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projekt: demoskopia / Bibliothek für Zukunftsfragen

Walter Spielmann

Biographisches
Geb. am 4. Januar 1954 in Vancouver, Kanada, verheiratet, ohne Kinder; Studium der Germanistik und Geschichte; seit 1994 Leiter der BIBLIOTHEK FÜR ZUKUNFTSFRAGEN, Robert-Jungk-Platz 1, A-5020 Salzburg

Robert Jungk und die Bibliothek für Zukunftsfragen
Die Geschichte Robert Jungks [1913-1994] und seiner Stiftung zu erzählen, wäre eine Herausforderung der besonderen Art. Hier muß es genügen, Eckdaten zu erwähnen und festzuhalten, daß Robert Jungk im deutschen Sprachraum und weit darüber hinaus wohl einer prominentesten Zukunftsdenker war, der die soziale Zukunftsforschung maßgeblich mit initiiert und geprägt hat. Seit 1970 lebte Robert Jungk in Salzburg, und diesem Umstand haben wir es zu verdanken, daß ein wesentlicher Teil seines publizistischen Schaffens hier in diesem Haus entstanden ist, das im Zentrum Salzburgs und seit gut einem Jahr auch an einem Platz liegt, der Robert Jungks Namen trägt. Viele seiner wichtigsten Publikationen sind unter diesem Dach entstanden, wo Robert Jungk seinen Arbeitsplatz, sein ãBergwerkÒ eingerichtet hatte, in dem er mit einem besonderen Blick auf Zusammenhänge eine ungeheuere Vielfalt von Materialien in ganz ungewöhnlicher, kreativer Weise neu zusammenstellte und zu ãseinem ThemaÒ machte. Sein Sohn sagte einmal: ãVater, du gehst ins Bergwerk und legst wieder eine Goldader frei.ã Und in der Tat hat Robert Jungk seine Arbeit selbst so gesehen: sich intensiv mit verschiedenen Aspekten von Zukunft zu beschäftigen und so darzustellen, daß sie Menschen interessiert, auch für sie zu einem Anliegen wird. Dafür brachte er seine publizistischen Fähigkeiten ebenso ein wie seine charismatische Ausstrahlung und seine Begabung als Kommunikator und ãNetzemacherÒ. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs machte Robert Jungk als Journalist in den USA die Erfahrung, daß Zukunft in ganz zentralen Bereichen von nur wenigen Entscheidungsträgern bestimmt und weitreichend gestaltet wird, ohne daß Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, darauf Einfluß zu nehmen oder einzugreifen und zu sagen, was sie denn wünschen und wie sie eigentlich leben wollen. Hintergrund dieser Erfahrung war die Atomtechnologie. Als kurz nach dem Krieg in den USA auch darüber diskutiert wurde, ob die damals noch sehr junge Atomtechnologie in Folge der Bomben auf Hiroshima und Nagasaki allein den Militärs überantwortet oder eine Option zur Gewinnung von Energie zu zivilen Zwecken sein sollte, fand Robert Jungk zu ãseinem ThemaÒ. Denn er erkannte, daß ãZukunftÒ alle betrifft und trat fortan leidenschaftlich dafür ein, sie zu einem Thema für die Allgemeinheit zu machen. Immer wieder sprach er davon, daß die Zukunft von nur Wenigen ãkolonialisiertÒ werde und daß dies natürlich auch das Modell der Demokratie gefährde. Dagegen anzukämpfen, Alternativen einzufordern und in der Praxis auch zu erproben, war Zeit seines weiteren Lebens sein zentrales Anliegen. 1985 erhielt Robert Jungk die Möglichkeit, seine reichhaltigen zukunftsrelevanten Unterlagen Bücher, Zeitschriften und ãGrauesÒ d.h. im Buchhandel nicht erhältliches Material ö hier in Salzburg in Form einer Sachstiftung als öffentlich zugängliche Bibliothek zu errichten, womit er sich einen lange gehegten Wunsch erfüllen konnte. Unterstützung fand er bei dem entschlossen agierenden Landeshauptmann (Ministerpräsidenten) von Salzburg, dem das Projekt gefiel, und bald danach unterstützten auch die Stadt Salzburg sowie die Bundesregierung diese auch heute noch außergewöhnliche Institution. Seit 1986 beschäftigt sich das Team der Robert-Jungk-Bibliothek mit der Sammlung, Dokumentation und Analyse von zukunftsorientierten Materialien, wobei das Spektrum unserer Arbeit von der Herausgabe der Zeitschrift ãPro ZukunftÒ über die Durchführung von Literaturrecherchen und Studien und die Moderation von Zukunftswerkstätten bis zur Organisation von Veranstaltungen reicht. (Über das Angebot im Einzelnen informiert die Homepage www.jungk-bibliothek.at).

