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projekt: Landschaftsbauhütte / Die Camper

Die Camper / die eigentlichen Landschaftspfleger

Die Camper schienen keinen großen Wert darauf zu legen mit mir zu sprechen. Der erste Kontakt fand an einem Sonntagnachmittag statt, der Platz war leer und auf dem flachen, in diesem Jahr besonders durch Algenblüte heimgesuchten See, sollte eine Regatta stattfinden. Auf dem See, der ein Teil der aufgestauten Ruhr ist und in einem Tal liegt, umgeben von bewaldeten Höhenzügen, war mal wieder Flaute. Die meisten Camper befanden sich schon wieder auf dem Heimweg. Sehr weit hatten sie es nicht, da sie aus den umliegenden Städten kamen, wie mir ihre Autokennzeichen verrieten. Ich ging etwas hilflos umher und fühlte mich beobachtet, grüßte freundlich die Passanten auf dem großen Schotterweg. Von diesem Weg gingen immer wieder Stichwege ab, die zu den gepflegten Gärten vor den zu Bungalows mutierten Wohnwägen führten. Jeder, der jemals auf einem Dauercampingplatz war, kennt das: gemähter Rasen, Jägerzaun, der Springbrunnen aus gepresstem Kalkstein und vereinzelte Keramikfliegenpilze, um die sich Gartenzwerge gruppieren. Ich fragte mich, was machen die da eigentlich den ganzen Sommer?

Eine Gruppe von Campern, die ich ansprach, verwies mich auf das kleine Büro, was aber jetzt geschlossen sei und auf das nächstes Wochenende, an dem ein Fest stattfinden würde - am besten sollte ich es am nächsten Samstag versuchen.

Auch das kommende Wochenende war den Campern gewidmet. Am Samstagmorgen ging ich zum kleinen Büro des Platzes und stellte mein Anliegen vor. Ich würde gerne mit jemanden sprechen, der mir Auskunft über den Platz und den Verein geben kann. Denn soviel hatte ich über die Anschläge erfahren, es handelte sich hier nicht um einen gewöhnlichen Campingplatz, sondern um einen Verein. Der ältere Herr im Büro begegnete mir mit Misstrauen und fragte natürlich, was ich wolle und woher ich käme. Ich erzählte ihm von einem Gutachten im Zusammenhang mit dem Karl-Ernst-Osthausmuseum, um Eindruck zu schinden und seriös zu wirken, was natürlich absurd für den Herrn klingen musste, da ich mit dem Fahrrad gekommen war. So wurde der Mann nur noch misstrauischer und mürrischer. Er schickte mich schließlich zum Tänzer: "Der hat seinen Wagen da hinten." Ich machte mich auf den Weg und fand den Tänzer natürlich nicht. Zwar stand ich nach längerem Durchfragen endlich vor seinem Vorgarten mit den schönen Fuchsientöpfen, die ich so sehr mag, aber niemand war zu Hause.Einfach auf das fremde Grundstück zu gehen habe ich mich nicht getraut und so stand ich vor dem Jägerzaun. Eine Klingel war nicht zu finden. Nach längerem Rufen meldeten sich die Nachbarn: "Ja, der Tänzer ist vorne." Das Spiel geht weiter, dachte ich und so lernte ich langsam alle auf dem Platz kennen. Vorne zurück traf ich eine Gruppe Camper, die unter einer Pergola vor einer Gaststätte sitzen; Besser sollte ich vielleicht Vereinsheim sagen. Natürlich wusste keiner wo der Tänzer sei. Als ich erneut mein Anliegen vorbrachte und nach jemand suchte, der mir Auskunft über den Verein geben könnte, erntete ich erneut mürrische Ratlosigkeit. Es wurde mir langsam zu blöd und ich teilte der Tischrunde mit: "Wenn keiner mit mir reden will, gehe ich wieder." Ein Raunen ging durch die Gruppe und: "Nein, nein, so sei das nicht gemeint." Ein voluminöser Mitfünfziger erhob sich und schob mich mit seinem nackten, nicht unbeträchtlichen Bauch etwas zur Seite. In einer Hand hielt er eine Tulpe, eines jener Biergläser für Pils, dessen Inhalt wohl von der gerade aufgebauten mobilen Zapfanlage stammte. Ich befand mich offentsichtlich in einer Art von Anstichsgesellschaft. Was ich denn wolle, er gebe mir jetzt Auskunft. Nach dem gewöhnlichen Vorgeplänkel - der Verein besteht seit '71 und hat 150 Mitglieder - gingen wir zur Vereinsgeschichte über. Er winkte seine Tochter und bestellte das nächste Bier, allerdings nur für sich. Ich dachte: "Sehr weit sind wir mit der Vertrauensbildung noch nicht gekommen."

