchs
an bestimmten Stellen nichts mehr. Die Vegetation, ob Unkraut oder
Frucht, ging kaputt. Da hab ich zum Alten gesagt, wir duzten uns,
ich hab gesagt: Fred (Der Chef der Tiefbaufirma, für die Herr Drewe
gearbeitet hat), mit dem Klärschlamm, der ist nicht kosch, da stimmt
was nicht. In so einem Becken waren immer 25 000 Kubikmeter Schlamm
drin. Ja, sagte der, die haben uns damals von oben versichert, der
Schlamm wäre einwandfrei. Aber der Schlamm war nicht einwandfrei.
Hier hinten liegt eine große Fläche, die ist total kaputt. Da wo der
große Stausee ausgebaggert ist, die Gelände waren total kaputt. Und
da liegt noch eine in Böhlenkabel (?), ich hab den Plan wahrscheinlich
irgendwo noch. In den ganzen Plänen war eingezeichnet wie die Belastungen
waren. Da gab es einige landwirtschaftliche Betriebe, die kaputt waren.
Sind das hier ihre äcker, oder sind die gepachtet?
Heribert Grewe: Das war zum Teil auch Pachtland. Da unten gab es auch
einen Gemüseanbaubetrieb mit 80 Morgen. Für den war das natürlich
ganz knochenhart. Dann mußten die Bauern mit dem Schlammfahren aufhören.
Ich weiß, daß die damals noch 4 Wochen länger gefahren sind, als sie
schon wußten, daß sie aufhören müssen. Aber wohin mit dem Schlamm?
Hier standen die Raupen auf dem Feld drauf. Die Suppe knalllten sie
so dick (zeigt mit der Hand Hüfthöhe an) da drauf, wenn sie eingetrocknet
war, dann war sie wohl noch so dick (zeigt mit der Hand) drauf. Aber
was die LKWs alleine kaputt gemacht haben. Die haben extra eine Baustraße
da drüben gebaut. Im Berg (Kaisberg) weiß ich wo sie oben eine Schlucht
zugekippt haben. Da ging eine Raupe rein, die kam gar nicht wieder
raus. Die war weg. Ich hab mit dem Ruhrverband damals einen Kompromiß
geschlossen, weil es zum Teil auch Pachtflächen waren. Ich war der
einzige Betrieb, der das meiste Rindvieh hielt. Die anderen hatten
zum Teil knochenharte Auflagen. Bei manchen hieß das, daß das Getreide
gleich in die Verbrennung mußte. Heute mache ich keinen Ackerbau mehr,
ich hab nur noch Grünland. Der Ruhrverband hätte bis heute noch sämtlicheUntersuchungen
für mich bezahlen müssen. Auch die Schlachtviehuntersuchungen. Meine
Flächen waren nicht so stark belastet wie andere. Die waren 4 oder
5 mal stärker belastet. Der Ruhrverband hat sich da sehr kulant verhalten.
Die wußten doch, was sie angerichtet hatten und was nicht korrekt
war. Jedenfalls hatte ich nur noch die Schlachtvieh-Untersuchungen.
Getreide hab ich nicht mehr angebaut, und Kartoffeln auch nicht mehr.
Die Belastung ist bei mir jetzt praktisch gesehen auf Null. Das Grünland,
das ich benutze ist ohne Auflagen zu verwerten. Aber es sind einige
Flächen hier, die sind heute noch nicht zu verwerten. Die müssen heute
noch die Untersuchungen machen lassen. Da mußte das gemischt werden
(mit unbelasteten Früchten) 1:4 oder 1:5. Der Ruhrverband ist dadurch
in Mißkredit gekommen. Die Bauern waren dann ja überall skeptisch
geworden. Dann kam natürlich die Frage: Was ist die Ursache? Wo ist
das Zeug her? Die Stadt Hagen hat damals der Akkumatorenfabrik (?)
in Hagen, die die Varta-Batterien hergestellt haben, die Erlaubnis
gegeben ihre Abwässer ins Kanalnetz zu leiten. Da haben sie jetzt
einen Teil davon zugemacht ... oder der wird jetzt zugemacht. Bei den
Batterien haben die ja mit Blei und Kadmium und mit Sulfaten gearbeitet.
Jetzt ging es darum: Wie kommt es, daß auf dieser Fläche da eine starke
Belastung ist und da eine weniger starke Belastung. Ich hatte die
ganze Sache ja über 20, 25 Jahre verfolgt, ich wußte das. Da waren
große quadratische Becken. Da waren 50er Rohre drauf mit Absperrventilen.
Und da wurde mal auf dem Becken wieder mal 200 Kubikmeter aufgepumpt.
Dort vorne wo sie das aufpumpten wurde der alte Schlamm nach hinten
gedrückt. Und entweder der eine oder andere waren belastet. dadurch
war die Belastung ungleichmäßig. Sonst hätte man ja sagen müssen,
auf allen Stücken sei eine egale Belastung gewesen. Die war aber nicht
auf allen Stücken gleich. Jetzt sind sie ja soweit, die wollen ja
den Schlamm wahrscheinlich verbrennen.
Ich kenne ein Feld, das ist am Totenhaus. Da hinten ist ein Mausoleum
im Wald vom Gemüsebauern. Der hat das jetzt langjährig verpachtet.
Der macht auch nie wieder Landwirtschaft. Der Alte ist tot, und der
Junge ist auch schon über 50 jetzt. Das nennt man heute Stillegungsflächen.
Das ist das beste Abkommen. Ich kann ihnen die Pläne genau zeigen.
Nach meinem Ermessen hätte man diese Flächen nehmen sollen und hätte
sie bepflanzen sollen. Man hätte sie tief kultivieren müssen, damit
da keine abbindenden Bodenschichten sind, daß das Wasser ein- und
ausatmen kann ... den Boden stark kalken ... Ich hab sofort gekalkt. Das
3 fache was man normal kalkt und dadurch bin ich gut von abgekommen
(von den Schadstoffen). Der Kalk neutralisiert. Kalk braucht man doch
überall zum neutralisieren. Man hätte diese Flächen 3 mal, 4 mal stärker
wie normal aufkalken sollen, und dann hätte man sie zupflanzen sollen.
Der Nachbar, das wußte ich, der wollte damals eine Weihnachtsbaum-Kultur
drauf machen. Aber er hat keine Genehmigung gekriegt. Ich sag ihnen,
der KVR hat gedacht er kommt so billiger an das Land. Der Nachbar
hat gesagt: meinetwegen kann ich das Land noch 50 jahre liegen lassen.
Von mir kriegen sie nichts umsonst. Die Stadt hatte hier schon einmal
Land für 36 DM pro qm gekauft. Und das liegt auch mitten drin. Da
wird doch keiner mehr herkommen und wird das Land für 6 DM verkaufen.
Da liegt der Haken. So liegt das auch mit dem ganzen Freizeitzentrum.
Da besteht ja ein Plan für ein Freizeitzentrum hier. Die hätten uns
ja am liebsten auch ganz raus gehabt hier aus dem Gebiet. Ich habe
auch damals Pläne gesehen. Die waren offiziell nicht sichtbar. Ich
habe sie aber gesehen. Da wußte ich auch ungefähr, wo die Richtung
hin ging ... was man einmal geplant hatte. So langsam kommen sie mit
den Sachen raus. Von meiner Sicht sage ich, ist das gut und schön
... diese Freizeitanlage und was sie nicht noch alles bauen wollen.
Aber wer will die Pflege übernehmen, und wer will die Kosten übernehmen.
Die Nachfolgekosten, die sind ja noch höher wie die Entstehungskosten.
Ich bin gerade vorhin oben aus dem Wald raus gekommen ... ich sammle
die alten Sprudelflaschen und die alten Bierflaschen auf, damit die
Kinder sie nicht kaputt schmeißen. Gehen sie mal da unten rein. Da
haben sie bei mir an der Wiese ein paar Parkplätze gemacht. Die Wasserburg
haben sie ja auch restauriert. Nach meinem Ermessen sind die Nachfolgekkosten
zu hoch. Die haben doch nix mehr auf den Rippen, die sind doch alle
schon bis am Kragen ... Der Ruhrverband, der kann das Wasser so sauber
machen, das können sie dann trinken. Das läßt sich heute machen. Haben
sie die Fische gesehen in den letzten Teichen drin. Da sind Karpfen,
solche Kavenzmänner drin, und die gehen nicht kaputt. Sie haben mal
welche von hier geholt und nach einer anderen Kläranlage gebracht.
Die waren nach 3 Tagen schon kaputt. Also war das Wasser nicht gut.
Aber das war auch eine moderne Kläranlage. Also die Wasserqualität
ist mehr wie gut geworden. Aber die Städte haben zu lange gefackelt
und zu lange gewackelt, und die Behörden auch, um bestimmten Unternehmen
nicht zu sagen: Das könnt ihr uns nicht mehr ins Kanalnetz rein tun.
Ich weiß: heute wird das ja alles kontrolliert. Wenn die schon ein
A am Kessel haben ... wenn der vorher schon Lauge gefahren hat ... das
müssen nur 10 Liter sein, die bleiben an den Kesselwänden hängen ...
der leert nie ganz leer ... wenn die das dann hinterher an die Grube
fahren und mit rein hauen, dann ist die Biologie kaputt. Nun haben
sie aber doch, das muß ich sagen, in den letzten 2, 3 Jahren die schwarzen
Schafe raus gekriegt. Und es gab genug schwarze Schafe. Wenn man mal
20, 25 Jahre mit Abwässern zu tun hat, dann weiß man schon wo die
schwarzen Schafe sind. Aber es könnte immer noch möglich sein, daß
sie doch noch mal Einen (verschmutzte Abwässer) dazwischen schieben.
Hat die Landwirtschaft am Kaisberg Zukunft?
Heribert Grewe: Ich bin ja jetzt schon Rentner. Wir dürfen ja hier
auch nicht weiter bauen ... ich habe Bauveränderungssperre hier. Ich
hab 3 Prozesse gegen die Stadt Hagen verloren. Was die Tierzucht anbelangt,
da kann ich weiter machen. Ich bin ja auch der einzige, der hier noch
Rindvieh hat. Sonst ist nix mehr. Der Letzte (Bauer) hat Schweine,
die kommen nicht raus, und der (nächste Bauer) macht nur noch Getreide.
Gucken sie nur die Flächen an, die nicht gepflegt sind. Ich kann ihnen
da unten ein paar Flächen zeigen. Ein Obstgarten steht da unten. Den
hab ich im alllerschlechtesten Zustand übernommen, und hab ihn im
allerbesten Zustand, unkrautfrei, tiptop sauber, der Stadt zurück
gegeben. Die Stadt wollte mir einen Pachtpreis aufbrummen. Ich sollte
die Berufsgenossenschaftsbeiträge bezahlen. Ich sollte vor dem 1.7.
nicht mähen, ich sollte nicht drin hüten, und sollte dann noch die
Bäume pflegen ... und sollte das was ich mähe noch zur Kompostanlage
bringen. Da hab ich gesagt: Ich bedanke mich recht herzlich, das könnt
iihr mal selber machen. Dann kam der Verein für Naturschutz. Die haben
da 2 Rinder drin. Das ist so eine aussterbende Rinderrasse. ich hab
keine Rinder drin hüten dürfen. Gehen sie da mal hin und gucken. Ich
hab 3 mal in der Stadt angerufen, ja, öfter. Das dritte Jahr haben
die mir die Disteln reif werden lassen. Die Kühe, die drin sind, konnten
sie nicht mehr sehen, so hoch waren die Disteln. Die können sie schon
nicht mehr mähen, die müssen sie schon mit der Motorsäge abmähen.
Ist das denn Landschaftspflege? Das hat doch mit Landschaftspflege
nichts zu tun. Ich hab mit einer Frau aus Hagen von der Landschaftsbehörde
gesprochen. Ich sag: Frau Tommak (?), ihre Wissenschaft, die haben
sie nur aus Büchern gelernt. In der Praxis draussen sieht es ganz
anders aus. Jetzt haben sie es mal selber fotografiert und gesagt:
es ist nicht zumutbar. Da sag ich: Frau Tommak, haben sie gesehen,
wie ich die Wiesen vorher gehabt hab, wie schön sauber und blank die
waren. Da war kein Unkraut. Da unten gibt es auch eine alte Dame,
die da ihren Bungalow hat. Die ärgert sich natürlich auch wenn sie
da vor ihrem Haus anderthalb Meter die Disteln hat. Und die werden
reif! Ja, sagt sie (Frau Tommak), jetzt seh ich das Ding, aber wegen
der Vögel, die da brüten ... (müßte das so bleiben). Wo ich den Obstgarten
von der Stadt übernommen hab, hat man mir nahengelegt ich solle die
Bäume alle rohden.
Und die Stadt Hagen hat da auch für 36 DM pro qm Grund gekauft. Die
wollten da ein Sportstadion reinbauen. Aber in Düsseldorf (Landesregierung
NRW) haben sie die Gelbe Karte gezeigt, und gesagt: hier kommt kein
Sportstadion rein. Aber die Stadt Hagen hatte den Grund schon für
viel Geld gekauft und der Bauer hat sich kaputt gelacht. So, und da
hatte die Stadt Hagen die ganzen Flächen am Bein. Die Ackerflächen,
die großen, die nimmt jeder Landwirt. Aber kleine Ecken oder Dreiecke
oder Weiden ...