Das Institut
Als Robert Jungk sich 1992 zur Kandidatur zur Wahl des Bundespräsidenten bewegen ließ, bekannte er: ãMein Herz schlägt grünÒ. Aber es war ihm wichtig - und das gilt selbstverständlich auch für uns, die wir in seinem Sinne arbeiten -, für möglichst viele gesellschaftliche Gruppierungen Ansprechpartner in Sachen Zukunft zu sein. Naturgemäß war Robert Jungk mit seinen Ansichten und Positionen nicht allen Menschen gleichermaßen nahe. Aber insgesamt kann man sagen: was von ihm geleistet und manchmal in fast prophetischer Weise vorausgedacht und gesagt wurde, erkennen zunehmend viele im Rückblick als zutreffend an. Vermutlich würde Robert Jungk heute weit weniger in der Kritik stehen als zu seiner Zeit, als man ihm auch unterstellte, ein unverbesserlicher Utopist zu sein. Auch wir sind als Sachwalter Robert Jungks für viele Gesprächspartner. Für Land und Stadt Salzburg, aber auch internationale Partner unter ihnen auch die UNESCO haben wir in den letzten Jahren Studien erstellt und Projekte entwickelt. Zukunftsorientierte Fragestellungen verstärkt auch im privaten Bereich anbieten, ist uns ein zentrales Anliegen, nicht zuletzt auch deshalb, weil der drastische Sparkurs der Gebietskörperschaften in Österreich wird ja die Politik des ãNulldefizitsÒ mit Nachdruck verfolgt die Gewinnung weiterer Partner unumgänglich macht. Um es positiv zu formulieren: wir sind höchst motiviert, über das Bisherige hinaus Interessenten und Auftraggeber zu finden, die unsere Zukunftskompetenz nutzen wollen. Mit einem Eigenmittelanteil von rund 25 % sind wir diesbezüglich auch ganz gut unterwegs, denke ich. Die Bibliothek ist u. a. auch Partner des ãStädtenetzwerks Nordrhein-WestfalenÒ, mit dem sie gemeinsam einen ãRobert-Jungk-PreisÒ für bürgerschaftliches Engagement auslobt. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, daß das Land Salzburg alle drei Jahre einen ãLandespreis für ZukunftsforschungÒ vergibt, der erstmals (1993) Robert Jungk zuerkannt wurde und in der Folge auf Vorschlag des Kuratoriums der Stiftung an Dorothee Sölle (1996) und an Jakob von Uexküll, den Begründer des Alternativen Nobelpreises (1999), ging. Preisträgerin des Jahres 2002 wird die österreichische Alternativökonomin Luise Gubitzer sein.

Zukunftsforschung
Trotz der zuletzt genannten Aktivitäten ist festzuhalten, daß das Thema Zukunftsforschung im deutschsprachigen Raum insgesamt nicht besonders gut situiert ist. Es hat den Nimbus des Exotischen, dem im Kontext der etablierten Wissenschaften bestenfalls eine Nische zugestanden wird. Dies wohl auch deshalb, weil Zukunftsforschung, wie wir sie verstehen, grenzüberschreitend ist und sich damit immer auch dem Verdacht aussetzt, von Dingen zu handeln, die ihr im Grunde nicht vertraut sind und für die sie daher auch nicht zuständig ist. Dabei ist es doch — so die Gegenthese vieler ãZukunftsdenkerInnenÒ — gerade heute besonders wichtig, Netzwerke zu bilden, ãgeneralistischÒ (Robert Jungk), zusammenschauend zu denken und zu handeln, auch wenn man dadurch in Kauf nimmt, in Detailfragen eben nicht Experte zu sein. Das Dilemma dieser Diskussion ist in einem Vergleich gut darzustellen: Während der ãGeneralist darauf aus ist, alles in den Blick zu nehmen, bis er von allem letztlich nichts mehrÒ versteht, konzentriert sich der Spezialist so sehr auf das Detail, bis er ãvon nichts mehr alles verstehtÒ. Der Gefahr von Blindheit geschlagen zu werden, sind also beide Seiten ausgesetzt. Um so mehr kommt es wohl darauf an, in Summe die Waage im Gleichgewicht zu halten.

Der Leiter
Von meiner Ausbildung her bin ich in erster Linie Germanist und dann Historiker. Zum Ende meines Studiums in Salzburg hatte ich hier im Haus im Bereich Erwachsenenbildung so eine Art ABM-Stelle. Eines Tages, als ich Robert Jungk im Stiegenhaus begegnete, sprach ich ihn an. Ich hätte gehört, daß ãseineÒ Bibliothek mit vorerst einer Planstelle eingerichtet werden sollte. Natürlich war das eine Sache, die mich brennend interessierte! Was folgte, war ein Gespräch von kaum mehr als zehn Minuten Dauer, an dessen Ende mir Robert Jungk fest in die Augen geschaut und gesagt hat: ãIch habe den Eindruck, Sie sind der Richtige für diese Aufgabe.Ò Ich hoffe sehr, und bin davon auch überzeugt, daß ich seine Erwartungen nicht enttäuscht habe. Immerhin arbeiteten wir noch zehn Jahre zusammen, und über die Jahre entwickelte sich eine durchaus freundschaftliche Beziehung. War die Begegnung und die doch ungewöhnliche ãBerufungÒ Zufall — oder sind Ereignisse dieser Art nicht doch vielleicht auch ein Stück weit Fügung? Ich weiß es nicht. Aber es war in jeder Hinsicht eine außergewöhnliche Situation, aus der sich meine nun seit gut 18 Jahren andauernde ãBegegnung mit der ZukunftÒ entwickelt hat. Ich komme aus einer Medizinerfamilie. Da hatÕs immer geheißen: Aufgrund meiner Beinbehinderung kommt was Medizinisches nicht so recht in Frage. Man riet mir viel mehr zur Jurisprudenz, etwas ãSeriösemÒ mit Aussicht auf Karriere und Sicherheit. Ich habe aber immer daran gedacht, nur das zu machen, was mich wirklich interessiert. Und das waren vor allem Literatur, Geschichte, Musik und Journalismus. Während meines Studiums, für das ich mir aus heutiger Sicht ungeheuer viel Zeit lassen konnte — der Journalismus lockte zu Abschweifungen —, war es denn auch ungewiß, wie sich die Sache weiter entwickeln würde. Doch empfand ich die geschilderte Begegnung vor allem auch als Bestätigung dafür, daß es Sinn macht, den Dingen ihre Zeit zu geben. Das ist, wie ich meine, auch eine wichtige Herangehensweise bei der Beschäftigung mit Zukunftsthemen. Vieles ist nicht von heute auf morgen zu erreichen; es gilt Geduld und Vertrauen zu haben, daß sich die Dinge so entwickeln können, wie sie sich auch entwickeln sollen. Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, aber auch in die Fähigkeiten und Möglichkeiten anderer Menschen. Auf dieser Basis kann Zukunft wachsen, das reifen was notwendig und sinnvoll ist.