Es gab vor der Gründung des Vereins einen Prozess mit der Stadt Hagen gegen die Bauern, die an die Campern auf den umliegenden Wiesen Stellplätze vermieteten. Die Bauern verloren den Prozess gegen die Stadt und Hagen bot ihrerseits den Camper Verhandlungen an unter der Bedingung, dass Vereine gegründet werden. So entstanden über 5 Vereine, die sich wie auf einer Perlenschnur aufgereiht am Ufer der aufgestauten Ruhr befinden.

Die blonde, vielleicht 18 jährige Tochter brachte dem Vater das nächste Bier und der mürrische ältere Herr aus dem Büro gesellte sich, gestützt auf seinen Stock, auch noch zu uns. Langsam begannen die zwei aufzutauen. Es brach geradezu aus ihnen heraus: " Denn überhaupt, sie seien hier ja eigentlich diejenigen, welche sich um die Gegend kümmern. Ohne sie wäre der Wald voll mit Müll. Die Stadt macht hier gar nichts und lässt die Strassen verkommen. Wenn sie nicht jedes Jahr in einer Gemeinschaftsaktion die Zufahrtswege für mehrere tausend Mark auf eigene Kosten reparieren würden, hätte sich längst schon jemand den Hals gebrochen. Und dann geht die Stadt Hagen hin und zeichnet die von ihnen unterhaltenen Straßen als offizielle Fahrradwege aus. Auch würden sie sehr darauf achten, daß keiner zu schnell hier fährt, denn es gibt eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 Kilometern - was ja auch sinnvoll ist. Denn wenn die Türken aus Brockhausen abends spazieren gehen, sollen sie nicht eingestaubt werden."

Dieses Phänomen hatte ich selbst beobachten können. Meist sind es mit Kopftüchern verschleierte, im Alter undefinierbare Frauen, die ihre Kinderwägen vor sich herschieben. Dabei, so stellte ich mir vor, können sie von anderen männlichen Familienmitgliedern aus den erhöht liegenden Plattenbauten von Brockhausen beobachtet werden, die dann intervenieren könnten, wenn ihnen etwas zustößt. Beim Sonntagsausflug, vorbei am neu sanierten Schloss Werdringen, ist dann die ganze Familie zusammen. Im Schloss selbst hatte ich aber nie neugierige ausländische Familien zu Besuch gesehen. Der Hof des für zwanzig Millionen Mark hergerichteten Wasserschlösschens wird dafür Sonntags von Rittern genutzt, die ihre ritterlichen Traditionen und Übungen dort ausführen. Die Ritterschaft ist jung und jedes Mitglied aus Hagen und Umgebung lebt in der Rolle einer möglichen, authentischen, historischen Person. Verwaltet wird das Anwesen von einem Schlossverein, der dort Ambientehochzeiten, Kunstausstellungen und Konzerte ausrichtet. Um das Schlossbiotop führt ein gelehriger Naturlehrpfad von einem Naturschutzverein gestaltet. Aber zurück auf die Strasse, die zu den Campern führt, und auf der nur 30 gefahren wird. Denn, wie mir meine Gesprächspartner berichteten, war früher das für sie nutzbare Strassennetz am Kaisberg grösser. Vor 10 Jahren wurde eine Schranke auf die Zufahrt von Herdecke gebaut. Sie schienen das als Schikane zu empfinden.

