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projekt: demoskopia / Der Mythenforscher

Sergius Golowin

Biographische Hintergründe
Geb. 1930 in Prag.
Herkunft: Väterlicherseits von der russischen Familie Golowin-Chowrin, die über die Jahrhunderte viele Politiker, Künstler und Gelehrte hervorbrachte, mütterlicherseits von der Schweizer Familie von Haller. Ein Zweig von Golowins Vorfahren in St. Petersburg hatte Rasputin öfters als Gast zum Tee, schweizerische Vorfahren hatten die Freude, den jungen Hegel als Hauslehrer bei sich zu haben. Nach vieljähriger Tätigkeit als Bibliothekar in Burg vertrat Golowin zehn Jahre lang im Berner Parlament als Abgeordneter eine der ersten "vorgrünen" Parteien. Hier setzte er sich für die Rechte von Fahrenden ein, u. a. auch dafür, dass Kinder, die als Säuglinge von Regierungsstellen ihren Eltern weggenommen und anonym an sesshafte Familien weitergegeben worden waren, ihre Eltern wiederfinden konnten. Lange Jahre sammelte Golowin Märchen, Sagen, Überlieferungen und Brauchtümer seiner Schweizer Heimat. Es gibt von ihm viele Publikationen zu Themen der Volkskunde, des Alten Wissens, der Volks- und Ethnobotanik, sowie zu Mythen, Symbolen und zu Traumdeute- und Wahrsagepraktiken. Golowin hat auch eine Studie über Dänikens Thesen über den Besuch der Erde durch außerirdische Raumfahrer veröffentlicht ("Götter der Atomzeit").

Eine Auswahl: 1962 Paracelsus im Märchenland
1963 Mären um den lieben Gott
1966 Der ewige Zigeuner im Abendland
1968 Magische Gegenwart
1973 Magie der verbotenen Märchen Von Hexenkräutern und Feendrogen
1975 Die Welt des Tarot
1977 Hexen, Hippies, Rosenkreuzer
1979 Götter der Atom-Zeit. Moderne Sagenbildung um Raumschiffe und Sternenmenschen
1981 Das Reich des Schamananen: Der eurasische Weg der Weisheit
1981 Hausbuch der Schweizer Sagen
1981 Magier Merlin
1982 Die Weisen Frauen: Die Hexen und ihr Heilwissen
1984 Das Traumdeutungsbuch des Fahrenden Volkes
1986 Edelsteine - Kristallpforten der Seele 1989 Göttin Katze. Das magische Tier an unserer Seite
1993 Gemeinsam im Garten Eden Mystik und Magie unserer Haustiere
1994 Drache, Einhorn, Oster-Hase
1998 Die grossen Mythen der Menschheit
1999 Von jenischen Kesslern und Korbern
2001 Sagenland Schweiz

Golowin lebt und arbeitet mit seiner Familie im Aaretal/Schweiz.

Zukunft erleben
Zukunft erlebt man ganz sicher, wenn man das Glück hat, manchmal mit Menschen am Tisch zu sitzen, die Fantasie haben und nicht nur an das Wirtschaftliche denken.

Nur wenn wir mit Menschen zusammensitzen, ist Zukunft vorstellbar Das ist die einzige Möglichkeit, die wir haben. Sonst kann man sich natürlich hinsetzen und irgendwelche Erfahrungen von Wahrsagern, von technologischen Utopisten zusammenstellen, aber das stimmt ja sowieso nie. Außer es gibt so Genies, wie der Jules Verne, der sich offenbar alles vorstellen konnte — ähnlich wie der Leonardo da Vinci.

Wichtige Themen der Zukunft
Das sind in Grunde genommen fast alles Dinge, die man im 19./20. Jahrhundert, das haben wir ja mehr oder weniger erlebt oder die alten Leute, die sich damit herumschlugen, das sind im Grunde alles Dinge, die man unter dem Vorwand des Fortschritts abschaffte. Mit denen müssen wir uns beschäftigen. Als Kind las ich in Büchern oder der Lehrer erzählte, wie die Bauern entsetzt waren, als die ersten Eisenbahnen fuhren, und sagten, das werde Katastrophen erzeugen und den Weltuntergang und der Rauch werde die Wiesen ersticken. Aber wenn man heute all' diese Angstpsychosen der Menschen gegenüber neuen Erfindungen liest, muss man sagen: Einiges scheint gar nicht so unsinnig, sondern ein Instinkt gewesen zu sein. Oder: elektrisches Licht, sagte man, werde mit der Zeit die Luft vergiften. Das stimmt ja offenbar heute, denn es gibt ja ernste Wissenschaftler, die noch ganz anderes Zeug dazu sagen.