Was ist Zukunft?
Für mich persönlich ist Zukunft der Raum, der Horizont, in dem ich hoffe, mich weiter entfalten und entwickeln, in der Begegnung mit anderen Menschen Sinnvolles einbringen, die eine oder andere Spur hinterlassen zu können. Das gilt im Privaten wie im Beruflichen. Wenn es gelingt, ein Stück weit dazu beizutragen, daß die Entwicklung in eine ãnachhaltigeÒ, tragfähige Zukunft geht, dann hat der Einsatz gelohnt. Das Spannende an der Zukunft ist ja, daß es sich dabei um einen offenen Raum handelt, der uns die Möglichkeit gibt, einzugreifen und ihn zu formen. Aus der Vergangenheit und dem, was hinter uns liegt, können wir, wennÕs gut geht, lernen, Konsequenzen ziehen. Der Blick nach vorne aber legt theoretisch eine unendliche Vielzahl an Gestaltungsmöglichkeiten frei, die sich alleine oder auch im Zusammenwirken mit Anderen arrangieren, organisieren, gestalten lassen. Diesen ãOptionsraum ZukunftÒ mit zu formen, ist das, was uns bewegen sollte und in Bewegung hält, jede/n auf seine/ihre Weise.

Meine persönlichen Vorstellungen von Zukunft
In den letzten Jahren stelle ich fest, daß dabei mehr in den Blick genommen werden sollte als die Herausforderung des Berufs. Ich bin beruflich, denke ich, nicht weniger engagiert. Aber zunehmend wichtig werden für mich Fragen der persönlichen Lebensgestaltung — Wie viel Zeit nehme ich mir wofür? Welche Partner sind mir wichtig? Wo verdienen Freunde mehr Aufmerksamkeit? Wo sind neue Konstellationen, in die ich mich einbringen will? Das treibt mich mehr und mehr herum. In größerem Kontext gedacht: Wie gestalten wir sinnvolles Leben, nicht ein von Dingen verstelltes, die uns im Grunde belasten und die wir, näher betrachtet, auch gar nicht brauchen. Wir sollten lernen, unseren materiellen Reichtum, ebenso wie verfügbare Zeit solidarisch zu teilen und sinnvoll zu nutzen. Das sind doch die letztlich zentralen Zukunftsthemen, und es ist reizvoll sie thematisieren zu können. Dabei geht es natürlich nicht darum, mit erhobenem Zeigefinger durch die Welt zu laufen! Viel eher macht es Sinn, konkrete, praktische Beispiele von ãalternativem LebenÒ zu erkunden und bekannt zu machen. Und eben deswegen überschneiden sich — im Positiven wie im Negativen — private und berufliche Interessen in ganz erheblichem Maß. Musik, klassische Musik vor allem, ist mir im Spektrum der Künste besonders wichtig. Ihnen kommt, denke ich, im Blick auf die Gestaltung einer lebenswerten Zukunft eine herausragende Rolle zu. Denn sie können in uns verborgene, schlummernde Potenziale wecken. Eben diese sollten wir fördern, wo immer es geht. Nicht, daß jeder das Zeug zu einem Rembrandt, zu einer Ingeborg Bachmann oder einem Gidon Kremer in sich hat, keinesfalls. Aber die Beschäftigung und der aktive Umgang mit Kulturen und künstlerischen Ausdrucksformen eröffnet neue Einsichten und Ausdrucksmöglichkeiten, fördert das Selbstbewußtsein und sensibilisiert für eine angstfreiere, offene Begegnung mit dem, was vor uns liegt. Damit aber wird Zukunft lebenswert(er), erhält weitere Dimensionen und Facetten.