Dann haben sie noch mal Obstbäume nachgepflanzt. Mir haben sie nachgelegt
die Obstbäume zu rohden. Die kaputten Bäume und die umgefallenen,
die hab ich alle sauber weggemacht. Die alten Bäume, die hab ich stehen
lassen, damit die Vögel darin nisten. Die Spechte, in den alten hohlen
Bäumen. Ich sag: und sie pflanzen jetzt neue. Die stehen doch anderthalb
Meter hoch in den Disteln, die können doch überhaupt nicht wachsen.
Glauben sie der Liebe Gott läßt die umsonst wachsen. Da unten da können
sie durch die Dornen gar nicht zu den Bäumen durchkommen. Da haben
sie ein Vermögen an Bäumen rein gepfanzt. Wissen sie was das ist?
Verschwendung von öffentlichen Geldern. Wenn ich einen neuen Baum
pflanze, dann pflege ich den auch. Dann muß ich die Bäume anbinden,
dann muß ich die Bäume düngen, beschneiden und so weiter. Das Unkraut,
das wächst schneller wie die Bäume. Wenn die hier alles zum Park machen
wollen, wer soll das unterhalten? Heute nimmt keiner mehr eine Grünlandfläche.
Ich habe Berufskollegen, die haben mit 38 Kühen aufgehört. Die sagen,
das lohnt sich nicht mehr. Ich habe ja weniger (Geld) als wenn ich
als Hilfarbeiter auf den Bau gehe.
Diese Idee für ein Wander- und Erholungszentrum vom Ruhr-Verband ...
da müssen sie froh sein wenn sie ordentliche Pächter finden, die ihnen
die Flächen so sauber halten, daß sich der Bürger und der Städter
dran erfreut. Selber können das die Städte doch gar nicht bezahlen.
Und die Faulpelze, die nicht arbeiten wolllen, die kriegen sie sowieso
nicht an die Arbeit. Die gehen in den Berg und sollen die gepflanzten
Bäume freimähen? Die mähen die Bäume wieder ab! das kann ich ihnen
aus meiner Erfahrung sagen.
Gibt es hier Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen?
Heribert Grewe: Ja, ja, ja, die haben sie hier oben im Berg auch gehabt.
Hören sie auf, die sollte man mit dem Knüppel wegjagen. Da mach ich
es lieber ganz alleine. Ich weiß nicht was die sich dabei für eine
Planung vorstellen?
Leben sie schon immer hier?
Heribert Grewe: Ich hab hier eingeheiratet. Das war früher mal ein
Forsthaus hier. Das war ein kleiner Kotten. Ich habe 40 Jahre nebenbei
gearbeitet. Ich hab früher 100 Morgen nebenbei gemacht. Ich war noch
11 Jahre bei Krupp. Ich hab bei Krupp gefahren auf dem Stahlwerk,
in Nachtschicht. Da finden sie heute keinen mehr dafür. Und der Junge
(sein Sohn) ist Fahrzeugbauer. Ich hab nur gesagt: Du mußt es sagen.
Sollen wir die Kühe behalten, oder sollen wir sie nicht behalten?
Er hat gesagt: Papa, behalt sie, ich hab noch Spaß dran. Meine Maschinen
haben wir alle, und es bleibt nicht die Welt dran über, aber es bleibt
was über. Wer keinen Spaß dran hat, der braucht es nicht machen. Also
von den Bauern da unten, da ist der Erste weg. der Zweite ist ja der
in dem Bungalow, der das Schloß mal gehabt hat. Der Dritte, der Gemüsebauer
hat auch aufgehört und der letzte hat 50 bis 80 Sauen, macht nur Getreidebau.
Glücklicherweise haben die größeren da unten Eigentumsflächen, auf
denen jetzt die Campingplätze sind. Da bleiben natürlich noch ein
paar Mark über. Vor allen Dingen bei den letzten beiden. Hier vorne,
der an der linken Seite, der hat einen kleineren (Camping)-Platz.
Das Gelände hat zwar auch ein Bauer gepachtet, aber das Gelände gehört
der Erbengemeinschaft Gockel und Nieburg (?) aus Bochum. Die haben
den Stausee gebaut 1928. Das war eine große Tiefbaufirma. Der Stausee
ist ja ausgebaggert worden. Das ist ja alles nach hier hin geschafft
worden. Dann kommt ein etwas größerer Campingplatz nach dem Fachwerkhaus.
Die linke Seite vom Fachwerkhaus, so ein schmales Stück, das gehört
dem letzten Bauern, dem Rüsing (?). Und dem vorletzten Bauern gehört
der Platz vom Fachwerkhaus bis zur Kläranlage. Das war der Gemüsebauer.
Das sind praktisch die Seenstreifen.
Können sie sich noch an die Gaststätte oben am Freiherr vom Stein
Turm erinnern?
Heribert Grewe: Sehen sie über den Buckel da rüber (zeigt hoch in
den Wald), der ist hell. Der ist aufgekippt. Dieser Kopf, das sind
alles Sandsteinbrüche gewesen. Da sind jetzt so Hundeleute da hinten.
Den Steinbruch haben sie vorne zugekippt, und in der Verlängerung
bis zum Turm haben sie den später mit Müll von der Stadt Hagen zugekippt.
An dem Turm war früher eine wunderbare Wirtschaft. Ich kann sie ihnen
noch heute maßstabgerecht aufmalen, wie die gewesen ist. Die war ganz
aus alten Bruchsteinen. (zeigt auf seinen Stall) Das ist ja älter
als 150 Jahre alt. Das Haus ist 150 Jahre alt. Früher wurden die Ecksteine
nur mit dem Meißel geschlagen, und alles andere wurde so wie es gebrochen
war vermauert. Die haben das früher mit Schwarpulver rausgeschossen
oder im Winter mit Frost rausgedrückt. Das Haus wurde auch so vermauert,
das ist 1948 verputzt worden. Da waren sehr gute Steinbrüche. Hinten
wo diese alte Bahntrasse her geht, da sind auch die dicken Steinbrüche
drin. Da ist ganz erstklassiger Stein drin gewesen. Davon war auch
die Wirtschaft gebaut. 1945 war ich in der Lehre. ich hab eigentlich
Glaser und Lackierer gelernt. Wir haben da oben früher viel gearbeitet.
Ich weiß auch wie am Turm oben die Gebäude waren. Da war ein Pächter
drin, das war ein Mauermann. Der hatte in Wetter auch eine Wirtschaft.
Früher die Monteure an den großen Stahlwerken, die haben Freitags
und Samstags ja nur gesoffen. Da hatte der Pächter hinten neben der
Wirtschaft ein paar Buden, ein paar Zimmerchen in so einem toten Winkel
angebaut. Dann hatte die Stadt Hagen einer Firma den Auftrag gegeben
diese Anbautem, die nicht zu dem alten Gebäude gehörten, abzubrechen.
Ich weiß noch wie eines Morgens hier eine Tiefladerraupe rauf fuhr,
und wie ich mittags von der Arbeit kam, da war die ganze Bude in das
Loch geschoben. Ja, wer ist dafür verantwortlich? Der (Pächter) hatte
damals die Wirtschaft noch. Die Pacht war abgelaufen und die Anbauten
sollten erst mal weg, weil die nicht genehmigt waren. Jedenfalls ist
da irgendwie was fehl gelaufen. Ein großer Caterpillar hat das bis
Mittag schon in die Grube geschoben ... Die war ja 25 Meter tief. Jetzt
steht der Turm noch als Schandmal da oben. Der ist kein Denkmal, der
ist ein Schandmal. Der ist gerade wieder aufgebrochen worden. Den
haben sie bestimmt schon 20 mal wieder zugemacht. Und das nennt sich
dann Freiherr vom Stein Turm. Ich bin bestimmt nichts dagegen irgend
etwas Altes zu erhalten, aber was sich die Stadt Hagen da geleistet
hat mit dem Turm ... und heute suchen sie irgendeinen Spender. Was nützt
das, der Turm steht alleine. Da ziehen die Freitags, Samstags in Kolonnen
hoch. Die Türen sind mit Eisenplatten zugeschweißt und trotzdem werden
sie aufgebrochen. Ich könnte ihnen den Turm zeigen. Ich habe den Schlüssel.
Aber mein Nachbar, der ist Rentner, der sagt: Heribert, ich geh nicht
mehr da oben rauf, die gehen hin und hauen mir noch was vor den Bauch
die Wilden. Da werden Feuerchens gemacht da drin, und Freitags/Samstags
werden da Orgien gefeiert. Da ist keine Verglasung und nix mehr drin.
Das ist alles kurz und klein gewichst. Der Turm steht allein. Die
Stadt Hagen muß sich das selber zuschreiben.
Wieso wurde die Wirtschaft weggeschoben? Aus Versehen oder mit Absicht?
Heribert Grewe: (Zeichnet einen Grundriß der ehemaligen Gaststätte
auf) Hier steht der Turm. Damals haben sie noch von hinten im Wald
Wasserleitungen hochgelegt. Hier stand die Gaststätte, hier war die
Treppe. Hier in der Mitte war so ein großer Kanonenofen, das weiß
ich noch. Vor der Kopfwand war das große Bild von dem Freiherr vom
Stein. Das war ja ein Reformator. Hier war der große Saal, hier war
der Tresen, hier hinten war die Küche und hier war noch ein kleines
Gesellschaftszimmer. Und hier war noch einmal so ein Anbau, das war
der Wohntrakt für den Pächter. Der hatte hier seine Treppe rein. Und
hier so ein Stückchen weiter, da war so eine Mauer, die ging so und
ging so im Winkel und hier hatte der diese Schlafanbauten da rein
gebaut. Wegen denen haben sie die ganze Bude von oben bis unten mit
dem großen Caterpillar in das Loch geschoben ... weg war sie ... alles
Sandstein. Ja und dann war die Bude weg. Dann stand der Turm herrenlos
da.
Ich weiß noch als da ein paar ältere Herren sonntags hier saßen. Da
war der Wirt noch da drin. Da sagten die: wir haben für den Turm so
viel Geld locker gemacht, über den Denkmalschutz. Der sagte: wir sind
erschüttert gewesen, wie wir da oben rauf kamen. Der hat da oben so
ein Tanzlokal. Das ist ja eine Horrorbude ... eine Wildwestbude ... nur
Saufen, Saufen und Saufen. Auf dem Turm hatte der noch eine 10 Meter
hohe Fahne ... wir sagten immer die Coca Cola Fahne dazu. Die konnten
sie wahrscheinlich bis Witten und Dortmund sehen. Und wenn der die
Fahne raus hatte, dann marschierte hier alles oben zum Turm rauf.
Da war dann nachts Wildwest. Das ging dann bis zum anderen Morgen.
Da torckelten die hier durch das Gelände durch. Die (älteren Herren)
sagten: Wir haben damals so viel Geld in den Turm gesteckt, haben
den restaurieren lassen, ausmalen lassen und die Büste herrichten
lassen. Unten hatte der die große Musikbox da stehen. Eine Tanzfläche
hatte der da wohl. Da hat sich die Stadt dran versündigt. Die Stadt
hat nicht aufgepasst, hat sich nicht um die Sache gekümmert. Und der
sagte noch, wir saßen wie heute auf der Bank: und den Freiherr vom
Stein ... von dem war da so eine große Büste drin ... den Freiherr vom
Stein, den haben sie gesteinigt. Tja, da war es vorbei. Das waren
ja Sachen, die für die Zukunft gedacht waren ... Es interessiert sich
natürlich nicht jeder dafür, aber wenn man das erklärt und populär
macht, damit sich dann die Leute auch dran erfreuen, vielleicht auch
die nächste Generation. (Aber) das ist weg, das ist vorbei. Und jetzt
haben sie noch nicht einmal das Geld, den Turm so zu erhalten, daß
er überhaupt in der Substanz bleibt. Die fingen ja schon an oben die
Steine abzubrechen. (...)
Deshalb sage ich ihnen: diese ganze Sache, die die da so geplant haben
... die haben die Sache zu spät in die Hand genommen und die Vorkehrungen
für die Erhaltung getroffen, daß man diese Sachen alle erhält.
( ... Kommentare zu einer alten Broschüre zur Vorhaller Kläranlage ...
)
Dort wo der Pförtner sitzt (In der Vorhaller Kläranlage), da hat früher
ein Bauernhof gestanden. Und meine Schwiegermutter, die ist ja hier
auf dem Schloß groß geworden, die hat mir damals auch den Namen (von
den Bauern) gesagt. Die haben den Bauernhof verkauft. Das war das
ganze Gelände von der hinteren Kläranlage. Aus dieser Familie, das
waren aber schon die Enkel, die kamen unten aus Würtemberg, und die
wollten mal gucken was von ihren Urgroßeltern noch gestanden ist.
Damals vor dem Umbau hat vorne nur ein Storn/Stau??Stück gestanden.
Das war damals mit so dickem Kopfsteinpflaster gepflastert.
Waren das diese städtischen Gemüsekulturen?
Heribert Grewe: Nee, nee. Das ist das Privatunternehmen da gewesen.