Zukunft verschmilzt sich mit der Vergangenheit
Im Grunde genommen verschmilzt sich Zukunft seltsam mit der Vergangenheit, indem es nicht einfach eine Linie ist, die nur vorwärts geht, sondern offenbar kann sich diese Linie beugen und wieder zurückfließen. Z. B. die Zerstörung der einheimischen Tierwelt und Pflanzenwelt. Das sind ja Dinge, da erkennen wir das Große der vielen heutigen Forschungen, auch wenn sie nicht unbedingt veröffentlicht werden, dass wenn wir ein Tier ausrotten, das ist ja nicht nur das Tier, das verschwindet, es verschwinden gewisse Zusammenhänge, gewisse symbiotische Zusammenhänge, ohne die es gar nicht geht. Oder die berühmte Prophezeiung des Urchristentums, wo man Christus immer wieder fragt, wann geht die Welt unter und er sagt den Männern und Frauen, wenn sie sich einander annähern oder einander immer mehr ähneln. Das ist ja drin in der heutigen Problematik. Man kann den Satz wahrscheinlich ganz verschieden verstehen, aber irgendeine Spannung muss ja sein. Theoretisch wäre es sicher für die Natur kein Problem, ein Wesen zu schaffen, das sich selber reproduziert. Aber Mann und Frau existieren wahrscheinlich, damit es immer Spannung gibt und aus dem entstehen ja alle Kulturen. Es sind verschiedene Verhalten, wobei man jedes Verhalten positiv sagen kann und negativ. Ich habe auch schon ein Buch gesehen von irgendeinem Amerikaner - ich weiß es nicht mehr genau, ich habe es nicht gelesen, weil's mir verrückt schien - aber da wird behauptet, die Haremskultur sei die einzige Kultur der Frauen gewesen. Die Frauen saßen da zusammen und machten Kultur und liebten sich. Ich meine, der Mann spielte keine so große Rolle, wie man meint. Es gibt ja alles, es gibt ja jede Ansicht. Und alles, was man als Fortschritt bezeichnet, bezeichnet ja irgendeine Gruppe als Rückschritt. Oder z. B. wenn man alle die sadistischen Bücher liest, die aber als Grundlagen der Kultur ansieht, wie man Kinder geprügelt und bestraft hat, heute macht man's nicht, aber es gibt Zustände, die sind fast noch schlimmer. Man kann sich endlos in der Kulturgeschichte suhlen und man kann doch nicht viel Neues sagen.

Hat die Vorhersage der Zukunft einen Sinn?
Leute werden z. B. Nostradamus nennen, von dem es tatsächlich ein paar gute Ideen gibt. Aber die guten Ideen, die hat er ja z. T. geschrieben, indem er sich an seinen Bruder, einen der größten provencalischen Hobbyhistoriker gewandt hat, er hat sich da Dinge aus den alten Mittelmeerkulturen als Futurgeschichten zusammengestellt und er hat die Vergangenheit in die Zukunft projiziert, was man schon in der Antike auch sehr viel gemacht hat. Er hat z. B. zu den Barbareninvasionen aus dem Osten in der Völkerwanderung natürlich neue genommen, weil er wusste, welche Mongolen oder Tataren wiederkommen. Um das zu zeigen, hat er Völkern in der Zukunft oder in seiner Gegenwart nicht den eigentlichen Namen gegeben, den sie hatten, sondern er hat ihnen historische Namen gegeben. Alani für die Russen oder Panonier für die Ungarn usw. Also ist das eine sehr antike, mittelalterliche Renaissance-Spielerei. Die Geschichten - so sagen sie - wiederholen sich, es kann gar nicht so viele Geschichten geben, wie wir wollen, es kann nicht neue Möglichkeiten geben, die neuen Möglichkeiten sind eine Zusammenfassung der alten Möglichkeiten. Der Mensch ist nicht so originell, solange er nicht einen neuen Kopf kriegt oder ein neues Gehirn — und das scheint nicht zu sein.

Personen/ Institutionen, die ihre Zukunft wissen wollen?
Alle. Jede Sekte versucht ja z. B. ihren Mitgliedern irgendwie die Zukunft darzustellen, das ist ihre Wahrheit. Es gibt etwa 3000 christliche abweichende Sekten und gleich viel buddhistische und andere, von den Indern und Chinesen wollen wir gar nicht reden. Jede Richtung sagt ihren Anhängern, dass sie sich in der Zukunft viel mehr ausbreiten wollen, weil sie allein die Wahrheit besitzen. Aber sie erzählen ja nicht die Zukunft, sie machen einen künstlichen Schlussstrich und sagen: Die Geschichte ist nicht ehrlich, wir müssen uns mit unseren Sünden bewähren, wir müssen bereuen und wir müssen umdenken und uns auf unsere Wahrheit einspuren und dann gibt's einen Schlussstrich: Gott oder die Götter erscheinen und sagen, das ist das Ende der Geschichte. Die, die uns gedient haben, sind Offiziere auf einem anderen Planeten usw. Das war jetzt knapp dargestellt, aber im Grunde genommen wird dabei nicht die Zukunft dargestellt, sondern ein Schlussstrich dargestellt: Für die Sektenmitglieder ist das Paradies da. Es ist unglaublich, auf welche Art die verschiedenen Gruppen eigentlich aus Zukunft zumindest für die (ihrer Meinung nach) "anständigen" oder "lieben" Menschen eine glückliche Vergangenheit projiziert haben. Das ist aber keine Zukunftsschau! Und die technologischen Utopien ja, das ist eine Ausdehnung der technologischen Leistungen, die diese Gruppe zu bringen hofft, in die Zukunft. Aber dabei gibt es gewöhnlich keine ganzheitliche Schau. Man denkt, was wird jetzt passieren, wenn wir noch mehr klonen können ... dabei denkt man nicht, dass dadurch ja andere Sachen und andere Fortschrittsideen blockiert werden oder durcheinander kommen. Oder man überlegt nicht, dass wenn wir jetzt noch schneller mit dem Flugzeug nach Amerika fliegen können, dass die dann vielleicht mit Bomben herumfliegen werden. Man entwickelt nur eine Seite des Fortschritts weiter, was irgendwie sich deckt mit dem, was der Werbeauftrag ist.