Zukunftswerkstätten
Eben diese Erfahrung nutzen wir auch in Zusammenhang mit dem von Robert Jungk entwickelten Modell der Zukunftswerkstatt. So arbeitet etwa derzeit ein Kollege an einer Projektserie mit Jugendlichen zwischen 15-25 Jahren. Dabei geht es um ãNachhaltiges LebenÒ. Der Begriff ãnachhaltigÒ ist ja über alle Maßen strapaziert, in vieler Hinsicht diffus. In verschiedenen Formen und Gruppen sollte daher darüber nachgedacht werden, was er für junge Menschen bedeutet und wie ein ãnachhaltiges LebenÒ denn aussehen könnte. Ist ein solches mit unserer Konsumgesellschaft vereinbar? Entspricht es dem, was wir wirklich wollen und brauchen? Darüber soll unter anderem in dieser Reihe nachgedacht und diskutiert werden, mit dem Ziel, das eine oder andere konkrete weiterführende Projekt zu erarbeiten und — wennâs gut läuft — auch ein Stück weit umzusetzen. Ein Teil dieser Serie werden auch sogenannte ãSchreibwerkstättenÒ sein, die von einer Autorin geleitet werden; mit dabei ist auch ein Maler und Psychotherapeut, und auch einen Fotoworkshop wird es geben. Das Ganze geht übrigens auf eine Initiative des Umweltressorts der Salzburger Landesregierung zurück. Dort fand man, es reiche nicht aus, Lärmschutzwände aufzustellen (nachträglich zu handeln); zumindest ebenso wichtig — und wer möchte da widersprechen — sei es, Werthaltungen und Einstellungen zu reflektieren und damit vorausschauend, präventiv zu agieren. Vorerst ist das noch eine seltene und ungewöhnliche, aber ungemein wichtige Herangehensweise an das Thema Zukunft, meine ich. Ich bin zuversichtlich, daß dieses Projekt Wirkung zeigen und auf das Interesse der jugendlichen Zielgruppe stoßen wird. Dabei stütze ich mich auch auf Erfahrungen, die wir im letzten Jahr in der Stadt gemacht haben. In 16 Workshops — Zukunftswerkstätten zum Generalthema: ãJugendliche erkunden ihre StadtÒ — wurden dabei drei Phasen durchlaufen: Teil 1: Bestandsaufnahme, Kritik: Wie sieht die Stadt Salzburg aus Sicht der Jugend aus? Was fehlt ihnen? Teil 2: Was wünschen sie sich, unabhängig davon, wie realistisch machbar oder finanzierbar es ist? Teil 3: Was ist an konkreten Schritten zu leisten, um die gemeinsam entwickelten Ideen und Visionen auch umzusetzen? Die beeindruckend vielfältigen Ergebnisse dieser Workshops werden übrigens am 19. April [2002] im Rahmen des Ersten Salzburger Jugendkongresses der Politik präsentiert, und sollen, wie diese bereits signalisiert hat, in der Folge auch umgesetzt werden. Jugend und ihre Wünsche Die Anliegen der Jugendlichen, wie sie im Verlauf der Workshopserie ausgearbeitet wurden, lassen sich im Wesentlichen in fünf Bereiche gliedern.
Thema 1: Öffentliche Räume, im Freien und institutionalisierte Treffs. Die Jugendlichen wünschen sich Räume, die sie selbst gestalten können und in denen sie sich ohne permanente Betreuung entfalten
können. Thema 2: Kommunikation und Information. Wir haben festgestellt, daß viele vorhandene Angebote von den Jugendlichen gar nicht wahrgenommen werden. Salzburg ist zwar keine große Stadt, hat aber ein verhältnismäßig dichtes und intensives kulturelles Angebot. Mit einer eigenen ãJugendhomepageÒ, die schon (so gut wie) in Planung ist, soll das nun anders werden. Auch regten die Jugendlichen an, Informationen dort hin zu tragen, wo sie aufgenommen werden können — und da bieten sich natürlich Schulen an, denn dort halten sich Jugendliche nun einmal ganz wesentlich auf. Thema 3: Mitbestimmung. Das Modell Demokratie, so ein weiteres wichtiges Ergebnis, ist für Jugendliche nicht besonders attraktiv. Das mag auf den ersten Blick zwar überraschen, ist aber nachvollziehbar, denn sie machen ja immer wieder die Erfahrung, daß sie nicht ernst genommen werden. So wurden wir als Moderatoren immer wieder auch skeptisch angesprochen: ãIhr laßt uns da werkenÒ, hieß es, ãÉ dann gibtâs jede Menge schöne Papiere, und es ändert sich nichts.Ò Gefragt ist also ãechteÒ Mitbestimmung: Es reicht nicht aus, Jugendlichen die Möglichkeit zu bieten, sich Gedanken zu machen und etwas zu deponieren; vielmehr haben sie das Anrecht darauf zu erleben, daß sie als ãExpertInnen in eigener SacheÒ tatsächlich mitplanen und mitgestalten können, etwa wenn es um die Errichtung eines Spielplatzes, einer Skaterhalle oder eines Jugendzentrums geht. Denn niemand weiß besser als die Betroffenen selbst, wie passende Räume (für Jugendliche) aussehen sollen. Thema 4: Akzeptanz und Toleranz. Die Jugendlichen zeigten sich als gegenüber Alten, Behinderten und Fremden in einer kaum erwarteten Weise verständnisvoll und offen. Sie wünschen die Begegnung und den Austausch mit Anderen, wollen von ihnen lernen, erwarten aber, daß auch ihnen Respekt und Anerkennung entgegen gebracht wird. Mit einem Wort: Sie sehen sich selbst als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft und wollen auch so gesehen werden. Thema 5: Eventkultur. Natürlich wünschen sich Jugendliche — nicht nur in Salzburg — interessante Kulturangebote, wollen, daß sich neben dem Großereignis ãSalzburger FestspieleÒ auch für sie ãwas echt Geilesâ abspieltÒ.

Ängste der Jugendlichen
Das Thema Umwelt, Ökologie, wurde zwar in der Workshopserie angesprochen, brennt aber schon lange nicht mehr unter den Nägeln. Im Zentrum steht vielmehr die Sorge um die eigene Zukunft: Welchen Beruf kann ich erlernen? Werde ich mich in einer zunehmend ellenbogenorientierten Gesellschaft durchsetzen? Werde ich mich durchboxen und in der ersten Reihe stehen? Politik spielt dabei eine Rolle ãunter ferner liefenÒ. Auszumachen ist indes ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Sicherheit. ãSoziale AbsicherungÒ — derzeit läuft dazu ein Volksbegehren in Österreich — wird mit Gewißheit eines der dominierenden Zukunftsthemen, nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa. Dabei kommt dem rasanten Wandel der Arbeit eine zentrale Rolle zu. Vor der Tatsache gesteigerter Produktions- und Kapitalflüsse — noch nie in der Geschichte lebten wir dermaßen im Überfluß — und der Erfahrung, daß hierfür immer weniger Arbeitszeit aufgebracht werden muß, ist zweierlei erforderlich. Zum einen geht es darum, für möglichst viele Bürger/innen Arbeit, Wohnen, Rente, Gesundheit u. a. m. auf einem angemessenen Niveau zu sichern; zum anderen gilt es, den Menschen die Teilhabe an gesellschaftlich relevanten Aufgaben zu sichern. Dies stellt wohl die größte Herausforderung für unsere Wohlstandsökonomien dar. Gelingt es nicht, den sozialen Ausgleich — auch über Umverteilung von Arbeit und Kapital — herzustellen, ist in Zukunft mit wachsenden Spannungen und auch politischen Verwerfungen zu rechnen.