Der Wald und diese ganzen Felder, gehörten dem Grafen Dietrich von
der Ricke (?) und meine Schwiegermutter, die ist als Waisenkind bei
der alten Försterfamilie auf die Wasserburg gekommen. Die (Grafenfamilie)
hatten in Schlesien, an der polnischen Grenze, noch eine große Dominium.
Zur Jahrhundertwende kriegten die hier auf den großen Gütern schon
keine Landarbeiter mehr. Ich weiß zum Beispiel: da unten war ein Rogowsky
und ein Panneck, das waren Melker. Die waren früher auf den Gütern,
die kamen alle aus Polen. Der deutsche König hat vor der Jahrhundertwende
gesagt: Ihr müßt erst ein Jahr in der Landwirtschaft arbeiten und
dann dürft ihr in der Industrie Geld verdienen. Um die Jahrhundertwende
waren ja die ganzen Zechen am Laufen, da gab es die Hüttenwerke, die
Walzwerke und die Zechen. Die waren ja alle zwischen 1890 und dem
ersten Weltkrieg aus der Erde rausgewachsen. Ja, die Kohle liegt ja
bis hier hin. Da kriegten die aber hier schon keine Landarbeiter mehr,
in dem Sinne, wie sie sie im Osten kriegten. Im Osten kriegten die
wohl satt zu Essen, aber Schläge dabei. Aber von Geld war da keine
Rede. (...) (Die Unterlagen hab ich dem Heimatverein gegeben) Die Grafen
kamen hier früher nur vierspännig angefahren, wenn sie aus Schlesien
kamen. Der Bruder von dem Förster hier war Junggeselle, das war ein
Eisenbahnoberinspektor. Der hatte hier so 200-300 Tauben auf dem Boden.
Das war so ein Taubenliebhaber. Da war früher wilder Wein an dem Haus
drauf und da gingen immer die Mäuse und Ratten und haben auf dem Taubenhaus
den Mais gefressen. Und alles was an Kisten und Truhen früher auf
dem Boden war, das war alles zerfleddert und zerfressen von denen.
Als ich hier eingeheiratet hab, hab ich das dann später mal aufgeräumt
und das meiste verbrannt. Heute würde ich das nicht mehr verbrennen.
Und dann hab ich auch den Briefverkehr verbrannt ... zum Teil. Da schrieb
der Förster: "Der untertänigste Diener wagt dem hochehrwürdigen Grafen
folgendes vorzutragen. Es ist nicht mehr zumutbar im Wald Werdringen
weiter Holz einzuschlagen". Der Wald war restlos ausgeräubert. Die
wollten nur Geld haben. Alles andere war uninteressant. Und früher
war ein großes Sägewerk in Dortmund. Dort wurden für die Zechen die
Abtraufhölzer geschnitten. Die dicken Eichen. Der ganze Berg ist früher
voller Eichen gewesen ... aber solche! (Spannt seine Arme so weit er
kannn) .Die hat der (Graf) alle runterhauen lassen, und die haben
die Sägewerke genommen. Die brauchten die an den Zechen zum Abträufen.
Abträufen sagten sie dazu wenn sie mit den Schächten runtergingen.
Und dann war nix (kein Holz) mehr drin ... und die Grafen waren schon
in Schlesien. Da haben sie das Dingen verschulden lassen. Der Gockel
und Niehburg war der größte Gläubiger. Ich hab das Schuldenbuch gefunden.
Da waren 10 Nullen dahinter. Das hab ich dem Heimatverein gegeben.
Und dann gingen die nach Schlesien. Der Förster hatte ausser meiner
Schwiegermutter, deren Alte waren ja tot, noch drei Söhne. August
war der Förster, Konrad hieß einer und Alfred, der war Eisenbahninspektor.
Der Konrad ist mit nach Schlesien gegangen auf die Domäne, der war
verheiratet. Und Erwin war Konrads Sohn, der war in Arnsberg Förster
... später. Früher durften diejenigen, die beim Adel im Dienst waren
kein Eigentum besitzen. Die waren Leibeigene. Aber der Wald gehörte
früher allen Bauern. In Österreich gibt es so was heute noch. Und
der Bauer kriegte dann auch immer so und so viel aus dem Wald an Holz.
Früher hat der Bauer auch die Schweine gehütet. Früher wurden die
Schweine hier in den Buchenwäldern gehütet. Und wenn der Adel den
Bauern erwischt hatte ... der Bauer durfte 4 Schweine halten und von
denen mußte er dem Adel zwei geben ... aber wenn der Bauer jetzt fünfe
hatte und der hat ihn dabei erwischt, dann hat er ihm die anderen
3 zur Strafe auch noch abgenommen. Dann war die Sache erledigt. Der
Napoleon und dieser Reformator (?) ... hatten die Leibeigenschaft dem
Adel schon streitig gemacht. Die waren früher alle dem Adel gegenüber
abgabepflichtig. Das Schloß Werdringen ist ja durch mehrere Hände
gegangen. Wie das genau gegangen ist kann ich nicht sagen. Die sind
dann nach Schlesien gegangen. 1945 sind die von Schlesien gekommen
als die Russen und die Polen nach Schlesien gekommen sind. Der alte
Graf war ein Rothaariger gewesen. Wir haben noch die alten Bilder
gehabt, die waren alle noch ringsum mit Messing. Das war damals wohl
alles zum Teil hier gelandet. Der alte Graf lag hier in dem Totenhaus.
Ob die Gräfin auch hier in dem Totenhaus lag, weiß ich nicht. In dem
Totenhaus haben 5 gelegen. Die Oma mußte als junges Mädchen immer
das Totenhaus fegen. Da mußte sie die Tür aufschließen und da lagen
die alle einbalsamiert in den Särgen drin. Aber als sie 1928 den Stausee
gebaut haben, haben die die Särge alle aufgebrochen. Die haben gedacht,
die hätten alle weiß Gott was mitgenommen. Ein Totenhemd vielleicht,
mehr aber nicht! Oder ein Kreuz auf der Brust. Der alte Förster hat
die Särge noch mal herrichten lassen und hat sie alle zulöten lassen.
Jedenfalls wurden sie später, vor 15 oder 20 Jahren wieder alle aufgebrochen.
Meine ältere Tochter ist mal zum Reiten in den Wald gegangen, da hatten
sie eine von den Mumien an einen Baum gehängt. Das war so vor 20,
25 Jahren. Ich weiß nicht, ob sie den nacher irgendwo in Hagen auf
dem Friedhof beerdigt haben. Ich hab den noch gesehen. Wie so Leder
sah der nur noch aus.
Es gibt Geschichten, die Mumien wären zum Scherz in einer Wirtschaft
mit auf die Bänke gesetzt worden?
Heribert Grewe: Ja sicher. Drüben da im Wald haben sie die da auf
die Bank gesetzt. Die Halbstarken kamen, als das vor 20, 25 Jahren
mit den Mopeds aufkam, aus dem Ruhrgebiet heraus und haben hier Holiday
gefeiert, auf dem Berg gezeltet. Da haben die die (Toten) aus den
Kisten rausgeholt, haben die Kisten aufgebrochen. Die Türen waren
ja alle offen. Das war ganz katastrophal. Und meine Schwiegermutter
wußte das: Die Stadt Hagen hat mit der Übernahmen des Waldes die Pflege
des Mausoleums übernommen. Ist das Dach wieder drauf? ich war schon
lang nicht mehr da. Damals war es ganz runter.
Es ist drauf, aber ein Loch ist drin.
Heribert Grewe: Früher waren da so Schlitze, durch die man durchgucken
konnte und dann sah man ja die Särge alle in den Nischen stehen. Dann
haben sie das Dach ganz abgebrochen und haben Feuerstellen davon im
Wald gemacht. Dann haben sich die Halbstarken ein paar Stempel im
Wald gesucht und haben damit die Gewölbe kaputt geschlagen ... von oben
runter. Da hatten sie von so einem Hochsitz eine Leiter geholt. Ich
hab mal einem die Leiter weggenommen und hab sie in den Wald geschmissen.
Wie die rausgekommen sind weiß ich nicht. Die haben damals sogar die
Knochen als Souvenir mitgenommen. Die hat sich die Polizei auf dem
Ruhrschnellweg von den Mopeds wieder geholt. Solche Zustände waren
das.
Die sind jetzt woanders beerdigt?
Heribert Grewe: Was noch drin ist weiß ich nicht. Sie haben das Mausoleum
jetzt zugemauert.
Der alte Förster hat dann dieses Haus hier wieder zurückgekauft. Das
ist aber schon als Besitz in der Familie gewesen. Das Haus ist mehr
wie 150 Jahre alt ... so ungefähr 200 Jahre. Früher haben die Leute
ja arm gelebt. Wenn sie Fenster hatten, mußten sie darauf Steuern
bezahlen. So etwas haben die sich früher ausgedacht. Hier war hinten
eine kleine Wohnung drin und vorne ein bißchen Tierhaltung. Es gibt
ja hier keine Fundamente drunter. Die Grafen sind ja ziemlich auf
dem hohen Pferd geritten. Jedenfalls haben sie das bis zum Nullpunkt
verschulden lassen. Dann hat der Gockel und Niehburg sich die ganze
Besitzung unter den Nagel gerissen. Das war die große Tiefbaufirma,
die den Stausee 1928 gebaut hat. Unsere Oma hat immer für die gekocht.
Da haben ja hunderte von Menschen gearbeitet. Auf so großen Arbeitsstellen
wurde früher ja richtig derbe gekocht. Da haben die sich das Geld
zusammengespart. Der Adel hat ja für den Förster auch nicht geklebt,
der kriegte keine Rente. Meine Schwiegermutter war seine (des Försters)
zweite Frau. Die erste Frau war im Kinderbett gestorben. Da war der
alte Graf schon tot, und da haben die zu einem zumutbaren Preis von
der Gräfin diese Kottenstelle zurückgekauft. 1945 haben da natürlich
die Polen gehaust. Die Grafen sind stiften gegangen. Der Jüngere ist
mit 4/5 Kindern glaube ich nach Rügen gegangen. Er war zuletzt wohl
in Holstein gewesen. Dem Förster sein Bruder und seine Frau, die sind
auf dem Dominion (in Schlesien) drauf geblieben ... denen haben sie
allen den Bart abgeschnitten ... die haben sie tot gemacht. (...)
Im Krieg hat man ja die gefangenen Franzosen nach dem Osten gebracht,
daß die nicht weglaufen konnten. Die Polen und die Russen haben sie
hier auf die Höfe gebracht. Hier waren alles Polen und Russen auf
den Höfen. Ganz selten war hier ein Franzose. Und der Sohn von dem
Konrad (der Förster der in Schlesien umgebracht wurde) kam nach Frankreich
in Gefangenschaft und traf dort einen, dem er mal da hinten (in Schlesien)
das Fell gegerbt hat. Der hat ihn natürlich erst mal ganz schön traktiert.
Aber dann ist ihm aus der Gefangenschaft die Flucht geglückt. Dann
ist er hier zu seinem Onkel hingekommen, und er wußte ja, daß sein
Onkel kinderlos war, der war ja nicht verheiratet. Der Onkel hätte
ihm damals wohl auch was von dem Kotten abgegeben. Der hat ihn aufgenommen
... aber! ... der ging am langen Seil ... der hat nicht gearbeitet. Der
hat nur Schwarzhandel getrieben. Nach dem Krieg, in der schlechten
Zeit, hat der alles versetzt was sein Onkel besaß und von seinem Onkel
Alfred auch noch. Da haben die sich in die Haare gekriegt und dann
hat er ihn rausgeschmissen und hat ihn auch gleichzeitig sofort enterbt.
Der hat dann eine Anstellung bei (Niedereimer?) bei Arnsberg gekriegt
... beim staatlichen Forst. Der war ja schon studierter Förster gewesen.
Die Grafen wollten dann von dem alten Förster diesen abgewirtschafteten
Kotten wieder kaufen. Die haben in den Schweizer Alpen noch ein kleines
Jagdgut gehabt. Sie sind nämlich mal vor Jahren hier gewesen ... das
hatte mir der alte Gemüsebauer gesagt ... als das Schloß an die Stadt
Hagen überging. Da haben die Lunte gerochen und gedacht: von unseren
Großeltern könnte auf der Besitzung Werdringen etwas sein, was die
Familie interessiert. Da war aber nix mehr. Die sind aber mal hier
gewesen ... aus dieser Grafendynastie.
Dann hat der Gockel und Nieburg diese Besitzung hier übernommen.
Die Grafen hatten nix mehr, nur noch einen Haufen Schulden. Und da
wollte der Gockel und Nieburg da (Siedlerställe?) von machen. Wir
zu Hause hatten auch Siedlerställe gehabt. Wir hatte ein Pferd und
2 Kühe. Der Alte ging mit dem Pferd im Wald Holz rücken. Das war früher
so. Wir hatten auch nicht viel Eigentum dabei. Der Gockel und Nieburg
wollte die ganze Besitzung Werdringen aufteilen. Da ist erst mal der
letzte Hof ... das ist wohl mal der Rinderstall gewesen. Der Zweite
war der Pächterhof. Der Dritte war die Wasserburg, wo die Forstverwaltung
drauf war. Die hatte füher auch immer 2/3 Kühe gehabt. Und der Letzte,
da ist das Wohnhaus begebaut worden. Da steht die alte Scheune noch,
hier hinter dem Trafohaus. Das war früher alles eine große Domäne
gewesen. Einmal der Pächterhof mit all den Bewirtschaftungsgebäuden.