Es wurde neues Bier geordert, denn die Augustsonne brannte immer heißer. Ich war endlich in die Runde mitaufgenommen und wurde gefragt, was ich gerne trinken würde. Man brachte mir auf meinen Wunsch eine Cola, - vielleicht wäre ein Bier doch angebrachter gewesen. Unterdessen begann mein oberkörperfreie Gesprächspartner eine Diskussion mit einem vorbeikommenden Camper darüber, daß er viel zu schnell gefahren sei. Der ältere Herr mit Stock setzte wieder an mir vom Müll im Wald zu erzählen, den die aus Brockhausen, oder von wo auch immer, dort abladen würden und versicherte mir, dass sie die eigentlichen Landschaftspfleger wären. Sichtlich durch das Bier in Fahrt gekommen, begann sich das Gespräch mit dem älteren Herr über einer nicht endenden Mülldiskussion im Kreis zu drehen. Mein zweiter Gesprächspartner tauchte wieder auf und sprach davon, dass sie eigentlich gerne einen eigenen Wasseranschluss hätten, was aber vom Ruhrverband verhindert werden würde. Denn eine eigene Wasserleitung entlang des Klärwerks erlaubt der Ruhrverband, dem die umliegenden Wiesen gehören nicht. Eine zweite Variante entlang der Strasse am Waldrand, jene mit der Schranke, wird von den Grünen verhindert, da das Verlegen der Rohre die Baumwurzeln verletzen könnte.

Stolz verkündeten mir die beiden, dass sie der einzige Verein mit eigenem Trinkwasser wären. Ich war erstaunt und wurde darauf hingewiesen, dass ich gerade auf einem ihrer Tiefbrunnen stände. Die Qualität des Wassers werde von einem Institut ständig überprüft. Wir gingen zur Besichtigung der Wasseraufbereitungsanlage über, dazu musste ich über einige Camper steigen, die gerade um einen Tisch saßen, hinter dem sich die Anlage verbarg. Die vor einer Stunde so reservierte Tischgesellschaft freute sich über soviel Interesse und Anteilnahme.

In die Edelstahltanks, die ich zu Gesicht bekam, wird das Trinkwasser gepumpt. Mittels Pressluft wird dann der nötige Druck für die platzeigene Wasserversorgung aufgebaut. Ich war von soviel Selbstversorgung beeindruckt. Den gutgemeinten Kommentar des älteren Herrn über die Frauen, welche die Stoptaste der WC- Spülung nicht drücken und soviel Wasser verbrauchen, um die Perlen an ihrem Geschlecht abzuwaschen, überhörte ich höflich. Wie gerufen kam da der Rutengänger vorbei. Er ist in seinem bürgerlichem Leben Beamter und in seiner Freizeit Camper und eben Rutengänger. Der sympathische Mann hatte geholfen die verschiedenen Wasseradern aufzuspüren, die in bis zu 30 Metern Tiefe liegen und von den Campern angebohrt wurden, natürlich auf eigene Kosten. Nach längerem Zureden ging er seine Karbonruten aus dem Wohnwagen holen. Abgeschaut hatte er seine Fähigkeit bei einem anderen Rutengänger, der aber Weidenruten verwendete, bei ihm jedoch funktionieren die Stäbe aus Karbonfasern besser.

Zurückgekehrt folgte die Probe aufs Exempel. Die umständlich verdrehten dünnen Stäbe schlugen bei ihm erwartungsgemäß über dem Brunnen aus, eigentich begannen sie zu zittern und zuckten dann wie wild umher. Jetzt war ich an der Reihe. Eher skeptisch wurde ich in die umständliche Drehung und Handhabung der Stäbe eingewiesen, die somit unter Spannung gesetzt wurden. In meiner neu erlernten Körperhaltung näherte ich mich der Bohrung und auch bei mir kam etwas in Bewegung, bogen sich die Stäbe ohne mein Zutun. Es funktionierte, wenn auch nicht ganz so stark wie bei meinem Meister. Eine große Karriere tat sich mir vor meinem geistigen Auge auf, ich sah mich schon bei Vorträgen auf esotherischen Messeveranstaltungen. Bedauerlicherweise muss ich aber zugeben bisher noch nichts aus dieser Begabung gemacht zu haben. Mittels eines Metermaßes lassen sich vom Punkt des Ausschlages und seiner Intensität Rückschlüsse auf Tiefe und Stärke der Wasserader ziehen. Es schloss sich dieser Demonstration eine längere Diskussion über von Wasseradern verursachten Krebserkrankungen und der richtigen Ausrichtung von Betten an. Gestärkt durch die nächsten zwei Tulpen, die meinen beiden Gegenüber von der hübschen, blonden Tochter überreicht wurden, kamen wir auf mehr Unappetitliches zu sprechen - die Entsorgung der Fäkalien. Leider ist die Kläranlage, welche die natürliche Grenze zu ihrem Platz bildet und neben der sie Zaun an Zaun leben, nicht bereit, praktische Nachbarschaftshilfe zu leisten. "Ja das stinkt dann auch mal beträchtlich bei Ostwind." Und was auch noch stinkt ist der Abwasserkanal, der von Vollmarstein zum Klärwerk vor einigen Jahren an der Grenze zu den Campingplätzen gegraben wurde. Zwar war der Kanal nicht zu sehen, da er überdeckelt unter der Erde lag, aber von dem Geruch, der aus seinen gebogenen Entlüftungsrohren entwich, konnte ich mich selbst überzeugen. Das Ganze soll besonders stinken, wenn nicht genug Wasser durch den Kanal fließt, was immer wieder vorkommt.