Energiesicherheit als Zukunftsaufgabe
Eine weitere zentrale Zukunftsaufgabe ist die Energie. Ich bin froh, in Österreich als einem Staat zu leben, der die Entscheidung getroffen hat, auf die Produktion von Atomstrom zu verzichten. (Daß er ihn importiert, steht auf einem anderen Blatt.) Auch wenn die geschichtsträchtige Entscheidung gegen die Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf meiner Ansicht nach nicht allein aus ökologischer Einsicht erfolgte — handfeste parteipolitische Interessen sollten in diesem Zusammenhang nicht unterschätzt werden —, und man heute immer wieder zu hören bekommt, daß die Option der Atomenergie gerade auch im Hinblick auf den Faktor Klimaschutz weiter ausgebaut werden muß, so ist sie doch in keinem Fall verantwortbar. Man kann sie nicht verantworten, wenn man weiß, welche Zeiträume damit tatsächlich ãkolonialisiertÒ werden. Nachkommende Generationen haben die Bürde unseres unstillbaren Energiehungers zu tragen und werden uns für unsere Maßlosigkeit, so darf angenommen werden, auch verfluchen. Auch hier gilt es also umzusteuern. Es gibt tatsächlich andere Technologien, und vor allem auch die Herausforderung, weniger Ressourcen zu verbrauchen. Die Alternative sehe ich im Wesentlichen in der Solarenergie. Diese Option ist machbar, auch wenn sie bedeutet, daß unsere Wirtschaft nicht in dem Maße wachsen wird, wie bisher.

Gefahren in der Zukunft
Der Begriff ãGefahrÒ ist ein schwieriger, geht es doch dabei maßgeblich auch um die Reichweite. Gefährlich kann für den Einzelnen die tägliche Fahrt mit dem Auto, ja der Fußweg zur Arbeit sein. Tatsächlich gefährlich — im Sinne der Möglichkeit weltweiter Turbulenzen von unabsehbarem Ausmaß — ist aber wohl die permanente Krise im Nahen Osten, weit gefährlicher, meines Erachtens, als die auch mit politischem Kalkül inszenierte Bedrohung durch weltweiten Terrorismus. Im Zentrum nachhaltiger, zukunftsorientierter Entwicklung sollte demnach nicht die Frage der äußeren, strategisch-militärischen, sondern die der inneren Sicherheit stehen. Um sie zu gewährleisten und zu festigen, müssen vor allem die Instrumente der Solidarität und des sozialen Ausgleichs kultiviert werden. In der jüngsten Vergangenheit haben wir erlebt, wie das duale Weltsystem — Kommunismus versus Kapitalismus — von der Weltbühne vertrieben wurde. Für viele war es ein Triumph, für manche gar das ãEnde der GeschichteÒ. Heute aber machen wir mehr und mehr die Erfahrung — und sie wird von immer mehr Menschen geteilt —, daß das, was davon übrig blieb, kein erfolgversprechendes Modell für die langfristige Zukunftsgestaltung ist. Zu fragen ist also danach, wie ein global tragfähiges Modell für die Zukunft gestaltet werden kann. Einem ³Immer mehr für Wenigeã und ³Immer weniger für Vieleã muß ein System des Ausgleichs und der Umverteilung entgegengesetzt werden. Und dafür haben wir, wie es aussieht, nicht allzu viel Zeit. Wie aber kann umgesteuert werden? Theoretische Ansätze und auch praktische Erfahrungen in dieser Richtung gibt es einige. Aber nicht minder wirksam ist die Erfahrung, daß diejenigen, die etwas haben, zu Recht etwas haben, sich so schwer damit tun, davon abzugeben. Ein aktuelles Beispiel — erlauben Sie mir, das aus der Außenperspektive zu sagen, aber wir haben allenthalben die gleichen Probleme — ist die Forderung der IG-Metall nach einem Plus von 6,5% an Lohn, verbunden mit dem arithmetisch unterfütterten Argument: ãDas steht uns zu.Ò Auf der anderen Seite stehen (alleine in Deutschland) 4 Millionen Arbeitslose. Die (Arbeit) Besitzenden blenden also die Habenichtse einfach aus, und das ist auch im globalen Kontext nicht anders: Wir leben in einer Welt, in der 20% der Menschen etwa 80% aller Ressourcen verbrauchen und die Reichen auf Kosten der Armen immer mehr zulegen. Wir müssen also lernen, anders und besser miteinander umzugehen, nicht aus Barmherzigkeit, sondern schlichtweg in eigenem Interesse. Wenn wir nicht teilen — in großem Maße umzuverteilen und in größeren Zusammenhängen zu denken — dann werden diejenigen zu uns kommen, denen wir ein menschenwürdiges Leben vorenthalten. Sie werden an unsere Türe klopfenÉ