Eigene Orakelerfahrungen
Ich habe mich sehr mit Wahrsagedingen beschäftigt, weil's sehr interessant ist. Man erfährt nichts über die Zukunft, aber man lernt unglaublich viel über den Menschen, was ihn interessiert und so. Es gibt gar kein Wahrsagen in dem Sinn, wie viele Leute das meinen. Mir hat mehr als eine fahrende Zigeunerin gesagt, ich weiß es auch von meiner Mutter und Großmutter, wenn die Leute zum Wahrsager gehen, das können Manager, Akademiker sein, dann will er gleichwohl nichts wissen, was nicht schon ein Steinzeitmensch gewollt hat - also dass er mehr zu essen und zu trinken kriegt und dass man ihn nicht umbringt und dass man ihn nicht mehr plagt, dass sein Vorgesetzter, sein Häuptling, ihn nicht mehr missbraucht, dass er in der Liebe immer das kriegen wird, was er will. Das sind ja die Sachen, die interessieren. Also wenn man mit dem Wahrsagen, fast unabhängig, ob sie mit Computer arbeiten oder mit Würfeln oder so, dann wird man immer die gleichen Sätze erzählen, da der Mensch ja gleich bleibt, wie sein Gehirn funktioniert und wie ihn irgendwelcher Fortschritt und Sozialutopien eigentlich fast nicht interessieren. Außer natürlich, er hält Vorträge und diskutiert und ist ein Mann des Fernsehens, aber er selber interessiert sich nicht sehr stark dafür, er will zufrieden und glücklich leben.

Methoden / Techniken der Zukunftsvorhersage
Es gibt die Tarotkarten, auch alle astrologischen Methoden - das ist die Arbeit mit Bildern und wahrscheinlich ist die Hauptleistung des Wahrsagens, die Leute so weit zu bringen, dass sie ihre Wunschbilder finden. Und wenn sie die Wunschbilder gefunden haben, dann weiß man ja so ungefähr, was ihnen passiert. Wenn einer gut aussieht und Geld hat, sieht der Wahrsager, dass er mindestens zeitweise auch seine Liebe finden wird. Und wenn er arm ist, dann wird er sie vielleicht auch finden, aber die Frau, die er gefunden hat, wird zu viel arbeiten müssen und die große Liebe wird nicht lange dauern, sondern vielleicht bis zum zweiten Kind. Es ist also nicht viel zu machen. Aber das ist natürlich ein Suchen nach seiner Zukunft in den Bildern, in den Karten, in den Träumen - das ist eines der liebsten Spiele des Menschen, das von den Managern in Amerika nicht weniger betrieben wird als von den Rittern des frühen Mittelalters.

"Genaue" Zukunftsvorhersage
Das möchte ich an sich theoretisch ablehnen, aber praktisch muss man sagen: ja, indem es unter den Wahrsagern und Psychologen oder wie sie sich gerade nennen ... Schamanen, Hexen ..., Menschen gibt, die das ja vollamtlich treiben. Schon von kleinauf, schon ihre Eltern oder Großeltern, also sie haben eine Erfahrung, die wir uns fast nicht vorstellen können, die wahrscheinlich die Möglichkeiten eines Computers übertrifft, indem sie ja nicht nur das Aktuelle formulieren, sondern sie sehen auch gewisse Hintergründe. Ich glaube, solche Menschen können uns beurteilen und uns ungefähr unsere Zukunft sagen. Sie können sicher intuitiv tief in unser Bewusstsein eingreifen, sie können das so sagen, dass wir sagen: der Mensch kann's ja tausendmal besser als ich! Was nicht einmal viel ist, aber das ist eigentlich schon für menschliche Verhältnisse ein totales Wahrsagen. Für ein Beispiel für so ein präzises Wahrsagen müsste ich in Büchern oder Notizen nachschauen. Aber ich meine, ich möchte mich nicht täuschen, es sagte Nostradamus irgendwo, mit dem Jahr 1789 fange ein neues Zeitalter an. Das hat wenigstens in dem Sinn gestimmt, dass man das einzige Mal in Europa angefangen hat, die Jahre neu zu zählen, weil man das Christentum als Jahrgeber ablehnte. Nun kann das ein Zufall sein, das kann auch ein unglaubliches Einfühlen in die menschliche Geschichte sein. Du kannst Bücher schauen, die schreiben tatsächlich das Jahr 1, 2 oder 4. Aber Napoleon hat den Blödsinn natürlich bald wieder abgeschafft. Aber man muss davon ausgehen, dass es ein Gedächtnis und eine Erfahrung gibt von Menschen wie Nostradamus, die - von normalen Menschen aus gesehen - fast mythologisch sind.