Ich begann langsam Mitleid mit den Campern zu bekommen. Das Thema war gefunden, denn bis vor 18 Jahren hatte die Kläranlage ihre Destillate in Tanklastwagen abgefüllt, die sich dann ihrer Last im Akkord, mittels eines "Schnorchels", von dem Waldweg aus entledigt hatten. Das war praktisch, da das Gelände an dieser Stelle zu den Campern hin abfällt und sich so der Klärschlamm gut verteilte. Der Klärschlamm tauchte dann bei starkem Regen unten am Platz wieder auf und zwar in Form von kleinen temporären Brunnen, aus denen die graue Brühe hervor blubberte. Wir kamen somit zu den unerfreulichen Folgen dieses Tuns zu sprechen, dem cadmiumverseuchten Boden auf dem Kaisberg. Diese Altlasten müssen in den nächsten Jahren saniert werden. Das Verfahren sieht vor, die Wiesen zu verpacken damit nicht noch mehr Schwermetalle in den Boden sickern. Man darf sich das so vorstellen, daß die besonders belasteten Flächen mit Folie abgedeckt werden auf die dann weniger verseuchter Boden von anderen Stellen aufgeschüttet wird. Das Ganze wir wieder mit Folie abgedeckt und auf das kontaminierte Päckchen kommt dann gesunder Mutterboden. Meine Frage ob sich das nicht doch auf die hauseigene Wasserqualität auswirke wurde verneint, man habe ja die Wassergutachten. Ganz im Gegensatz zu solchen Praktiken entsorgen die Camper vorbildlich. Alle 14 Tage werden die Abwassergruben ausgepumpt. Die Stadt Hagen verlangt dafür eine Pauschale pro Kubikmeter, vergibt aber diese Entsorgungsaufträge an den privaten Kleinunternehmer mit den günstigsten Angeboten. Ein echter Wettbewerb komme so nach Meinung meiner Gesprächspartner nicht zustande, sie fühlten sich von der Stadt etwas über den Tisch gezogen. Die jährlich für den Platz anfallenden Kosten für die gesamte Entsorgung beträgt 18 000 Mark. Das Gespräch begann sich wieder in die landschaftspflegerischen Aspekte der Camper zu verlieren und daß: "Wir es sind die hier den ganzen Müll wegräumen und die Strassen sanieren."

Ja, der Kontakt zu den anderen benachbarten Vereinen sei gut, die kommen heute abend auch alle zum Fest und vielleicht, wenn ich Lust hätte ... Ich freute mich aufrichtig über die Einladung und verabschiedete mich. Die Beiden begleiteten mich gemeinsam noch zum Ausgang und der Ältere der immer noch etwas misstrauisch war, warnte mich: "Wenn ich nicht schreiben würde was sie gesagt haben, dann..." Am Ausgang angelangt, betrat ich nochmals das Büro, wo ich einen Stempelabdruck des Caravan und Wassersport Verein Harkortsee e.V. auf einen Zettel überreicht bekam, damit ich den Namen ja richtig schreibe. Leider habe ich diesen Zettel verloren und hoffe der Name stimmt auch so.

Florian Haas

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