Umverteilung der Ressourcen
Was werden wir besser verteilen müssen? Allem voran unsere Überschüsse — beispielsweise auch der hoch subventionierten Landwirtschaft —, aber nicht weniger die zur Neige gehenden Vorräte wie das Erdöl, das, wie seriöse Prognosen vermuten lassen, nur noch etwa 40 Jahre sprudeln und unsere Konjunktur antreiben wird. Natürlich gibt es immer wieder Leute, die sagen: ãAh, wir finden da schon noch was! Da gibt es ja noch die Antarktis oder andere unentdeckte LagerstättenÒ, und andere Spekulanten und Phantasten werden gar auf die Energiezufuhr von fernen Planeten oder Galaxien setzen. Dem technologischen Erfindungsreichtum, so hoffen sie, sind keine Grenzen gesetzt. Was aber, wenn wir fortfahren, uns die Erde wie bisher zu unterwerfen? Sehr wahrscheinlich graben wir uns damit — und weit schneller als uns lieb ist — im wortwörtlichen Sinn das Wasser ab, das Naß, aus dem das Leben ist, und für das — so viel ist absehbar — in diesem Jahrhundert erbitterte Kämpfe geführt werden. Es geht in Zukunft also um intelligente Technologien, um möglichst regional ausgerichtete Wirtschaftskreisläufe auf niedrigem Energieniveau — und vor allem auch um eine andere Form der mentalen und emotionalen Weltaneignung.

Der ãneue MenschÒ
Natürlich kann die Nanotechnologie bei Computerchips das Tausendfache an Speicherkapazität in einem Tausendstel an Größenordnung unterbringen. Wunderbar. Aber das allein wird nicht die Lösung sein. So wichtig Daten und Fakten und deren Anwendung für unsere Wissensgesellschaft auch sein mögen: Die entscheidende Frage ist damit nicht geklärt. Sie heißt schlicht: Wie schaffen wir es, ein Stück weit anders zu leben? Wir leben ja nach wie vor in einer Art ãSteinzeitmentalitätÒ, ausgestattet mit Grundstrukturen, die auf Beuteverhalten, auf archaisches Jägerverhalten ausgerichtet sind. Immer haben wir Angst, zu kurz zu kommen. Das, was wir haben, wollen wir mit aller Gewalt sichern und schauen uns fortwährend um, wo wir noch mehr bekommen können. Ob wir diese Fessel der Evolution tatsächlich sprengen können, ist die entscheidende — und eine offene Frage. Dazu noch ein aktuelles Beispiel: Dieser Tage wurde in den Medien berichtet, daß der Waldbestand in Russland nur noch zu einem Viertel intakt ist. Wer trägt im Wesentlichen an dieser dramatischen Entwicklung Schuld? Überholte, schrottreife Industrieanlagen, lecke Ölleitungen? Gewiss auch, aber nicht vorrangig. Hauptverantwortlich dafür sind Staaten wie Österreich, Deutschland oder die Niederlande, die reichen Staaten der EU also, die in großen Mengen qualitativ hochwertiges Holz aus den Tundragebieten importieren. (Es hat eine bessere Qualität als das aus Schweden und Finnland und ist zugleich viel billiger.) Wir haben die Zerstörung der Lebensräume in den ãarmen LändernÒ mit zu verantworten, sind verantwortlich dafür, daß täglich Arten sterben und die (ökologischen) Voraussetzungen für eine gesicherte Zukunft in Vielfalt permanent geschmälert werden.

Alternativen zu einer Ökodiktatur
Kann der Bewusstseinswandel gelingen? Vermutlich werden es immer nur kleine, scheinbar wirkungslose Schritte in die hoffentlich richtige Richtung sein, die uns voranbringen. Das mag enttäuschend sein (und enttäuscht klingen), ist aber auch eine, vielleicht sogar die einzig Chance. Ich könnte, aber ich möchte mir die Alternative einer Ökodiktatur nicht vorstellen, in der uns jemand verkündet: ãMehr darf es nicht sein! Wir haben uns einzuschränken, um die Zukunft der Volksgemeinschaft zu sichern!Ò Sätze wie diese erinnern an den Horror des Nationalsozialismus: Alles für ein ãVolk ohne Raum [oder Ressourcen]Ò! Auch in diese Richtung könnte es laufenÉ Zu den kleinen Gehversuchen in die richtige Richtung gehört die Erfahrung, daß ãWenigerÒ auch ãMehrÒ sein kann. Weniger Erwerbseinkommen für ein Mehr an frei verfügbarer Zeit; weniger Streß und mehr Muße; kürzere Wege und mehr Erholung — so könnte der Weg aussehen, auf den wir uns alle einlassen könnten. Im Grunde ist das ein Leben in Bescheidenheit, wie er für viele Kulturen über Jahrtausende selbstverständlich — und beglückend war. Die glücklichen Augen derjenigen, denen wir in fremden Kulturen nachspüren und die wir mit unserer Neugier und Sehnsucht zugleich bedrohen, erzählen davon mehr als viele Worte. Damit ist kein Sozialromantizismus im Sinne der ãglücklichen ArmenÒ in weiten Teilen der Welt gemeint. Es geht vielmehr um solidarisches Handeln, und das bedeutet vor allem ein Abgeben derjenigen, die (zu viel) haben.