Zukunftsgestaltung bei der Tätigkeit als Politiker
Bei ein paar Sachen mit Bräuchen könnte ich das bejahen. Aber das stimmt insofern nicht, da ja der Politiker - zumindest solange er nicht nur an seine persönlichen Interessen denkt oder an die seiner Gruppe- gewisse Dinge oder Grundstimmungen der Gruppe ausdrückt, die er liebt, schätzt oder aus der er hervorgeht, ob das jetzt Bauern sind, Hippies oder Junge oder Alte. Er macht nicht die Ereignisse, sondern er ist ein Mittel des Ereignisses, sich selbst zu erfüllen. Beispiel: Wenn man sich vorstellt, wie das Verhältnis der Geschlechter früher war und wie es heute ist - das ist ein Unterschied. Aber das ist nicht irgendwie ein Wunder, das ist einfach: Nach einer bestimmten Zeit hat der Mensch genug und zwar von allem! Bei der Gestaltung der Zukunft gibt es Notwendigkeiten. Wenn ich mich nicht täusche, hat in den 50er Jahren jeder zweite erwachsene Amerikaner seine Frau noch nie nackt gesehen. Wenn man das liest, sagt man: jetzt wollen wir nur noch nackte Frauen sehen. Und schon kommt der Playboy und Penthouse und die ganzen Zeitschriften. Aber es ist ja in der Luft und eines Tages wird's zu viel und dann dreht sich's wieder. Oder die Leute kommen zur Entdeckung, dass in den Heften wunderschöne nackte Frauen sind, aber sie hätten nicht die Mittel, diese Frauen zu haben. Dann schauen sie die billigen Videos, die sie kaufen können. Aber die sind nicht so schön und schon kommen bereits die ersten puritanischen Priester und sagen: Wenn das so weitergeht, kommen wir alle zusammen in die Hölle. Dann dreht sich's wieder ... siehe, was der Bush alles jetzt erzählt. Die Idealisten leben natürlich immer das Gegenteil. Aber wenn sie sich etwas leisten wollen und vom System leben wollen, müssen sie sich auch ein wenig anpassen.

Der Mensch hat eine unglaubliche Fantasie, seine Fantasie zu tarnen
Wenn etwas dauernd wiederholt wird, richten Menschen sich danach. Wenn etwas so am Rand, irgendwie in den Fußnoten erwähnt wird, überlesen sie's wahrscheinlich. Aber wenn das spannend und packend gebracht wird, ich wiederhole wieder: der Antipuritanismus in den USA in den 50er, 60er, 70er Jahren, dann überlegen sie sich's. Und wenn sie es sich überlegen, ist das eine Frage ihrer Energiemenge und ihrer Finanzen, ob sie's nicht mitmachen. Wenn du alt bist, identifizierst du dich vielleicht mit dem, was in deiner Jugend schon war und wenn du noch jung bist, sagst du, die haben mich beschissen, jetzt will ich das Gegenteil haben. Ich denke, alle Menschen lassen sich durch Vorhersagen beeinflussen. Wobei die einen "beeinflussen" als Vernunft bezeichnen, der andere als Ekstase und der Dritte wird von einem Film begeistert und der Vierte sagt, das sei die Frucht seiner Überlegungen. Der Mensch ist phantasievoll, das muss man ihm irgendwie zurechnen. Er hat sogar eine unglaubliche Fantasie, seine Fantasie zu tarnen.

Sinn von Meinungsumfragen
Da müsste ich untersuchen, wie gefragt wurde. Wenn vor den Wahlen gefragt wird, verliert man vielleicht durch diese Befragung. Oder es ist sogar richtig, aber es entspricht der momentanen Politik, das ist sicher nicht sehr interessant. Heute gebraucht man Umfragen in vielen Ländern wirklich nur, um die Wahlen zu beeinflussen. Wer zahlt, befiehlt. Man müsste nicht 2000 oder 1000 Leute auf der Straße befragen, sondern man müsste 1000 Leute befragen, die gerne in Wirtschaften sitzen, mit den Leuten plaudern und wirklich so ein wenig die Stimmung kennen. Wobei viele Leute, das sieht man in Fragen z. B. über Religion oder Rassismus, wollen ihre Meinung auch gar nicht sagen. Oder sie sagen so ungefähr das, was man von ihnen erwartet. Ich glaube, es ist fast hoffnungslos, objektives Material kriegen zu wollen.

Erfahrung als Politiker, Meinungsumfragen zu bestellen oder anzuregen
Nein, ich versuchte - und das war sicher falsch und half meine Laufbahn als Politiker zu beenden - subjektiv auf Stimmungen zu gehen, von denen ich das Gefühl hatte, dass die Leute dazu tendieren. Das ist sehr kompliziert: Manchmal wollen wir etwas Bestimmtes, weil wir davon leben, aber im Grunde genommen wissen wir genau, es ist nicht ganz gut. Ich kannte Hippies oder Freaks, die sicher von den Atomkraftwerken alles Schlimme erwarteten, aber sie machten Putzarbeiten in Atomkraftwerken, weil dort gut bezahlt wurde und sie dadurch ihr Leben einigermaßen angenehm kriegen konnten. Der Mensch ist unglaublich widersprüchlich. Ich habe in der Politik mit so vielen Leuten gerade in den Ämtern geredet, die sagten: eigentlich möchte ich, aber ich darf nicht.

Wie viele Leute braucht man, um ein Meinungsbild zu bekommen?
Nicht sehr viele. Aber man müsste sie menschlich kennen, ob als Philosoph oder Wahrsager. Schon die Griechen haben in dieser Richtung gearbeitet. Man muss ein paar Leute kennen, die gern mit Menschen verkehren und gewisse Stimmungen aufnehmen können, wenn du willst: wahrsagen können. Beispiel: Menschen, die ein klares Bewusstsein haben, die auch gerne mal einen trinken. Menschenkenner, die nicht nur an Vorurteilen interessiert sind, sondern sie interessieren sich für Menschen, sie lieben Menschen und ordnen nicht, 'das hier sind Marxisten', 'das sind Proletarier' und 'die Klasse muss man beseitigen, sonst klappt's sowieso nicht' usw. Menschen also, die nicht unbedingt ihr eigenes Interesse vertreten, sondern sich für den Menschen interessieren und ihn lieben. Auch Künstler wären z. T. sehr gut, weil sie doch irgendwie die Wahrheit suchen und immer die Wahrheit finden wollen und wenn sie Spaß haben und auch nicht mit einer Ideologie, ob sie jetzt puristisch, asketisch oder sonst was ist, die nicht sagen: Die Menschen sind so, sie müssen jetzt das tun usw., also Menschen bräuchte man, die Freude haben, Meinungen anderer zu hören.