Ich hab auch noch einen uralten Pachtvertrag. Der ist in Sütterlin
geschrieben. Ich hab ihn einmal abgegeben an den Pächterverband nach
Hannover, an das Archiv. Aber die haben den nur gepaust. Das Original
hab ich wiedergekriegt. Das ist auf Pergament geschrieben. Da steht
auch alles drauf, was früher zu der Pachtung gehört hat. Hier unten
muß auch noch so ein Hof gewesen sein, der in der Leibeigenschaft
war.
Früher wurde das Korn nach Scheffeln abgerechnet. Da steht auch drin,
was der Knecht verdiente und was die erste Magd verdiente und wieviel
Schafe sie gehalten haben und wieviel Tiere. Im Winter haben sie für
die Brauerei in Herdecke Eis gefahren. Im Winter wurde das Eis gebrochen
und kam dann in so Kühlhäuser rein, weil sie früher ja noch keine
Eismaschinen hatten.
Dann kam ja der Hitler an die Regierung dran. Da hieß das dann "Deutscher
Bauern Siedlungsverband". Dann kam der Bauern Siedlungsverband und
hat das dem Gockel und Nieburg wieder entnommen. Wie das nun finanziell
gelaufen ist weiß ich nicht (Zwangsenteignet?). Die hatten dann alle
so ungefähr 100 Morgen. Da waren 400 Morgen Nutzland ... Wiesen, Acker
und ...
Es gibt ja eine Bodenbewertung: 30 ist Sand und 80 ist bestes Ackerland,
das ist guter Boden. Damit jeder auch guten und schlechten Boden kriegte,
liegen die Flächen auch meist nicht zusammen. Der Eine hat da hinten
was liegen und dann hat er da ein Stück liegen und hier hat er ein
Stück. Ja, und dann kam der Hitler da dran. Und der Erste hier, das
war der Domenikus. Der Alte hatte eine Molkerei. Ich weiß, meine Mutter
ging da früher hin. Das war ein zweiter Bauernsohn. Der Zweite, der
auf der Wasserburg war, das war der Zimmermann ... Der Sohn ist so ein
Dicker. Habt ihr mit dem schon gesprochen? Dann müßt ihr nicht sagen,
daß ihr schon mit mir gesprochen habt: ich will mich nicht weiter
darüber äußern. Die haben sich früher keine Tageszeit gesagt da unten.
Und der, von hier aus gesehen, Dritte, der auf dem Pächterhaus war
... das war das Fachwerkhaus, das früher die alten Hofställe waren ...
der kam aus Wattenscheid. Der Vater ... die hatten 300 Jahre lang einen
Hof mitten in Wattenscheid gehabt. Und die Stadt Wattenscheid hat
dem Vater, der Stadtverordneter war, immer gesagt, er soll ihnen ein
Stück geben für Industriegelände, ein Stück für Baugelände. Und wenn
der Hof nicht mehr existenzfähig ist sollte er das Geld auf einmal
haben. Das hat er dann auf einmal gekriegt ... bei der Inflation!
Da hatte er den Hof in Wattenscheid los und mit dem Geld konnte er
sein Feuer anmachen. Da hat der hier wieder neu angefangen. Und der
Letzte, der Rüsing (?), der kam ... glaube ich ... von der Iserlohner
Ecke, wo diese ganze Schießplätze waren, wo die ganzen Kasernen waren.
Denen haben sie Höfe auch alle wegrasiert. Und dann haben sie da 4
Hofstellen von gemacht. Und heute ist der Letzte der Kleine, der die
Schweine hat. Ich bin der Allerkleinste gewesen ... wir sind noch da,
und die anderen sind schon alle vom Fenster weg. So ist der Werdegang
von Werdringen geworden.
Dann hat die Stadt Hagen hier ihr Freizeitzentrum geplant. Die haben
nie die Katze aus dem Sack gelassen. Die haben nie klare Verhältnisse
geschaffen. Ich weiß nur: hier unten drunter wollten sie ein Sportstadion
bauen. Da wo unten meine Kühe laufen. Das gehört aber alles der Stadt
Hagen. Da wollten sie ein Sportstadion bauen. Da wollte die Stadt
Hagen von der Landesregierung Geld dazu haben ... Zuschüsse. Da hat
die Landesregierung gesagt: Ihr müßt uns ja erst mal zeigen wo ihr
überhaupt was gekauft habt, wo ihr überhaupt so etwas hinbauen wollt.
Ich weiß nur: da oben stand ein Bus mit ner Düsseldorfer Nummer. Da
haben die sich das Gelände angeguckt und haben gesagt: Wie kann man
denn hier auf die Westseite ein Sportstadion hinbauen ... Das ist ja
ziemlich geräuschvoll. Und dann hat sich das zerschlagen. Tja, da
war das ganze Schiff abgefahren. Die Stadt Hagen hatte aber 24 Stunden
vorher einen Vertrag unterschrieben und für 36 Mark pro qm den ganzen
Hof gekauft. Bis da hinten am Berg, wo sie nix mit machen können.
Das hat sich erst in den letzten 10/15 Jahren abgespielt. Da vorne
in das Loch wollten sie ein 16 oder 18 stöckiges Hochhaus reinsetzen.
Das sollte ein ganz eigener Stadtteil hier werden.
Vorhalle war ja früher eine Eisenbahnerstadt. 50% von Vorhalle waren
Eisenbahner. Der große Güterbahnhof war ja nach der Seite größer und
nach der Seite auch. Und hier unten standen feine Häuser drin. Die
rechte Seite war in der Franzosenzeit gebaut worden 1920. Die Franzosen
sind ja als Besatzung hier gewesen nach dem Ersten Weltkrieg. Und
damit sie die Eisenbahner auch gut bei Laune hielten ... Die haben im
Ruhrgebiet erst mal die Kohlen ausgeräubert ... wurden die angestellten
Lokführer in diesen Häusern untergebracht. Da waren in jedem Haus
4 Wohnungen drin. Jaaah, als sie die Häuser abbrachen, da waren 6
cm dicke Eichenbohlen in den Treppen drin ... bestes Eichenholz ... haben
sie allles kaputt gemacht. Ich hab damals noch geholt. Zum Teil für
Brennholz und was ich sonst noch brauchte. Hinterher hab ich die noch
einem gegeben, der die wieder gehobelt hat. Die Häuser hatten die
Franzosen noch gebaut. Und auf der linken Seite, da waren die Schlösserhäuser.
Wo die Schlösser waren und die Heizer ... das große Haus. Unten an der
Klagemauer standen auch noch ein paar alte Dinger. Die haben sie alle
platt gemacht. Das war da unten wo jetzt alles zugewachsen ist. Dann
stand noch links ein Bauernhof drin. Der ist jetzt auch weg. Von diesen
Eisenbahnern kamen viele aus dem Sauerland. Die waren meist aus der
Landwirtschaft. Meine Mutter ging früher immer zu einer älteren Dame
dort. Eine Ziege und ein Schwein, das war das Wenigste was die da
hatten. Und einen schönen Garten. Da waren gepflegte Gärten.
Nachbar (Rentner): Aber das wär heute nicht mehr gewesen. Wer pflegt
heute noch so einen Garten? Wir bücken uns noch wegen einem Stück
Papier, aber heute bückt sich doch keiner mehr.
Heribert Grewe: Das ist alles total verfahren. man weiß nicht wie
die Stadt Hagen sich das für die Zukunft vorstellt? Die haben kein
Geld. Der Turm ist auch nur noch eine Ruine und kein Denkmal.
Nachbar (Rentner): Ich ruf da (Stadt Hagen) auch nicht mehr an. Die
haben nur gesagt: da sind wir nicht zuständig, da müssen sie woanders
anrufen. Nicht mal die Polizei geht hoch. Die sind zu faul um hochzulaufen.
Die sagen: wir haben keinen Schlüssel für den Schlagbaum. Da oben
wird nur noch Kindergeld gemacht.
Heribert Grewe: Ja, so ist es. Die Stadt Hagen hat keine klaren Verhältnisse
geschaffen.
Nachbar (Rentner): Ja guck dir nur mal an wo der Euro abgeblieben
ist ... wo der Euro steht, guck dir das mal an. Den kleinen Sparer,
den verarscht Kohl so richtig. Der hat sein Geld in Amerika.
Wissen sie etwas über den alten Friedhof, der da unten auf dem Feld
am Waldrand gewesen sein muß?
Heribert Grewe: Das Stück am Totenhaus war noch Wald. Und vom Totenhaus
nach der alten Schafstraße hin ... (da war der Friedhof). Das haben
sie damals bei der Hofaufteilung noch kultiviert. Das war aber ein
unheimlich steiniger Acker. Das waren die alten Grabsteine, die hier
alle auf dem Hof gelegen waren. Diese großen Bruchsteinplatten haben
die früher alle in den Steinbrüchen gehauen. Da war alles lateinische
Schrift drauf. Und 1928 in der Erwerbslosenzeit hat der Schwiegervater
mit dem Förster die Grabsteine geholt. Als sie den Acker angelegt
haben, haben sie Grabsteine alle rausgeschmissen und in den Hohlweg
rein geworfen. (Der Förster und sein Schwiegervater) haben dann die
von dem Hohlweg nach hier geholt und haben den Grabsteinen die Köppe
abgehauen. Das waren so dicke Sandsteinplatten und mit denen haben
die den Hof ausgelegt. Wie ich aber nachher mit dem schweren Trekker
kam, da fuhr ich die alle platt, weil die ja nicht unterfüttert waren.
Da hab ich die rausgeschmissen. Als ich nachher hier Wasser- und Stromleitungen
durchgelegt hab, habe ich sie alle rausgeschmissen. Die meisten hab
ich sogar noch kaputt gehauen. Der Letzte war da vorne wo der Hund
liegt (rechts vom Eingang des Wohnhauses). Da war so eine große schöne
Platte. Da hab ich immer Sachen drauf angemischt. Da war eine schöne
Schrift drauf. Verschiedenes konnte ich lesen, aber nicht Alles. Da
hab ich den hoch genommen, und von der anderen Seite war der noch
wunderbar zu lesen. Die Grabsteine hatten früher oben noch so eine
Rundung, so Flügel, drauf gehabt. Die waren schon weggehauen. Man
hatte die so ein bißchen begradigt. Dann hatte ich den so stehen ...
Da kam so einer, der auch Heimatgeschichte schreibt: der sagte zu
mir, Heribert, was hast du da für einen schönen Stein? Da sag ich:
ja, den hab ich hier aus dem Hof genommen. Sagt er: gibst du mir den?
Wir geben dir was dafür. Ich sag: Nöö, was willst du denn damit machen?
Ja, sagt er: wir wollen den reinigen und auf Vordermann bringen ...
Wir wollen wissen was da drauf steht. Jedenfalls ich sag: den Stein
kannste haben, aber nur unter einer Bedingung: Der Stein muß da hin,
daß jeder der ihn sehen möchte und lesen möchte und sich dafür interessiert,
ihn auch sehen kann. Verkaufen tu ich den nicht, den verschenk ich
dir. Wo ist er (fragt seinen Nachbarn)? Ist er an der Wasserburg,
unser Stein, oder ist er nach Hagen ins Museum? Jedenfalls haben sie
den Stein auf Vordermann gebracht. Dann haben sie in den alten Kirchenbüchern
nachgeguckt, ich hatte auch einige alte schriftliche Unterlagen. Unter
dem Stein war der letzte Holzrichter der Grafschaft Mark begraben.
Wie der geheißen hat, kann ich jetzt nicht sagen. Der Wald hieß Grafschaft
Mark. Das war Waldbesitz, der allen Bauern gehörte. Und das Holzgericht
wurde früher auf der Burg Vollmarstein abgehalten. An diesem Holzgericht
wurden früher auch die Waldfrevler bestraft. Es wurde jedes Jahr einmal
abgehalten. Das letzte Holzgericht ist auf dem Schloß Werdringen abgehalten
worden. Und da ist der Holzrichter, als der gestorben ist, hier auf
dem Waldfriedhof beerdigt worden. Das war der Grabstein davon. Das
haben sie aus den alten Kirchenbüchern zurück verfolgt. Was nützt
mir das, wenn ich mir den Stein setzte, der passt mir hier sowieso
nicht rein ... ich hab gesagt: nehmt den Stein. (...)
Dieses Feld hier unten, die Senke, ist ein ganz besonders gutes Feld.
Das heißt "das Elberfeldsche Feld". Warum das so heißt, das weiß ich
nicht. Die haben früher mehrere mal Aufteilungen gemacht, durch Einheirat
oder durch Ausheirat aus den Familien. Da kriegten die bestimmte Besitzungen
mit. Und dann sind die doch später wieder zusammengelegt worden. Geldlich
ausgeglichen oder so ... Das Schloß Werdringen hat ja auch nicht so
gestanden wie jetzt. Das war ja ein 6 Ständehaus. (...)
Seit wann sind sie hier auf dem Hof?
Heribert Grewe: Meine Frau ist ja hier geboren. Ich hab eingeheiratet.
Ich bin auch hier aus Vorhalle auf der anderen Seite. Wir haben ja
früher viel Waldarbeit gemacht, viel Holz gerückt mit unserer Stute.