Viele kleine Schritte
Warum also, bin ich, persönlich betrachtet, (noch?) nicht bereit oder (noch?) nicht in der Lage, weniger zu arbeiten, anders zu leben? In unserem Institut, wo meine beiden Kollegen jeweils teilzeitbeschäftigt sind, während ich als einziger ãtraditionellÒ für 40 Stunden die Woche bezahlt werde, führen wir darüber immer wieder Gespräche. Ist es die Angst vor Veränderung? Die gewiß auch richtige Erkenntnis, daß Verzicht im Einzelfall dem Betrieb oder einem anderen nicht zu Gute kommt? Ist es die Befürchtung, die neue Balance nicht zu finden oder gar in die Armutsfalle zu schlittern? Ist es die Sorge zu vereinsamen und keinen weiteren Sinn im Leben zu sehen? Es gibt doch so viele Bereiche, wo es im eigentlichen Wortsinn not-wendig wäre, sich einzubringen, Zuneigung, Teilhabe, Zuhören denen zu geben, die darauf warten. Bürgerarbeit könnte ein wertvoller Beitrag zur Entwicklung der Kommune sein. Die Möglichkeiten, kleine Schritte in die richtige Richtung zu tun, sind unbegrenzt. Überwiegend sind es Frauen, die diese gesellschaftlich unentbehrliche Tätigkeit meist unentgeltlich, oft schlecht bezahlt leisten. Es sind daher in erster Linie die Männer gefordert, ein Stück weit von ihnen zu lernen, etwas abzugeben (auch von ihrem sozialen Status) und das Andere, das Neue zu wagen. An der Umsetzung dieses Ziels selbst zu arbeiten, es vor allem aber auch zu einem gesamtgesellschaftlichen Projekt zu machen — auch das ist ein Zukunftsprojekt, eine Etappe auf dem Weg zu dem, was der große Psychotherapeut Viktor E. Frankl ãsinnvolles LebenÒ genannt hat und das ich ãgutes LebenÒ nennen möchte.

Ein ãgutes LebenÒ
Der Begriff des ãguten LebensÒ verweist auf eine ethische Dimension. Für viele ist er wohl eine überholte Kategorie, ein platter Begriff, eine Verkitschung. Dabei ist es doch ein zentrales Anliegen! Es funktioniert nur, wenn wir versuchen, es zu leben. Ein konkretes Beispiel: Die ãSalzburger NachrichtenÒ haben Jugendliche eingeladen, ihre Wünsche und Anliegen, die sie verwirklichen wollen für einen Wettbewerb der besonderen Art zu beschreiben. Das ungewöhnlichste, spannendste, beste Projekt — wer möchte das entscheiden — soll ausgewählt und auch umgesetzt werden. Dafür gibt es einen nicht unbedeutenden finanziellen Betrag als Preisgeld. Da hat sich nun z. B. eine Schülerin gewünscht, nach Nepal zu reisen und dabei weite Strecken zu Fuß zurückzulegen, um Kindern Schulbücher zu bringen. Was mich daran fasziniert, ist das Wissen und die Bereitschaft durch das Gehen einen neuen Erfahrungshorizont zu erschließen und damit zugleich anderen Menschen zu helfen, sich in der Welt ein wenig besser zurechtzufinden. Das nenne ich ein Beispiel ãguten LebensÒ, einfach, überzeugend, realistisch und umsetzbar. Projekt wie diese sollten wir nach Kräften unterstützen und Wirklichkeit werden lassen.

ãKatalog der HoffnungÒ
Die Sicht der Dinge ist ja nicht zuletzt eine Mentalitätsfrage. Ist das Glas, das die Welt bedeutet, halb leer oder halb voll? So mancher hat mit guten Gründen und plausiblen Argumenten dargelegt, daß die Welt, salopp formuliert, ãden Bach runtergehtÒ. Da sei nichts mehr zu machen, heißt es immer wieder. Oder: ãEs dauert auch nicht mehr lange bis alles zusammenkracht, und deswegen lohnt es nicht mehr, groß was zu tun.Ò Da plädiere ich einmal mehr für den Weg in die andere Richtung. Dabei gilt es wohl auch, gegen den Strom zu schwimmen, um zu neuen Ufern zu gelangen. So wichtig die warnenden, kritischen Stimmen auch sind — was wir vielleicht noch dringender brauchen, sind die guten Nachrichten, Beispiele alternativer Lebensgestaltung. Auch in dieser Hinsicht hat Robert Jungk Pionierarbeit geleistet. Bereits in den fünfziger Jahren hat er in den USA ein ãGood-News-BulletinÒ herausgebracht. Es legte den Schwerpunkt auf positive, praktizierte Projekte, die für gewöhnlich eben nicht bekannt werden, weil die Flut der negativen Schlagzeilen und der belanglos oberflächlichen Meldungen sie überdecken, und erschien für etwa zwei Jahre. In derselben Absicht veröffentlichten wir 1992 unseren ãKatalog der HoffnungÒ. Er enthält 51 konkrete Projektbeschreibungen, 51 ãModelle für die ZukunftÒ. Hinter der Zahl steckt keine mystische oder kryptische Zahlensymbolik. Der Verleger stellte uns nur so und soviel Seiten zur Verfügung, und mehr als 51 Projekte paßten einfach nicht zwischen die Buchrücken. Von trauriger Brisanz und Aktualität: In dieser Sammlung findet sich auch die Darstellung des Projekts Newe Shalom / Wahat al Salam, einer Siedlung in Israel, in der Juden und Palästinenser seit Jahren trotz widriger Umstände standhaft daran festhalten und der Welt zeigen, daß ein friedliches Zusammenleben der beiden Völker möglich ist.