Eigene Teilnahme an einer Meinungsumfrage
Ja, wenn's nette oder liebe Leute waren, habe ich natürlich meine Meinung gesagt, aber ich sah auch immer die Gegenseite.

Beitritt der Schweiz zur EU
Das ist praktisch nicht ein Problem. Ich glaube als mehr oder weniger Demokrat, dass das das Volk abstimmen wird. Ich kann nur sagen, dass wir nach meiner Auffassung einen gewissen Bewusstseinsprozess für beides brauchen. Wenn wir nicht eintreten, müssten wir einen wahnsinnigen Bewusstseinsprozess machen, durch den man überhaupt als Land selbstständig sein kann. Da muss man ja sehr kreativ sein. Wenn alle anderen Länder einheitlich handeln, muss der Teil von Europa, der nicht eintreten will, schon sehr kreativ sein, damit man ihn auch akzeptiert und ihn nicht wirtschaftlich, militärisch, politisch boykottiert. Und wenn wir eintreten, müssen wir das erst rechnen. Man sieh ja, gewisse Länder spielen eine unglaubliche Rolle, z. B. Österreich ist sehr eigen, in der ganzen Wirtschaft, in der Touristik.

Vorstellungen zu einem Institut zur Zukunftsvorhersage
Ich glaube nicht, dass ich den Mut oder den nötigen Ehrgeiz hätte, so ein Institut aufzutun. Wenn ich es doch machen würde, würde ich sehr stark vom Volkskundlichen ausgehen. Ich würde versuchen, Leute um mich zu versammeln, die Stimmungen auffassen können. Ich würde ganz sicher ein paar bekannte Wahrsager und Astrologen anstellen, weil ich weiß, dass sie eine große Erfahrung haben. Ich würde aber auch ein paar aufgeklärte Männer und Frauen haben, die ganz sicher nicht an Wahrsagen besonders glauben, aber ich hätte auch Wahrsager. Leute, die mit dem Volk reden können, die die Fähigkeit haben, Stimmungen zu verstehen. Und zwar nicht nur die Stimmung, dass die Leute offiziell sagen, ich bin das oder jenes, Demokrat oder Linker oder Rechter, sondern die wären so frei, die Stimmungen aufzunehmen. Ein paar Psychologen, weil sie mit Leuten reden genauso wie Wahrsager. Also nicht nur die Offiziellen, sondern auch die Inoffiziellen.

Mehr als die Hälfte der Weisheit ist die Weisheit der Eule
Mehr als die Hälfte der Weisheit ist die Weisheit der Athena - der Eule, die sieht, was die Leute in der Nacht behaupten. Die meisten Leute, die was erzählen, erzählen bei Tag nicht das, was sie denken. Man muss auch die Eule berücksichtigen und die Stimmungen der Menschen in der Nacht. Bei einer Umfrage habe ich mich sehr dafür interessiert ... da war eine Umfrage über Kobolde und Geister, die war ganz interessant und da kam man bei repräsentativen Gruppen auf 40%. Etwas mehr als 40% der Leute glauben daran. 10% — glaube ich —, die glauben nicht nur, wenn man's erzählt, es gäbe Kobolde oder Geister oder Gespenster, sondern sie selber oder ihre Frau oder ihr Mann oder ihr bester Freund oder ihre Eltern haben solche Erfahrungen, d. h. sie stützen sich auf Tatsachen von Leuten, die nicht lügen. Dann habe ich das in einem Vortrag erzählt und die Leute hatten sehr Freude. Dann kam noch eine kluge Frau, die hat gefragt, ob ich sagen könne, ob die Umfrage am Tag oder in der Nacht gemacht wurde. Da sagte ich, ich nehme an, am Tag arbeiten die Leute. Da sagte sie, ja, aber wenn man sie in der Nacht gemacht hätte, wären 60% für die Gespenster gewesen. Das ist so, das ist wieder die Weisheit der Eule. Wenn du nachts zu einem aufgeklärten Mann gehst und fragst: glauben Sie an Gespenster, dann macht er 'uhhh' und schaut, ob's 13 schlägt.