Nach dem Krieg vor allen Dingen. Der Onkel August (Bruder seines Schwiegervaters,
des Försters) hat hier die Roteichen angepflanzt. Die Roteichen kennt
ihr ja ... die mit den großen Blättern. Da kommen die (wer?) hin und
schlagen die besten Bäume aus dem Wald raus.
Nachbar (Rentner): Und da unten steht ein Schild, da haben sie für
25 000 Mark Schleedorn in den Laubwald gepflanzt. Sind die behämmert?
Die sollen nach Mecklenburg gehen. Da ist Sandboden.
Heribert Grewe: Die wachsen doch hier gar nicht.
Nachbar (Rentner): Seltene Pflanzen. Sag mal: halten die uns für bekloppt?
Heribert Grewe: Hier sind ja noch ein paar schöne dicke Nadelbäume
drin, die Lärchen. Das sind europäische Lärchen. Da hinten stehen
so ein paar noch. Das sind aber solche Kavenzmänner noch. Gute Waldbestände
waren hier früher gewesen. Die Nadelbäume gingen hier kaputt durch
die Einflüsse vom Ruhrgebiet. Wir kriegten hier den ganzen Sauren
Regen. Wir hatten früher hier im Garten so eine Meßanlage. Die Ableser
durften ja nix sagen. Aber mir haben die immer die Werte gesagt. Wenn
wir früher neuen Stacheldraht an einen Zaun machten, dann war der
in einem halben Jahr schwarz. Da war der Zink abgefressen. Also war
der Regen sauer ... mit Säure versetzt. Da kam hier der Aufwind vom
Ruhrtal und nachts ließen die alle ihren Dampf ab. Dann kam das runter.
Der Förster hat das damals früh erkannt und hat auch früh genug angefangen,
die Roteichen hier aufzupflanzen. Die Roteiche war dagegen resistent.
Jetzt hacken sie die ja ab, sie hauen die Besten raus und kriegen
noch nicht einmal den Hauerlohn dafür. Palettenholz!
Das ist das Holz, das hier überall herumliegt?
Heribert Grewe: Ja, vor vier, fünf Jahren haben sie schon mal so viel
rausgewichst. Ich hab hier früher auch Holz gerückt, aber heute mach
ich das mit dem Holz nicht mehr. Industrieholz! Da kriegst du für
die Tonne 40 oder 42 Mark dafür. Das geht alles in die Spanplattenfabrik.
Nachbar: Ich war in Rußland in der Gefangenschaft. Das Holz, daß da
geschlagen wurde ... die dicken Lärchen, die lagen 3 Jahre im Wasser.
Die werden mit den Flößen runter transportiert und bleiben 3 Jahre
im Wasser liegen. Wenn sie die dann aufgeschnitten haben, dann sind
die nicht mehr geplatzt.
Heribert Grewe: Eine Lärche muß liegen, die kann man nicht frisch
verschneiden. Der Förster hat mir ja gesagt, die Roteichen hätten
die Dänen gekauft als Parkettholz. Parkettholz wollten sie davon schneiden.
Ich hab mal gesehen, wie sie in Vorhalle einen Eisenbahnwagon beladen
haben. Da kam auch so ein großer Lastzug. Der kam von der Dortmunder
Seite her. Nur Abschnitte nehmen die, nur die geraden, dicken Stücke.
Da schneiden die so 18 oder 20 Millimeter Bretter. Mir haben die damals
gesagt: die taugen nix für Parkettholz. Die Roteiche, wenn man aus
der ein Brett schnitt und die an einen Zaun nagelte, die hielt 10
Jahre. Da konnte man keinen Nagel durchschlagen. Wenn man die als
Zaunpfahl nahm, und tat sie in die Erde, da konnte man sie im nächsten
Jahr umschmeißen ... da war sie kaputt. Deshalb taugten die auch nicht
als Zechenholz, die Roteichen.
Nachbar: Wenn du die alten Bauten siehst, dann sind die Balken mindestens
hundert Jahre alt, da kriegste keinen Nagel rein.
Heribert Grewe: Ich hab da vorn an der Schutten mal ne Roteiche geschnitten
als Ständer. Die darf man nur nicht in die Erde stellen. Ansonsten
ist die glashart.
(wir gehen zusammen in den Heuschober um nach einer Schau-Tafel aus
dem alten Klärwerk in Wetter zu suchen) (... ca. 10 min Material ... nicht
abgeschrieben)
Heribert Grewe: (zeigt einen alten Prospekt von der Kläranlage Hagen-Vorhalle)
... Und das sind die alten Klärschlammteiche von Vorhalle. Da können
sie mal sehen wie sie frei sind. Die waren dann ja mit Schilf zugewachsen
oben drauf. Da war dann so ne Schicht drauf. Da war ne Kruste drauf,
und drunter waren drei Meter Suppe. Wenn ich da drauf ging, hat mich
der Alte immer am Bauch gehalten. Ich hab mir da früher immer Tomatenpflanzen
ausgegraben. Da waren Tomatenpflanzen drin! Die hab ich früher nach
den Gärten gefahren. Die Leute hatten doch nach dem Krieg nichts.
Ooch, da hatt ich immer was zum Kungeln gehabt. Diese Becken sind
damals alle restlos leer gemacht worden. (... erklärt die Fotos im Prospekt
...)
Der Taubenzüchter hat uns erzählt, daß es hier noch mehr Wirtschaften
gegeben hat?
Heribert Grewe: Eine da hinten war die Alma Schmidt. (... er und der
Nachbar unterhalten sich darüber wie die Besitzer(in) hieß ... Heribert
Grewe ruft auch seine Frau ...) Jedenfalls war die Besitzerin von der
Wirtschaft ein Fräulein, die war bei Filosa, einer großen Bonbonfabrik,
Prokuristin. Die (Firma) ist auch weg ... pleite. Als Pächterin war
Alma Schmidt da. Und 1945 hat der Ehemannn von der Alma Schmidt, die
waren kinderlos, der Bauer hier unten ... Rehbein, sein Schwager, und
der Walter von der Kolonie ... 5 Mann haben den Sprit gesoffen. Von
Tücking (?) der Mann, das war der Schwager von diesem Bauern (der
hat auch mitgetrunken). Die haben früher gerne einen gesoffen. Nach
dem Krieg standen hier im Bahnhof die großen Kessel mit Flugzeugsprit.
Das war Metylalkohol ...
... Da kamen die Jabos, die Tiefflieger ... Erst flogen sie so den Bahnhof
längs ... dann hatten sie unter jedem Flügel `ne 5 Zentner Bombe drunter,
die knallten sie in die Schienen rein ... dann waren die Schienen erst
mal wieder kaputt.
Dann kriegten sie hier am Haus so ein Flakgeschütz. Dann kriegten
sie so viel Feuer. Dann hatten sie auch an der Eisenbahn so (Flak-)
Betontürme gemacht. Daraufhin flogen sie die Eisenbahn von so an.
Dann kamen die hier rüber über die Eisenbahn. Die kamen bis auf 25
Meter runter, da konnteste die aber drin sitzen sehen. Da pfefferten
die von vorne mit dem Maschinengewehr raus und aus den Flügeln ... aus
alllen Rohren ... Dann schossen sie die Loks kaputt. Die pfiffen und
knallten, die Tenders. Die schossen sie durch, mit den 2 Zentimeter
(Geschossen). Dann hatten sie unter jedem Flügel nur eine Bombe drunter,
die schmissen sie irgendwie. Die Räder von den Waggons standen nach
oben. Zuletzt waren nur noch 2 Gleise drin in dem ganzen Bahnhof.
Alles andere war kaputt. Ja und dann standen die ganzen kriegswichtigen
Versorgungszüge da. Dann kamen die ganzen Kriegsgefangenen, die mußten
die Bombentrichter wieder zuschmeißen ...
Nachbar: Da unten war auch die Organisation Todt.
Heribert Grewe: Das waren auch Gefangene. Der Berg war voll Baracken.
... dann mußten die die Bombentrichter wieder zumachen. Die Schienen
wurden notdürftig repariert, daß das alles wieder ging, daß sie dann
die Transportzüge wieder kriegen. Und diese Viaduktstrecke, die von
der Seite kam, die haben sie (die Deutschen) 1945 gesprengt. Vorher
war es ja vom Hochwasser einmal eingestürzt (ausgelöst durch einen
Bombentreffer auf die Möhnetalsperre). Das war die Belgische Köln
Strecke. Das war die älteste Eisenbahnstrecke, die von Köln nach Dortmund,
nach Norddeutschland lief. Die läuft ja unter dem Damm her. Da zogen
sie beiTage immer die ganzen Munitionszüge rein. Alles was nach dem
Osten ging. Meine Eltern hatten auch zwei Kühe und ich war da oben
auf der anderen Seite (vom Kaisberg) beim Kühe hüten. Da stand so
ein großer Panzerzug ... da unten bei der Autobahn. Das war so eingeschnitten
... das ist ja jetzt alles ausgeschiefert ... die standen tief in der
Senke. Dann wurden die eingenebelt, daß sie (Die Tiefflieger) die
nicht sahen. Die waren nur zu sehen wenn sie längs (der Strecke) flogen.
Wenn sie quer flogen, konnten sie die nicht sehen. Da schossen die
natürlich auf die Lightnings (?) drauf ... die Doppelrümpfe ... die habt
ihr natürlich nicht gekannt ... die schossen da unten raus, die Hunde.
Da wo unsere Kuhwiese war, standen auch ein paar Vierligsflakgeschütze.
Die pfefferten da drauf ... Da sollteste mal sehen, wie die den Panzerzug
beaast haben. Da gingen die aber von der anderen Seite dran ... links.
Erst mal wurden ein paar Bomben hin geschmissen, daß die nicht mehr
raus konnten aus der Mausefalle. Hinterher haben sie gar nicht mehr
geschossen. Die großen Geschütze waren alle weg. Daraufhin wurden
die abends eingenebelt. Das war die Hauptstrecke, die von der Westfront
zur Ostfront ging. Die ging hier über den Viadukt rüber. Die zogen
die (Züge) nur nachts drüber. Bei Tage wurden die in die Täler reingelegt
und dann wurden die zugenebelt. Was haben wir hier auf dem Feld für
Hülsen gefunden von den schweren Maschinengewehren. Ich hab selbst
bei einem Tieffliegerangriff einen Splitter am Rücken gehabt. Die
schossen auf einzelne (zivile) Wagen drauf.
Nachbar: Eine Flak hat da oben gestanden.
Heribert Grewe: Ja, eine Vierlingsflak stand bei uns hier.
Nachbar: Eine 2 Zentimeterflak stand bei der Schönen Aussicht.
Heribert Grewe: Eine stand bei euch da in der Hecke. Eine hat am Steinhaus
gestanden . Eine bei Düllmann (?) auf der Waage. (...) Und auf der Autobahn,
die war damals noch nicht fertig, da standen die schweren Geschütze
drauf. Die zogen sie dann alle ab wo 1943 im Osten der Rückzug losging.
Wenn die anfingen, dann haben aber die Dachpfannen gezittert. Alles
Russen (waren das) bei der Mannschaft, Hiwis (?), Überläufer.
Wurde dann im Krieg hier nach Kohle gegraben?
Heribert Grewe: Nee ... (Anfang unverständlich) ... Kohlenlöcher. Deshalb
heißt das, wo die Wirtschaft hinten ist ... das heißt... am Kohlenufer.
Bei der Alma Schmidt hinten am Saal, wenn die Kaninchen da so Löcher
gekratzt haben, da hast du alles so schwarze Nägel gehabt. Vor der
Wirtschaft an dem Brunnen, da haben die einmal abgetäuft nach Kohlen.
Unten im Wald waren auch ein paar Schürflöcher. Also, Kohle lag! Das
waren die letzten Ausläufer. Auf der anderen Seite von der Ruhr, da
war schon wieder mehr Kohle.
Kriegsgefangene von der Organisation Todt waren hier auf dem Kaisberg?
Heribert Grewe: Die haben alle am Viadukt gelebt. Das waren alles
so Arbeitstrupps, Bautrupps. (...) Die Brücke ist vom Hochwasser zusammengestürzt
als sie die Möhne getroffen haben (1943). Da stand das Wasser ja bis
nach Vorhalle am Bahnhof unten. Da hast du nichts mehr gesehen als
nur noch Wasser. Die Ruhrauen und alles hier runter ... die haben die
Wehre alle hochgezogen ... alles hoch, hoch, hoch ... Das ganze Zuhrtal
hast du nichts mehr gesehen, da war nur noch Wasser. Wasser, Trümmer,
tote Tiere, Menschen die mit versoffen waren. Unter der Möhnetalsperre
lagen die ganzen Kriegsgefangenenlager. Die haben alle in den Rüstungsbetrieben
gearbeitet. Die sind alle mit ersoffen. Ein großes Klostergut lag
auch da ... sind auch alle mit ersoffen. Ukrainer ... ein Lager mit Ukrainerfrauen
... alles mit versoffen. Der große Hof, der da unten an der Herdecker
Straße war, der hat noch früh genug eine Warnung gekriegt. Der brachte
die Kühe (über die Brücke) ... da war ja in Vorhalle die Brücke noch
nicht (gesprengt)... Die hatten sie ja auch gesprengt nach dem Krieg.
Aber der große Bulle im Stall und die Schafherde, die sind alle ersoffen.
Die Brücke (nach Vorhalle) ist im Krieg gesprengt worden?
Heribert Grewe: Nach der Kapitulation 1945. Da haben sie auch den
Viadukt nochmal gespregt. Zwei Lokomotiven draufgestellt und ... Die
ganzen Blindgängerbomben, die 5 Zentnerbomben, die haben sie alle
unter die Brücken gelegt und die Brücken runter gejagt. Da war keine
Brücke mehr. Die waren doch nicht gescheit im Kopfe. Die waren doch
nicht gescheit im Kopfe!
Die Brücken haben sie erst noch alle runter getan. Hier in Vorhalle
bei Brüninghaus, da am Bahnhof. Das erste war so `ne Bogenbrücke,
so ne Stahlbrücke ... genietet. Ich weiß noch als ich ein Kind war,
da stand: Keine Überfahrt für Dampfwalzen! Das kann ich mich noch
entsinnen. Weil die Brücke hatte Holzbohlenbelag ... Eichenbohlenbelag.
Die haben sie dann natürlich 45 auch runter getan. Alles runter ...
alle Brücken runter. Vater, hab ich immer gesagt: die sind doch nicht
normal. Auch hier in Wetter, die Stauseebrücken ... alle runter. Lagen
alle unten drin. So ein Wahnsinn ... `45. Die Amerikaner standen schon
hier, da haben die die ganzen Brücken noch hochgejagt ... Deutsche Sprengtrupps
waren das. Die Bomben waren vorher schon untergelegt. Von unten drunter
hatten sie die Bomben alle in so ein Schellband drin ... alles, die
Zündschnüre ... das hing alles schon fertig. Da wollten sie die Amerikaner
noch aufhalten.
Wurden hier auch noch Deserteure gejagt?
Heribert Grewe: Im Krieg ja. Nach dem Krieg waren ja 60 000 Russen
hier in Vorhalle in der Stadt. Da war Vorhalle ja geräumt. 60 000!
Binnen 3 Stunden hattest du alles mitzunehmen was du an der Hand hattest
und ... Alles raus!
Nachbar: Die (Russen) sind alle nach Sibirien gekommen.
Heribert Grewe: Der Bahnhof war die Grenze. Der Bahnhof war ja total
kaputt. Hier vom Stahlwerk, da waren 2 alte Dampfkräne, die haben
auch noch mitgeholfen (bei den Aufräumarbeiten) ... da ist der Böhme
noch mit verunglückt ... Bis das erst mal wieder so ans Laufen kam ...
Und dann die, von den ganzen großen Kriegsgefangenenlagern ... ich weiß
noch, ein Vetter von mir, der war auch da ... die haben die Menschen
nur noch hin und her bewegt ... immer 1000 Mann zusammen, aber nix mehr
zu Fressen. Mein Vetter, der ist weggelaufen. Der hat gesagt: die
hätten mich auch noch aufgefressen vor Kohldampf. Wie dann die Kapitulation
kam, dann haben sie die Ganzen zusammengeführt. Dann haben sie hier
in Vorhalle gesagt: Binnen 3 Stunden räumen! Eisenbahn ist die Grenze
... auf der anderen Seite waren meine Eltern ... oben war die Autobahn
die Grenze. Ja, und dann kamen die da alle rein. So etwas Schönes
hatten sie wahrscheinlich noch nie gesehen. Vorhalle war vom Bombenkrieg
ziemlich verschont geblieben. Hagen dagegen ... Nur den Bahnhof (von
Vorhalle) hatten die restlos zusammen gedeppert.
Hier auf der anderen Seite war so ein großes Schamottwerk, der machte
für die Hochöfen die Steine ... da war so ein Lager, da hatten sie die
(Kreigsgefangenen vor Kriegsende) drin ... das haben sie damals gesagt.
Ich kann mich nur als Kind entsinnen ... die hatten alle so große Pudelmützen
am Kopf und Filzstiefel an. Da war nix mehr dran da Unten. Das waren
alles Intelligenzler. Das waren die Eliten, die der Stalin bei Stalingrad
eingesetzt hat und die dann in Gefangenschaft kamen. Die kamen da
in diese Arbeitslager rein. Und wer da rein kam ... die meisten kamen
nicht wieder raus. Das waren Hunger und Krankheit ... Staub. Diese Steine,
die sie für die Hochöfen gemacht haben, die waren hochgiftig. In Ickesaah
(?), da war ein großes Werk, die haben Geschützrohre gemacht. Beim
ersten Angriff, da waren schon die ganzen Russenbaracken mit wegrasiert.
Nachbar: Ja, was haben die mit uns gemacht in Rußland? ... da spricht
auch keiner darüber. Die sagen, die haben jeden Deutschen (Kriegsgefangenen)
registriert in Rußland. Die gingen ab wie die Kartoffelschalen auf
die Kippe ... in Rußland. Die brauchen mir gar nix erzählen. Die haben
es schlimmer getrieben mit den Deutschen ... und mit ihren Kriegsgefangenen
... die haben sie nach der Bering (See?) verfrachtet ...
Heribert Grewe: Als die abzogen ... die waren ja von den Amerikanern
gut verpflegt ... Also meine Mutter ... wir hatten ja auch 2 Kühe ... die
war ziemlich christlich eingestellt ... es war ja verboten Kriegsgefangenen
etwas zu geben ... ein Stück Brot, das konnte dein Ende sein ...
Hier in Wetter, da war die Gestapo, die Nebenstelle von Dortmund.
In Dortmund, die haben die ja im Rombergpark in den Bombentrichtern
alle tot geschossen ... die politischen Gefangenen. Die Nebenstelle,
die war hier im Harkortberg. Die hatten da einen tiefen Bunker drin.
Da wurde auch immer der Bericht durchgegeben wann die Flugzeuge kamen.
Die Sendung kam von da.
Falk Wolf: Haben die den Harkortturm auch als Antenne benutzt?
Heribert Grewe: Das kann ich nicht sagen. Wir kamen nach der Seite
wenig hin. Ich weiß nur, daß mein Vater immer Probleme hatte ... weil
mein Vater, der sprach auch Russisch, vom ersten Weltkrieg her. Im
Kreig war der kriegsverpflichtet an der Elektro-Mark (Elektromag?)
(?) ... und die kriegten viele Kriegsgefangene zum Abladen für die Staubkohle.
Die Kohle war aus Frankreich ... diese Waschkohlen. Die kamen dann in
die Kraftwerke rein. Da hatten die kleine Waggons. Das waren so vierachsige,
große, französische Waggons. Da waren 50 Tonnen Kohle drauf. Dann
mußten die ja Alles mit der Schippe abladen. Die deutschen Waggons
konnten sie ja kippen ... da waren Kippanlagen drauf. Wenn mein Vater
sonntags arbeitete, mußte ich immer nach der Elektromag (?) Essen
bringen. Da ist ja wohl Mancher an den Zechen weggelaufen. Aber die
meisten, die wegliefen, haben ihre Heimat nicht wieder gesehen. Das
war ja schlimm. Wenn man sich vorstellt, daß in Vorhalle unggefähr
60 000 Kriegsgefangene zusammen waren ... die wurden hier sortiert ...
Mein Bruder war mit 15 Jahren schon am Flughafen in Dortmund bei der
schweren Flak ... Die (Kriegsgefangenen, die für die Deutschen) an der
schweren Flak waren, haben ihre Heimat ja auch nicht wieder gesehen.
Die haben sie (die Russen) alle liquidiert. Das waren Überläufer gewesen.
Die nannten sich Flassow -Truppen ... die hatten alle deutsche Uniformen
an, waren aber als Überläufer bezeichnet ... auch hier. Hier an der
Autobahn hab ich sie auch gesehen. Die wurden dann alle sortiert hier
... hier waren die politischen Kommissare ... auch die Russen-Weiber.
Ich weiß noch eine: Jenny hieß die ... als wir nach Eckesey in die Kirche
mußten ... ich wollte ihr das Gesangsbuch zeigen ... da hat sie ein paar
Seiten rausgerissen und ,ha! (lacht), und hat sich Zigaretten von
gemacht. Da mußten sie ja immer marschieren und singen. Dann wurden
immer wieder Transporte zusammengestellt. Die besten Waggons, die
noch einigermaßen waren, die wurden zusammengestellt. Dann schleppten
die natürlich erst mal alles mit was die hier geräubert haben. Die
haben ja auch mehrere Höfe hier ausgeräubert.
Nachbar: Die Pollacken oder die Russen?
Heribert Grewe: Die Russen. Ja, die Polen waren in Karben (?).
Nachbar: Die haben Frauen und Omas gevögelt und dann alles zusammen
geschlagen. Die waren noch schlimmer. Die Polen sollen ganz ruhig
sein.
Heribert Grewe: Nu, ich sag das immer so: Es gab Solche und Solche
...
Nachbar: Aach! Das waren noch Leute, die hier was zu Fressen gekriegt
haben von den Mägden. Die haben sich dann noch revanchiert ...
Heribert Grewe: Hier war einer bei Düllmann (?), das war ... ich weiß
es nicht ob es ein Pole oder ein Russe gewesen ist ... der war da als
Pferdeknecht. Die (Düllmanns) hatten auch so eine kleine Landwirtschaft
gehabt ... und der hat immer zu dem Berggeist gesagt ... hier oben sagt
man ja Berggeist ... da (am Kaisberg) war so ein alter Junggeselle drin,
das war ein ganz ein böser Junge ... Der hat immer gesagt: wenn die
Amerikaner kämen ... die wußten ja schon, daß die Kapitulation bald
kommen würde ... dann würde er der Bürgermeister von Vorhalle und er
würde sie alle bestrafen. Der ist hier oben in einem Bunker gewesen.
Hier überall in den Wäldern haben sich die Leute so Bunker gemacht,
wo er (der Berggeist) sich drin versteckt hat. Erich (?) weißt du
hat er (der Berggeist) zu mir gesagt: wenn ich das vorher gewußt hätt,
dann hätt ich den Deivel schon vorher umgelegt. Und dann ist er gekommen,
auf Rehmanns (?) Hof, wo die 2 Mann sich schon tot getrunken hatten.
Dann hat er (der Berggeist) da am Milchbock gestanden und hat zu den
2 Polen gesagt: sie sollten kommen, er wollte in den Hof rein (...)
weil da waren keine Männer mehr am Hof ... sonst wollte er sie alle
über die Eisenbahn holen. Und die Eisenbahn war abgesperrt. Die Amerikaner
hatten überall so MG-Türme aufgesetzt. Da hat er ihnen von hier oben
aus durch die Birne geschossen. Dann hat er drei Tage im Graben gelegen
(Weil er sich betrunken hat mit dem Methylalkohol vom Hof). Was meinst
du wieviel hier im Friedhof liegen in den Gräbern, die sich alle kaputt
gesoffen haben. Die Eisenbahner haben doch den ganzen Methylsprit
in die Wohnungen gelassen. Das roch doch alles nach Sprit. An der
Herdeckerstraße lagen ein paar ausgebrannte Straßenbahnen. da lagen
12 oder 15 Mann drin ... alle kaputt ... alles was nach Alkohol roch,
das haben die gesoffen. Das war das Schlimmste, der Flugzeugsprit.
Die Eisenbahner haben gesagt: wenn die so einen Tankwagen kaputt schossen
mit den Jabos, dann gingen die mit den Wascheimern zur Lokomotive
und haben den drunter gehalten. Das haben die alle mit nach Hause
genommen. Ooh!, das roch alles nach Alkohol. Und wo die Kapitulation
kam ... am 2. oder 3. Tag nach der Kapitulation ... binnen 3 Stunden mußte
Vorhalle geräumt sein. Raus! Alle Deutschen raus! Da waren die Ersten
aber schon drin. In jedem Haus waren mindesten 30 Personen drin, von
alten 80 jährigen Omas angefangen. Wußten doch alle nicht wohin damit.
Da waren natürlich auch böse Jungs dabei. Die haben auch geräubert.
Auf der anderen Seite haben sie auch ein paar Höfe leer gemacht. Haben
sie (die Bewohner) in den Kelller getrieben, haben sie drin gehalten
... Die Kirche war ausgebrannt. Da lagen bestimmt 1000 08(?) Pistolen
drin, das war ein Ersatzteillager von der Wehrmacht. Das war nicht
geräumt worden. Die (ehemaligen Kriegsgefangenen) waren bewaffnet
bis an die Zähne. Wir hatten zu Hause aber auch 2 (Waffen). Ja, was
wolllteste denn machen ... wir haben auf der anderen Seite gewohnt.
Nachbarin geht vorbei (freundlich): Was lügt ihr euch schon wieder
gegenseitig vor?
Nachbar: Pass bloß auf, sonst kriegst du was mit dem Knüppel!
Heribert Grewe: Wir hatten eine Kuh, und die Kuh kam nicht raus (auf
die Weide). Das Futter wurde nur geholt. Zu meinem Vater sagten die
Russen immer: Franz ... er solle ihnen das Pferd geben. Wir hatten so
ein schweres Pferd. Wir hatten so eine große Wehrmachtsmaschine, mit
so einem Beiwagen. Das sollten wir vor den Wagen spannen. Dann wollten
sie das Pferd zum Schlachten haben. Die Höfe waren ja alle leer hier.