Gegend / Ort für das Institut
Da habe ich eine sehr bestimmte Vorstellung: Es müsste eine Gegend sein, wie wir sie in der Schweiz, in Norditalien oder in Österreich haben, wo einerseits noch sehr ursprüngliche Leute wohnen und die andererseits historisch gesehen ein Durchgangsland ist. Wo die Leute vielleicht versuchten, selber zu sein. Aber nicht, weil sie hinter dem Mond wohnten, sondern weil sie sahen, dass manches, was da gerade neu durchkommt - neue Züge oder wer weiß was - eine Scheiße sein kann. Ich finde, die Stimmung um solch ein Institut herum ist sehr wichtig. Denn die Leute, die dort arbeiten, die gehen doch immer Kaffee oder Bierchen trinken und da ist es nicht ganz unwichtig, wie die Serviertöchter und die Leute, die um die Tische herumhocken, reagieren. Das beeinflusst uns auch. Sachen, die uns nicht beeinflussen sollten - so sagt man - die beeinflussen uns am meisten. Das müsste eine Gegend sein, wo der Verkehr sehr leicht mündet und andererseits eine Gegend, wo sehr viele ursprüngliche Verhältnisse sind. Das könnte irgendwo in einer Gegend in Österreich oder der Schweiz sein. Es kommt ja auch darauf an, wer das finanziert oder wer das aushält. Es wäre ja ein Institut für Stimmungen. Und es gibt Leute, die entwickeln ihre Stimmungen aus Überlegungen und reden mit Freunden und Freundinnen oder lesen auch sehr viel. Also sie arbeiten daran, wenn sie etwas sagen. Dagegen die meisten oder sehr viele beantworten die Fragen bei Meinungsumfragen, so wie die größte Zeitung des Landes oder sonst ein Massenmedium reagiert, in einem Monat schon wieder ganz anders. Sie übernehmen ihre Meinung, ohne sie zu hinterfragen, wenn sie lustig formuliert ist. Das sieht man ja wenn Wahlen sind, das ist ja ein Wahnsinn. Da wird jemand als korrupte Sau dargestellt, gleich ob es stimmt oder nicht. Aber ich würde schon sagen, es sollte eine Gegend sein, wo man ziemlich schnell in die Nachbarländer gehen kann. Orte wie Interlaken und Brig, wo man doch ziemlich schnell in Mailand ist und wo die Leute, die am Institut arbeiten, am Wochenende rein hobbymäßig, auch liebschaftenmäßig, ziemlich leicht überall hin könnten. Es müssen unglaublich stabile Leute sein, aber doch auch neugierige. Die Mitarbeiter des Instituts Vielleicht ein Dutzend Mitarbeiter. Das Alter ist schwer zu sagen, sie sollten erfahren sein, aber doch nicht ganz verkalkt. Und neugierig sollten sie sein. 30 Jahre ist sicherlich nicht schlecht, das könnte dann bis 50 J. gehen, wenn's ein kreativer Mensch ist. Aber er soll immer noch mit Humor und Neugier reagieren, das Menschliche soll ihn interessieren, Fehler machen und Scheiße bauen, aber nicht aus Korruption, sondern aus Neugierde, wir verrennen uns leicht. Aber ich glaube, wenn man ein Dutzend Menschen hat, die selbstständig denken, dann wird das korrigiert, dann spielt das keine Rolle. Das Dutzend habe ich wahrscheinlich instinktiv gesagt, weil alle das Dutzend haben. Die Ritter der Tafelrunde oder die griechischen Götter oder die römischen 12 Helden, das ist ja immer so. Dann sind angeblich alle astrologischen Typen drin. Das müsste - wie (der amerikanische Kulturpsychologe) Timothy Leary gesagt hat - die moderne Wissenschaft möglichst in einer modernen Typologie überholen, aber bisher haben sie es nicht gemacht. Also wird die Wissenschaft es in den nächsten paar Tausend Jahren auch nicht tun.

Berufe der Mitarbeiter
Leute, wo eine gewisse Bildung da ist. Also es müssten Leute sein, die sich sicher nicht mit irgendeiner Oberschicht identifizieren, aber die doch in ihrer Jugend die Mittel gehabt hätten, sich nicht nur mit Dingen zu beschäftigen, die ihnen das berufliche Fortkommen erleichtern. Also interessierte Leute, die sich breit bilden konnten, nicht, weil sie da einen technologischen Beruf lernen wollen, sondern weil es sie interessiert, die Weltanschauung. Sie beschäftigen sich mit den Dingen mit Engagement und nicht unter dem Aspekt, weiter kommen zu wollen. Sie ziehen wie die alten Griechen das Menschliche da raus, dass wir uns damit beschäftigen, wo kommen wir her, wer sind wir, wohin gehen wir. Also sich selber auch immer wieder Fragen stellen und immer wieder neue Antworten geben.

Herkunft der Mitarbeiter
Das kann man nicht beantworten, das kommt ja davon, wer das Ganze trägt. Aber das müssten nicht Leute sein, die Zenmönche oder Urchristen oder Marxisten sind, die glauben schon zu wissen, was die Wahrheit ist. Es müssen einfach Sucher sein.

Männer/Frauen
Am besten wären es gleichviel Männer und Frauen oder man kann auch wie die Gralsritter sagen: 12 Männer mit ihren 12 Freundinnen, dann sind's 24. Ich glaube, die sexuelle Spannung, die natürlich auch Katastrophen erzeugen kann, ist sehr wichtig.

Nötige Technik
Ich brauche eine sehr gute Möglichkeit, Filme oder Videos zu sehen. Z. B. auch auf verschiedene Art, Vergrößerungen zu schaffen. Es zeigt uns ja das, was die Menschen denken. Eine Art Videostudio, wo ich Menschen aufnehmen kann, nicht zu kompliziert, damit auch der normale Mensch damit arbeiten kann, aber doch vielseitig. Natürlich auch ein gutes Archiv, wie es in der Schweiz oder Österreich sicher möglich wäre, da sind schon bereits Verbindungen vorhanden. Also ein ausgefeiltes Archiv, was sehr umfangreich ist ... oder Benutzungsrechte von Archiven, damit das Institut nicht von anfangs 12 oder 24 Mitarbeiter später noch auf 30 Hilfsbibliothekare oder Archivare mehr kommt. Sondern dass ich weiß, wenn ich da ein Stündchen mit dem Zug oder Auto fahre, komme ich an einen Ort, wo ich alles finde, was ich brauche. Also die Schweiz ist in dieser Beziehung ... aber Österreich auch: Die haben sehr viele Archive, die ja aber wahrscheinlich viel zu wenig zusammenarbeiten. Das ist so schwer, das ist das, was ich Negatives an der Schweiz habe: durch die 500 Jahre Frieden gibt's vielleicht etwas zu viel Bürokratie. Im Gesamten wirkt's etwas schwerfällig.

Wofür die Archive?
Um sich abzuwägen. Z. B. wäre das, was diese Herren und Damen mit den Umfragen so wenig sehen: Diese fortlaufenden Umfragen ... die Schnelligkeit der Umschwünge festzustellen. Es passiert ja immer das, was man nicht erwartet, wenn's wirklich losgeht mit irgendwelchen Spannungen. Das ist schon in der Bibel: Christus anbeten und kreuzigen war fast gleichzeitig. Kaum ein paar Tage läuft die Gegenpropaganda und schon wollen ihn alle foltern. Das ist ein Phänomen. Archive wären also nötig, um historisch abzugleichen mit Sachen, die gerade in der Gegenwart laufen. Wenn man z. B. am Palmsonntag damals in Jerusalem eine Umfrage gemacht hätte, Jesus ist ein wunderbarer Mann, ein Königssohn, ein Sohn Gottes, ... die Umfrage hätte alles gesagt, inkl. er sei korrupt.

Verwendung von klassischen Wahrsagemitteln?
Vielleicht, es steht ja jedem frei. Es müssen ja Menschen sein, denen man nicht unbedingt die Arbeitszeit vorschreiben muss, denen frei ist, Würfel zu werfen oder Karten zu legen. Das ist ihre Sache. Das sollte sehr frei sein.

Lage des Instituts
Es sollte viel Grünes da sein, aber wenn man in der Nähe einen Fluß hätte oder z. B. diese ostdeutschen Ghetto-Gassen (wie z. B. in der Erfurter Altstadt), dann regt das auch an. Dass man die Stimmung sieht, dass man sieht, dass da jetzt mehrere Parteien oder Richtungen den Menschen eine Goldene Zukunft versprochen haben und brachten nur Scheiße.

Wer wären die Auftraggeber?
Das müsste jemand zahlen, wenn er das Gefühl hat, es dient mehr zur Verständigung. Das wäre immer das Problem, dass die Auftraggeber letztlich bestätigt werden wollen und dann wäre es kein unabhängiges Institut mehr. Wer kann sich schon ein unabhängiges Institut leisten? Vielleicht eine Partei, aber die wird ja nicht von irgendwelchen Ehrfurcht gebietenden Weisen geleitet. Es ist ja kein Sarastro wie in der Zauberflöte da, eine sozialistische Partei wird andere Vorkommen oder Optiken einzustellen versuchen als eine bürgerliche oder rechts gerichtete oder eine, die mit der Wirtschaft zusammenarbeitet. Drum sage ich, die Zusammenarbeit mit Wahrsagern ist nicht schlecht, weil hier Menschen mit einer eigenen Optik zusammenarbeiten müssen.

Größe des Ortes Demoskopia
Das steckt in der Frage, dass es eine Stadt ist, die kann ja 100 oder 20 tausend Menschen haben, auf jeden Fall ganz verschiedene Menschen. Demoskopia kommt von Demos und das ist ja eigentlich eine Volksschau, ein Blicken in die Seele des Volkes. Es müsste eine lebendige Stadt sein. Bei uns sagt man, eine Stadt fängt mit 10 000 Menschen an, das scheint mir eine vernünftige Zahl. Wobei es nicht schlecht wäre, wenn die Stadt auch etwas Historisches hätte, d. h. dass sie schon vor Jahren eine Bedeutung gehabt hat.

Repräsentativität
Das kann man nicht sagen, man will ja etwas mehr oder weniger Neues oder Abweichendes und das kann ja gar nicht repräsentativ sein. Höchstens wenn man ein paar selbstständige Leute hätte, die doch für die Menschen etwas sind, denen man es zutraut, selbstständig zu denken. Fast wie eine Philosophenschule, indem sie auch Politiker sind, vor allem aber Wahrheitssucher.

Universität in/um Demoskopia?
Das wäre sicher nicht schlecht. Nicht, dass sie einen direkten Einfluss hat, aber zum Zusammenarbeiten, Reden oder Schwatzen ist es immer gut, wenn man Menschen hat, die was von der Welt wollen und suchen. Verschiedene Religionen Das ist sowieso irgendwie da. Es sollte keine Möglichkeit geben, dass eine dogmatische Gruppe die Kontrolle übernimmt und die anderen sehr stark beeinflusst.

"Verfassung" von Demoskopia
Ein paar Regeln müssen sicher sein. Ich glaube, die müsste man so im Miteinander herausfinden. Es gibt sicher Sachen, die stören, wenn eine Gruppe sie lebt, aber im Prinzip müsste man gewisse Dinge haben oder nicht haben. Wenn alle Opium fressen oder besoffen sind, ist das sicher nicht gut. Bei den 12 oder 24 Leuten könnten aber auch ein paar Junkies sein. Es ist sehr schwer, auf diese Frage zu antworten, wenn man wirklich die Unabhängigkeit haben möchte. Aber es hängt sehr von den Leuten ab, die es begründen sollen. Sie müssen schon viel Fantasie haben. Das müsste eine Wahrheitssuche-Universität sein, wie es sie in der Renaissance oder in der Romantik ... immer wieder, aber meistens nicht so lange, weil irgendein Einfluss übermächtig wurde, gegeben hat.