Meine Frau hätten sie bald auch tot geschossen. Den Hof haben sie
auch ausgeräubert. Was glaubt ihr was da lief. Schlimm, schlimm, schlimm.
Der Schwiegervater ... hier vorne war die Mistkuhle tief ... der hat in
der Mistkuhle gesessen und hatte noch vom Volkssturm einen Karabiner
... der war beim Volkssturm zuletzt ... und der Berggeist da oben, der
hatte auch so `ne alte Waffe ... der hat früher mit Pferden gehandelt
... der hatte überall im Kaisberg Gasmasken und Dosen mit Patronen und
Waffen versteckt ... und gesessen hat er oben im Bunker ... da war so
ein Sprengstoff-Bunker hier oben. Wo die früher gesprengt haben im
Steinbruch. Die haben doch immer so einen Bunker gehabt, ich weiß
wo der ist ... du (zum Nachbarn) weißt nicht wo der ist. Sag ich auch
keinem wo der ist. Der (Berggeist) hat nicht lang gefackelt. Der war
auch an der Herdeckerstraße mit dabei ... er hat mit den Russen Schnapsgeschäfte
gemacht. Ist er mit mit ihnen einig geworden, dann hat er sofort ein
paar umgelegt ... Feierabend ... Mann gegen Mann. Der hatte immer so einen
Schäfermantel an. Kennen sie so eine Pellerine? Die früher die Schäfer
hatten und die Postboten, in Österreich. Da hat er immer die Spritzpistolen
drunter gehabt. Die sagten immer: die Spritzpistole.
Die Einsiedlerhöfe haben sie auch alle ausgeräubert ...Und die wolten
hier nachts in den Hof rein. Der alte Förster hatte noch so einen
Drilling, da hat er so dran gehangen ... das war sein Heiligtum. Mein
Schwiegervaters Bruder hat den Drilling rausgeholt aus dem Garten,
aus der Erde und auch die Schrotpatronen dafür. Und mein Schwiegervater
hat den Karabiner gehabt und der Erich Weist (?) hat so ein Falschschirmjäger-Sturmgewehr
gehabt, da waren 42 oder 48 Schuß Munition drin. Hast du (zum Nachbarn)
die gekannt mit dem halbkrummen Magazin? Ich habs hinterher noch gehabt.
Dann wollten die (plündernde ehemalige Kriegsgefangene aus Vorhalle)
nachts hier rein ... und die (Bewohner) haben die Haustüren mit Balken
zugemacht. Der olle Förster war da drin und sein Bruder war da drin
und die Weibsleute und von Vorhalle noch Männlein und Weiblein. Das
waren ja meistens nur alte Leute, die nicht wußten wo sie hin sollten.
Ja, und da sind die nachts gekommen und wollten hier rein. Da hinten
steht so `ne Bruchsteinmauer ... da hat dem Schwiegervater sein Bruder
den Ersten mit der Schrotflinte aus dem Kirschenbaum rausgeschossen.
Der saß da in dem Baum drin, ohne daß er das gemerkt hatte. Und da
hat er die Nerven verloren und schießt dem mit der Schrotflinte auf
den Balg. Und dann ging das aber rund. Da waren die schon mit 30,
40 Mann hier oben. Und der Erich Weist ... da war da so ein dicker Birnbaum
... der hat da hinter dem Birnbaum gestanden. Und den kannten sie, da
hatten sie Angst. Der legte die um, sofort. Der legte die sofort um.
Ja, dann sind die Amerikaner gekommen mit dem Panzerspähwagen ... als
die Schiesserei war ... und die hatten so einen großen Scheinwerfer
da drauf. Die haben mit dem Scheinwerfer alles abgeleuchtet. Dann
haben die (ehemaligen Kriegsgefangenen) erst mal in den Scheinwerfer
reingeschossen. Die Russen, die waren ja auch bewaffnet. Da war der
Scheinwerfer erst mal im Dunkeln. Dann haben die (Amerikaner) nur
noch geschossen: mit Leuchtspurmunition, um die erst mal einzuschüchtern,
daß die wieder da hinten hin kamen.
Ja, und am anderen Morgen ist die russische Militärpolizei gekommen,
die war ja auch da ... und der Schwiegervater war hier im Garten ... den
haben sie sich gleich gepackt ... und sein Bruder war da hinten auf
dem Feld, da hatten sie Rüben oder was gehabt.
Vom Bruder die Frau, hatte den Drilling mit raufgenommen, das waren
alles so kleine Hucken da oben ... da hat die den Drilling hinter den
Küchenschrank gestellt. Und wie die die Russen da quatschen hörte,
da machte die hinten das Fenster auf und schmeist den Drilling hinten
durchs Fenster durch ... und die (Russen) waren da unter dem Haus. Dann
haben sie sie mitgenommen, die russische Militärpolizei ... haben die
Bude erst mal ganz durchsucht ... Alles was sie brauchen konnten, haben
sie erst mal mitgenommen. Die Oma hatte immer gesagt: Der Schwiegervater
hatte den Karabiner immer im Haus, aber keiner wußte wo der war. Kennt
ihr den Karoffelschoß, da hat man doch früher immer die Säcke so drübergehängt,
die leeren Säcke. An der Innnenseite hat er sich so einen Haken drangemacht
und da hatte er den Karabiner. Was meinst du, wenn die (russische
Militärpolizei) den Karabiner im Haus gefunden hätte? Dann haben sie
die mitgenommen. Dann haben sie immer gesagt: Hier keine Haare, hier
keine Haare, hier Haare ... das war Erich Weiß ... der Berggeist. Den
haben sie nicht gekriegt. Der saß in einem Spregstoffbunker da oben
... vor dem Pulverbunker ... da hatte der noch 2 Kisten Eierhandgranaten
mit drin. Die hätten sich so hoch aufgetürmt da draussen (vor dem
Bunker), die wären da nicht reingekommen. So war der bewaffnet. Der
kannte alle, alle, alle Ecken. Dann haben sie den Schwiegervater und
seinen Bruder mitgenommen ... der war Eisenbahner ... Zugführer gewesen
... nach Vorhalle in das ehemalige Amtshaus. Da war früher auch mal
so ein kleines Gefängnis. Und dann mußten sie ein Loch harken. Dann
hatten sie noch 2 Industrielle von Düsseldorf geholt und eiinen höheren
von der Wehrmacht ... Ja, 5 Mann. Ja, was wollten die Frauen machen.
Die waren alle kopflos. Da konnten sie überhaupt nix machen ... Die
Russen waren in Vorhalle. Da kam auf einmal ein Russe und guckt bei
dem Gefängnis über die Mauer rüber, und da hat er zu meinem Schwiegeralten
gesagt: Fritz, was du hier? Was iss? Jaah, hat mein Schwiegervater
gesagt: das siehst du doch ... Sie wollen uns tot schießen. Der (Russe)
ist sofort nach der amerikanischen Militärpolizei gelaufen.
Da hatte der Schwiegervater in so einem Rüstungswerk mitgearbeitet.
Der Schwiegervater hatte dem (besagten Russen) immer die Hand über
den Kopf gehalten. Beim Fressen haben sie sich ja immer noch an den
ärmsten der Armen bereichert. Das war ja gang und gäbe: der hat ja
sowieso nix zu sagen, der kann ja kaputt gehen, dem kann ich das letzte
Brot auch noch wegnehmen. Da ist der Schwiegervater in Opposition
gegangen und hat gesagt: das gibts nicht. Trotzdem er Deutschnationaler
war. Er sagte: das sind Kriegsgefangene, die müssen für uns arbeiten,
das bißchen was da ist, das bleibt für die. Da hat er sich auch gegen
seine eigenen ... Dings ... (Parteigenossen, Arbeitskollegen ?) sich böses
Blut gemacht. Das war sein Glück gewesen. Da kam die amerikanische
Militärpolizei und hat sie herausgeholt. Eine halbe Stunde später
hätten sie sie schon einharken können.
Dann sind sie vors Militärgericht gekommen. Dort hieß es: wem gehört
das Jagdgewehr? Das konnten sie ja nicht sagen ... der alte Förster
war damals schon 70 Jahre alt ... das hat dem alten Förster gehört.
Da hat mein Schwiegervater gesagt: das ist meins gewesen. Da hat er
einen englischen Major als Verteidiger gehabt hier. Hier war ja die
Kommandantur. Da hat der Schwiegervater 5 Jahre Zuchthaus gekriegt.
Da war er 9 Monate in Bochum ... Zentralgefängnis Bochum ... da kam er
mit 40 Kilo (Gewicht) nachhause. Da kriegten sie mit 3 Mann jeder
eine Schnitte Brot und einen Hering am Tag zu Fressen. Und sein Bruder
hat 4 Jahre in Wengen (?) im Zuchhaus abgesessen. (...)
Wir zuhause hatten ja auch eine kleine Landwirtschaft. Jetzt war
ich die Tage bei einem anderen Bauern hier auf der anderen Seite unten
gewesen. Dem haben sie nach dem Krieg auch die Kühe gestohlen. Und
der hat mir jetzt gesagt, von Wengen wären 2 Brüder ... einer wäre Metzger
gewesen ... die hätten auch immer in den Ruhrauen nachts die Kühe gestohlen.
Und meine 2 jüngsten Schwestern haben die Kuh gehütet ... und da haben
sie unter so einer Zeltplane gesessen, es hat geregnet ... und auf einmal
war unsere schöne, liebe Kuh Frieda weg. Dann haben sie dem Alten
nix gesagt ... Wir haben zuhause immer Holz gerückt, mit dem Pferd,
nach dem Krieg. Damit die Leute was zum Brennen hatten ... Du wurdest
ja verpflichtet ... Da wurde Holz geschlagen und dann wurde das Holz
rausgefahren. Dann haben sie vor Angst dem Alten nix gesagt zuhause.
Wenn wir damals natürlich gewußt hätten ... Da oberhalb , wo jetzt die
Autobahnbrücke ist, da haben sie sie nachts rausgeholt und abgestochen.
Ich kann dir zig Bauern sagen, die sie hier alle tot geschossen haben.
Im Stall haben sie sie tot geschossen. Im Stall. Ich will gar nix
Böses sagen ... Bei uns zuhause kamen Russenfrauen hin ... da waren sogar
welche mit Kindern. Meine Mutter, wo wir da im Krieg so ein Stück
Wiese hatten, da hat sie immer so ein Stück Brot wo hingelegt ... so
war sie halt. Wir hatten ja selber auch nicht viel. Was die (nach
dem Krieg) meiner Mutter alles gebracht haben: Schwarzen Tee und Kaffee.
Die kriegten ja von den Amerikanern soviel Kaffee. Die soffen ja gar
keinen Kaffee. Also, ich würde die Menschen auch nie verdammen. Die
Politik hat die alle verdorben und kaputt gemacht ... Alle ... Genau wie
bei uns. Ich tu doch keinem Menschen was, der mir nix getan hat. Wieso
soll ich dem was Böses tun ...oder ... Und dann sind die (displaced persons)
natürlich nach und nach von Vorhalle weggekommen. Aber in Wetter war
Einer, der ist hier geblieben, der hat sich abgetan. Den, der immer
die Stiefel vulkanisiert hat in Wetter, die alten Gummistiefel ... hast
du (zu seinem Nachbarn) den nicht gekannt? Der wohnte unten an der
Badeanstalt ... in einem Keller hatte der so eine Werkstatt. Der hat
uns immer die Schuhe mit so alten Autoreifen geklebt ... Wie der das
gemacht hat weiß ich nicht. Und hier in Kabel (?) war auch einer.
Ein paar haben sich abgesetzt. Aber wenn sie (die russische Militärpolizei)
sie kriegten haben sie sie sofort ... dings ... (umgebracht).
Nachbar: Aber wir sprechen von dem letzten Krieg. Die ganzen Großgrundbesitzer,
die wurden als Generale und Majore eingesetzt. Der kleine Mann hat
für 7,50 Mark gearbeitet in der Woche ... 12 Stunden. Dann hat er noch
seinen eigenen Garten gemacht, seine Schweine noch gefüttert. Eins
wurde geschlachtet, 3 wurden verkauft, daß sie wenigstens ein bißchen
Plünnen kaufen konnten. Die haben uns, vielmehr den kleinen Mann,
nur als Schichtpofe (?66) behandelt. Die (ehemaligen Großgrundbesitzer)
leben aber alle in Amerika ...
Heribert Grewe: Im Osten wars noch schlimmer.
Nachbar: Die sind alle in Amerika, die Schweine, und wollen heute
die Güter wieder haben. Heute kommen sie und wollen in Mecklenburg
die Güter wieder haben. Haben dicke Bücher geschrieben (von der Zeit)
wie sie General waren. In Mecklenburg hab ich ja Schäfer gelernt,
da oben an der Ostsee ... Kristeern ... Major Kristeern ... der hat ein
Buch geschrieben, heute ist er in Amerika ... die Schweine ...
Heribert Grewe: Ja, ja ... Die, die sich wirklich nicht gut benommen
haben, die haben sich früh genug abgetan.
Nachbar: Die meisten.
Heribert Grewe: Ja, die meisten. Ooh ... war `ne schlimmen Zeit. In
Vorhalle waren die Russen, in Kabel (?) waren die Polen und in Förde
(?) waren die Serben. Und es ist alles wieder aufgebaut worden ... ist
alles wieder aufgebaut worden. ...
... und nix zu Fressen. Wenn ich da an zuhause denke. Hinterher hatten
wir ja nur noch eine Kuh ... früher hatten wir ja 2 Kühe. Wir haben
auch keine Kuh wieder gekriegt, wo sie eine weggenommen hatten. Wir
waren mit 7 Kindern zuhause. Ackerland hatten wir nicht. Wie früher,
ich weiß nicht, wie ihr das so nennt ... Kötten sagten sie früher
... ein Kötterhof, genau wie dies hier auch. Du hattest 1 oder 2 Kühe
gehabt. Die meisten waren Maurer oder Bauhandwerker oder haben im
Wald gearbeitet oder im Forst oder irgendwie so was ... So war das
ja Früher alles. Das war eine harte Zeit nach dem Krieg. Ja, auf dem
Friedhof liegen viele Russen. Die haben die da alle einfach beerdigt
... Ich weiß einen, da steht ein Denkmal mit so einem roten Stern
drauf. Der hat sich mit einer geladenen Pisole selbst in den Bauch
geschossen. Der hat eine geladene Pistole in der Tasche gehabt. Das
weiß ich noch ... Da war ich 13, 14 Jahre alt. Normal gesehen: uns
haben sie nichts getan, im Gegenteil, wir haben auch manchmal unser
Gutes gehabt. Was die haben wollten: Cibolie (?), das weiß ich noch
... Zwiebeln, Kapusta (?) Kaabs (?) rohes Gemüse, grüne Äpfel.
Ich sag: ihr kriegt keine Äpfel: meine Mutter hat gesagt, die
Äpfel sind noch grün. (Da sagten die) dann sägen wir die
Bäume halt ab. Da sagte meine Mutter: Jesus, Maria und Joseph,
nehmt alle Äpfel herunter, aber tut nicht die Bäume absägen.
Die Schlimmsten waren die, die im Aussenbereich (Zwangsarbeiter bei
Bauern) waren. Viele Bauern, viele große Bauern hier sind auch schofel
gewesen ... haben sich auch früh genug abgetan. Das war `ne wilde
Zeit hier. Hier ist ja die Eingangspforte zum Sauerland. Das war noch
so ziemlich das letzte Industriestück ... nach da raus.
Ja, zum Beispiel hier auf der Kläranlage, da war ein Klärmeister,
das war ein ... Ooh ... Die hatten ja im Krieg alle Kriegsgefangene gehabt
... Der ist mittlerweile vor ein paar Jahren gestorben. Mein Vater hatte
früher Schafsböcke gehabt, der war im Schafzuchtverein. Also Schafe
hatte jeder. Schafe oder Ziege hatte der ärmste Mann. Die haben die
Familie am Leben gehalten. Deshalb kannte ich den (Klärmeister). Jaah,
was meinst du, wenn die die alle nach dem Krieg gekriegt hätten. Aber
da haben Unschuldige dafür ins Gras gebissen ... viele Unschuldige haben
dafür ins Gras gebissen. Ich weiß zum Beispiel von Einem oben auf
dem Berg, auf der anderen Seite ... wenn wir da früher mit dem Vater
als Kinder spazieren gingen ... die hatten so 5,6 Kühe und eine Gaststätte,
und die hatte so ein dickes Pferd, wie wir, so eine Kaltblutstute
... Fanny hieß die ... und unsere war Ella ... Wir haben immer zusammen
gepflügt. Mit 2 Pferden ging das besser wie mit einem. Wir taten uns
gegenseitig immer helfen. Dann haben sie dem die letzte Kuh aus dem
Stall geholt. Da hat er nur gesagt: Lasst mir doch die letzte Kuh
... Da schießt ihm der in dem Kopp rein ... dem Alten. Und ein tot guter
Kerl!!! Der hat keiner Fliege was zu Leide getan. Nie auch nur irgendwas
gegen einen Krieggefangenen gemacht. Kommt da einer her mit `ner Pistole,
schießt ihm in dem Kopp rein ... Feierabend. Da haben die nicht viel
gefragt ... ein Menschenleben war da nix wert. Auf der anderen Seite,
ich hab da so einen ollen Klempner ... bei seinem Sohn hat der lange
Zeit gearbeitet ... ollen Tilmann, der hatte immer so Wickelgamaschen
um die Beine gehabt ... da oben im Berg, da hatte der so ein kleines
Sommerhäuschen, den haben sie nie wiedergefunden. Den haben sie wahrscheinlich
da in dem Sommerhäuschen überfallen und ausgeräubert und dann eingeharkt.
Den haben sie nie wieder gefunden. Und mit den Kiegsgefangenen, die
zu Tode gekommen sind bei den Angriffen, da haben sie nicht viel Federlesens
gemacht. Die sind alle in die Bombentrichter gekommen. Ich weiß, da
unten haben sie mal die Fundamente von einer Brücke freigelegt. Da
haben sie die Skelette auch alle rausgeschmisssen. Das sind ja auch
Menschen gewesen.
Und wenn die Sauhunde runter kamen, die Jabos, die waren schlimm,
die schossen auf Alles, die fackelten nicht lange. Deshalb war auch
die Wut von vielen Zivilisten so groß. Wenn sie da einen abschossen,
haben sie den meist tot geschlagen. Tortzdem der Mann vielleicht gar
kein böser Mensch gewesen ist, und sich gar nix zu Schulden kommen
lassen hatte. Das war die Bosheit von den Menschen. In 5, 6000 Metern
Höhe schmissen die schon das Silberpapier ab, daß die Horchgeräte
die nicht orten konnten. Es rieselte nur so Silberstreifen. Hier war
ne große Horchstellung, dann auf der Autobahn da oben, da standen
4 Batterien 12,5 und 8,5 Langrohr. Die schossen bis 10000 Meter hoch.
Bevor die Jabos runterkamen, taten die ja erst die Stellungen beaasen.
Junge wenn die anfingen. Oben auf dem Nestenberg (?) oben, oben aufm
Kopf, da standen auch noch mal 4 Batterien ... 12 Geschütze. Die haben
sie aber mit einem Bombenteppich alle platt gemacht. Alle! Die ganzen
Munitionsbunker in die Luft gepfeffert. Kann ich ihnen heute noch
zeigen wo die Bunker und die Geschütze alle gestanden haben. Das haben
die einmal geortet und dann haben die das überflogen, das haben die
fotografiert. Bei einem Tagangriff schmissen die auf so ein Quadratstück
30,40 Bomben und dann war alles platt. Im Krieg war das alles gesperrt.
Wir als Kinder waren ja immer neugierig. Da kamst du nicht hin. Das
war alles gesperrt. Wenn du jetzt alte Bücher darüber ließt, dann
schreiben die da, daß die Flaksoldaten in den Stellungen da drin alle
restlos zu Tode gekommen sind. Im Krieg wurde da nichts darüber gesagt,
weil wenn irgendeiner war gesagt hatte, dann konnte schon was passieren
mit dir. Die ersten Stellungen waren da nach der Hohensyburg da hinten.
Da weiß ich zufällig: da schossen sie mal einen runter, der ist in
den großen See reingeknallt, links ... wie war das noch ... ja, das waren
alles Hitlerjungen, das waren alles 15, 16jährige, die da an den Geschützen
waren. Mein Bruder war ja in Dortmund am Flughafen mit 15 oder 16
Jahren. Der ist mit 16 Jahren nach Reemagen ins Gefangenenlager gekommen.
Hier der Neffe von meiner Frau, der war mit 16 Jahren ein stabiler
Kerl, der hat 5 Jahre in Frankreich in einer Kohlengrube nach Kohlen
geharkt. Der ist von Reemagen nach Frankreich gekommen. Und mein Bruder
ist hier zur Strafe in Gefangenschaft gekommen.
Einer (Flieger) ist aus dem Ding damals noch lebend rausgekommen ...
Ich hab damals auch abgeschossene Flieger gefunden, die hatten alle
Zivil drunter an, die hatten Lederkombis an ... die hatten Waffen
dran. Ich hab auch mal einem Toten eine Waffe weggenommen. Eine feine
Pistole hatte der. Im Baum drin, im Falschschirm hing der noch drin.
Karten hatten die, und alle Währungen an Geld hatten die bei sich.
Und der (Flieger, der in den See stürzte) ist damals noch lebend rausgekommen,
ist in die Nähe von dem großen Güterbahnhof, in einen Güterwagen,
hatte sich irgendwie in den Zug abgesetzt. Auf der anderen Seite haben
sie ihn dann gepackt. Wie, weiß ich nicht. Den haben sie 2 Tage vor
der Kapitulation in Hagen hier noch erschossen. Sag ... Wer so was
macht ... der konnt dat Ding ... und so ein junger Kerl ... jeder
wollte doch sein Leben retten. Hätten die doch gesagt: hau ab und
lauf in den Wald und versteck dich hinter dem Baum oder irgendwo ...
Den haben sie 2 Tage vor der Kapitulation noch erschossen. Die Schlimmsten
waren ja die von Dortmund, die Gestapo. Ohh, die haben gehaust. Unter
den Kriegsgefangenen hatten die ja auch welche drunter, die für die
Deutschen gearbeitet haben, die die ausgehorcht haben. Und die haben
nicht viel Federlesens gemacht. Die haben gesagt: Tote sprechen nicht
mehr. Der kann uns auch nicht mehr weglaufen. Ich war neulich auf
dem Friedhof auf Hohensyburg oben ... ein bekannter Bauer war gestorben,
und ich war das erste mal da. Da waren überall Kreuze ... alles Unbekannte.
Wen es getroffen hat, den hat es hart getroffen. Deshalb: ich verdammme
auch die Menschen nicht so und sag die Polen sind so ... Es waren
gute Menschen und es waren auch böse Menschen mit dabei. Davon waren
bei uns auch welche ... Bei uns waren auch Sadisten und lebendige
Teufel mit dabei. Deshalb kann man die Menschen doch nicht verdammen.
Man kann das ja (im Fernsehen) sehen. Morgen abend kommt wieder so
ein Kriegsfilm. Neulich hab ich gesehen: 1941/42 hat der Stalin 80.000
liquidieren lassen. Das muß man sich mal vorstellen. Wer (aus deutscher
Kriegsgefangenschaft) zurückkam, den schossen sie einfach über den
Haufen ... Feierabend. Da (in dem Fernsehfilm) sprach so einer, ein
politischer Kommisar war das. Das war ein Befehl, um die Truppe bei
der Stange zu halten und zu zwingen nicht zurück zu kommen ... wenn
du zurückkamst war das dein sicherer Tod ... nach Vorne war dein sicherer
Tod und auch nach Hinten. Letztes oder vorletztes Mal (in einem Dokumentarfilm
über den II Weltkrieg) war so ein Ding. Mit 15 Jahren hat einer auf
der Schule seinem Lehrer freche Antworten gegeben. Fünf Jahre Arbeitslager
oder bei der Truppe (bekam er als Strafe). Er hats überstanden ...
mit 15 Jahren! Wer bei der Arbeit nur 20 Minuten zu spät kam, hat
er gesagt, der hatte schon 3 Jahre Arbeitslager sicher. Das muß man
sich ...
Die schmissen auch immer Flugblätter runter (aus den Flugzeugen).
Die durfte man doch nicht besitzen. Wir sind doch überall rumgelaufen:
im Feld, im Wald, überall haben wir Flugblätter gefunden. Zu Hause
haben wir dann gesagt: guck mal Papa, was ist das da? Guck mal da!
Solche Bilder. Was sind das viele Soldaten, die alle in Gefangenschaft
gekommen sind ... wo das in Stalingrad zurückging. Dann hat der Alte
gesagt: man muß die alle verbrennen. Der Alte hat sie wahrscheinlich
nie verbrannt, der hat sie versteckt. Aber Gnade dir, wenn sie so
etwas bei dir gefunden haben. Für ein Flugblatt ist mancher ins KZ
gegangen. Da machten die kein Federlesen. Ich weiß ja, zu Hause beim
Angriff schmissen die ja immer so Falschirme ab, mit so großen Raketen
dran. Und in dem Bereich ladeten die Bomber aus. Da wollten die in
Hagen immer so ein Rüstungswerk treffen. Hier an der Schwiedach (?)
da waren auch ein paar hundert Kriegsgefangene, da haben sie auch
die Baracken getroffen. Die kamen ja nicht raus. Die sind alle kaputt
gegangen. ... Und dann klinkten die zu spät aus ... dadurch ist der Wald
auf der anderen Seite nur Splitterholz. Die andere Seite von Hagen,
nach der Seite rüber. Einen haben sie noch runtergeschossen, der hat
dann an der Autobahn noch abgeladen. Da hatten sie einen Motor getroffen.
Bei uns zu Hause, wir hatten auch so ein Stück Ackerland vor dem Haus,
da war die alte Straße, da war ein Bombentrichter, der war mindestens
15 Meter tief. Da ist eine 50 Zentner Bombe reingeknallt. Was meinst
du, wenn die in so ein Rüstungswerk gefallen wäre. Und dieses Rüstungswerk
wurde jeden Abend eingenebelt. Entweder haben sie zu früh abgeschmissen,
dann haben sie den Güterbahnhof getroffen. Das Werk war an der Bergseite,
da gab es Wasser, und Wasser gibt ja Nebel.