Wertvorstellung /Philosophie des Instituts
Fantasie, die völlig wurzelfrei ist, gibt es ja nicht, sie ist irgendwie immer von bestehenden Bildern beeinflusst. Aber es müsste alles sehr offen sein.

Möglicher Auftraggeber
Ein neugieriger Milliardär, der nicht im Kampf steht, d. h. nicht um 77 Geschäfte oder Monopole kämpft und seine Moneten einigermaßen frei einsetzen kann. Er ist neugierig, ob die Menschen unsterblich sind oder Angst haben — ein sehr neugieriger Mensch.

Inakzeptable Auftraggeber
Der Wert des Instituts wäre, dass es jedem Auftraggeber eine offene Antwort zu geben versucht. Denn die Auftraggeber wären ja ein Teil der Methode. Wenn das Institut von 7 Seiten die Anfrage kriegt "Kommt ein Krieg?", dann ist es ja auch schon ein Beginn der Erforschung der Zukunft, welche Fragen kriegt man - das ist ja schon die Erforschung, aus denen man bereits Schlüsse ziehen kann.

Ließen sich über das Institut Fragen beantworten, die bisher nicht beantwortet wurden?
Das ist möglich, ich glaube, sie wurden immer einigermaßen in irgendeiner Ecke eines Instituts diskret beantwortet, aber das Institut selbst konnte es sich bisher nicht leisten, dahinter offiziell zu stehen. Es gibt sicher sehr wenig Fragen, die wirklich objektiv gestellt und beantwortet werden. Meist ist es eine vorgefasste Meinung, die man verwirklichen will. Man sucht nur als Absicherung noch mal die Antwort. Das muss man, wir haben die Demokratie, da muss man irgendwie, auch wenn die Entscheidung überhaupt nicht demokratisch ist, muss man repräsentative Fragen sich geben lassen. Dabei wird ja die Antwort vorbedingt. Bei Europa wird man auf ein ja/nein - Schema gezwängt und man kann nicht sagen "ja, aber" oder "nein, wenn". Dieses Institut muss einfach vielseitig antworten, Antworten zulassen, die vielleicht einen Widerspruch in sich haben oder abwägend sind, Sachen berücksichtigen. Es ist auch nicht unbedingt schlau, jede Antwort genau in Zeitungen zu bringen, die sie oft nur einseitig deuten. Neugierig, objektiv müsste man befragen, vielseitig beantworten und antworten "ja, wenn" oder "nein, wenn" oder "es gibt die und die Möglichkeit". Das wäre die Erforschung der Möglichkeiten.

Sinnlose Fragen
Gibt es eigentlich nicht, denn eine Frage kann nicht sinnlos sein, wenn sie gestellt wird.

Nicht Beantwortbares
Die absolute Vollständigkeit: Die Frage, die so differenziert ist, dass sie vollständig beantwortet wird, kann es ja gar nicht geben.

Unterschied Demoskopia / Orakel von Delphi
Das Orakel von Delphi war anders, weil es ja nicht Untersuchungen machte. Es ist nicht offiziell, sondern eine Dame unter Dämpfen oder unter Drogen, ein Medium. Apollo hat durch sie geredet, mit anderen Worten war das der Ehrgeiz der Griechen zu sagen, sie seien völlig - oder ihre 50 Kleinstaaten - unabhängig und der König der Welt sei Apollo selber. Wie weit die Antworten dieser Pythia, dieses Mediums, gut formuliert waren oder wie weit es ein Gelalle war, und dass die Priester die ganzen Untersuchungen hatten und auch wenn sie irgendwie aus diesen herausgedeutet haben, das weiß ich nicht. Es war ganz sicher eine politische Tat, indem sie versuchten, ein unabhängiges Schiedsgericht über die 50 verschiedenen Staaten zu wahren, die natürlich auch die Religion verschieden auffassten. Aber ein Delphi hat's zusammengefasst und war der Mittelpunkt der Welt. Und zwar habe der Zeus von den Ecken der Welt Adler fliegen lassen und sie seien in Delphi zusammengekommen.

Mögliche Bedeutung von Demoskopia
Es wäre ein Heiligtum des freien und selbstständigen Denkens. Das haben die Griechen ja behauptet, das sei ihr Ideal gewesen. Es wäre ein Versuch, die Meinungen zu erfassen und zu untersuchen, wieweit wir handeln aus einer unbewussten Weisheit und wenn es auch nur wäre, um unsere Langeweile zu verscheuchen. Seit wir Amerika haben, haben wir die Vorstellung vom endlosen Fortschritt. Man begeistert sich an etwas, was ja gar nicht kommen kann, weil's von anderen Sachen blockiert ist. Es wäre ein Versuch, einen freien Geist zu fördern. Ein Auftraggeber müsste Freude haben und einige Fragen wären ihm ein paar Milliönchen Wert, wenn man ihm eine anregende Antwort schenken würde, z. B. wie der Reemtsma.

(am 20.2.02, interviewt von Wolfgang Bauer bei einer Vortragsveranstaltung Golowins in Erfurt/Thüringen)

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