Die Rolle der Demoskopie
Ich habe den Eindruck, daß vieles, was von Meinungsforschungsinstituten eruiert und publiziert wird, im Interesse wirtschaftlicher oder politischer Akteure geschieht — also interessengeleitet. Wenn ich z.B. wissen möchte, wer am liebsten mit welchem Auto fährt, wer welches Waschmittel, welche Schokolade oder was auch immer konsumiert, dann heißt das doch nur, daß die Auftraggeber danach trachten, in einem weitgehend gesättigten Markt weitere Nischen ausfindig zu machen und auszufüllen. Genau das aber ist die Fortschreibung des status quo, der, wie ich meine, nicht tragfähig ist. Auf der anderen Seite werden konkrete Anliegen von Bürger/innen viel zu wenig eruiert. So haben sie eben nicht die Möglichkeit, sich persönlich einzubringen. Warum es geht, und hier zitiere ich nochmals sinngemäß unseren Mentor Robert Jungk, ist die ãErtüchtigungÒ zur aktiven Teilhabe an der Demokratie. Aber gerade das passiert ja durch eine Meinungsumfrage nicht! Wie also können Menschen an der Gestaltung der Zukunft so beteiligt werden, daß sie erfahren: hoppla, ich kann ja tatsächlich mit meinen Qualitäten, mit meinen Wünschen und Vorstellungen etwas bewegen? In Sachen Befähigung zu zivilgesell-schaftlichem, bürgerschaftlichem Engagement auf breiter Basis stehen wir wohl erst am Anfang. Auch hier gibt es noch viel zu lernen.

Planungszellen
Dazu brauchen wir natürlich auch mehr Wissen über Risken und Chancen, dazu brauchen wir gewiss auch neue Technologien (vor allem im Bereich der Telekommunikation), die beherrscht und in politischen Zusammenhängen auch genutzt sein wollen. Vor allem aber brauchen wir entsprechende Strukturen und Räume, die den Menschen die Möglichkeit bieten, einander zu begegnen und sich auszutauschen. Will man einander verstehen und mit einander etwas gestalten, so muß man sich doch vor allen Dingen in die Augen schauen, ãeinander auch riechen könnenÒ. Da ist die persönliche Begegnung doch das um und auf. Und dazu bedarf es wiederum der Zeit, in der die Dinge reifen können. Ausreichend Zeit für soziales und zivilgesellschaftliches Engagement aber haben die Menschen nur dann, wenn sie aus anderen Prozessen, Arbeitsprozessen vor allem, freigestellt sind. Dies zu ermöglichen ist vor allem eine Aufgabe der Politik. (Die Diskussion über die Einführung eines Basiseinkommens für alle weist in diese Richtung und verdient breite Resonanz.) Es gibt verschiedene, in unterschiedlichen Zusammenhängen bewährte Modelle, die die Idee bürgerschaftlicher Mitbestimmung mit Erfolg vorantreiben. Dazu zählt nicht nur die Methode ãZukunftswerkstattÒ, sondern auch das Modell der ãPlanungszelleÒ, das von dem in Wuppertal tätigen Soziologen Peter Dienel entwickelt wurde: BürgerInnen werden dabei in einem selektiven, zufallsgeleiteten Verfahren (mehr oder weniger aus dem Telefonbuch) nach bestimmten Kriterien (Geschlecht, Beruf usf.) im Sinne des Bevölkerungsquerschnitts ausgewählt und von ihren beruflichen Alltagsverpflichtungen karenziert, um als Repräsentanten der Bevölkerung über ein Thema von gesamtgesellschaftlicher Beutung zu beratschlagen und zu entscheiden. Dabei kann es etwa um die Neukonzeption des städtischen Nahverkehrs oder die Planung einer Autobahnroute gehen. Mit von der Partie sind dabei jeweils auch Fachleute, die Hintergrundinformationen liefern oder juristische Zusammenhänge erläutern. Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe anderer Methoden und Verfahren, die in der sozialen Zukunftsforschung praktiziert werden. Mit der Methode ãZukunftskonferenzÒ etwa können Gruppen von 80 und mehr Personen erfolgreich arbeiten. Diese und andere Methoden haben jeweils ihre Stärken und Grenzen. Auf ihre Art vermögen sie so manches zu bewegen, und sind — auch das muß gesagt sein — doch allesamt keine Wundermittel.

Mitbestimmung als Zukunftsvision
Ich würde mir wünschen, daß Prozesse der aktiven Mitbestimmung auch in betrieblichen Zusammenhängen verstärkt vorkämen, vor allem in größeren Firmen und Industriekomplexen, gerade auch als Gegengewicht zu Entwicklungen im Kontext der wirtschaftlichen Globalisierung. Was wollen wir arbeiten? Stehen wir ein für die Produkte, die wir erzeugen? Sind sie umweltfreundlich, gesellschaftlich wertvoll? Oder reicht es aus, zu wissen, daß ich zu Monatsende — sofern nicht vorher ãfreigesetztÒ — die Summe X auf meinem Konto erwarten darf? Infolge eines Katalogs von Fragen wie diesen haben sich — ein weiteres konkretes Beispiel — die Mitarbeiter der britischen Rüstungsfirma ãLucas Aero SpaceÒ in den siebziger Jahren geweigert, auch weiterhin Rüstungsgüter zu produzieren. ãDas ist es doch wirklich nicht, was die Gesellschaft brauchtÒ, argumentierten sie und haben auf die Produktion sozialverträglicher Güter umgestellt, etwa Fortbewegungsmittel für Behinderte, innovative Transportsysteme und anderes mehr. Das lief einige Zeit ganz gut, bis dem Projekt etwa zu Mitte der Magret-Thatcher-Ära der Hahn abgedreht wurde. Natürlich wäre es primär die Aufgabe der Politik, solche Projekte zu initiieren, anstatt sich der Willkür des angeblich ãfreien MarktesÒ so vorbehaltlos hinzugeben und zugleich darauf zu bauen, in Funktion und Positionen bestätigt zu werden.

Ist Zukunft vorhersagbar?
Ich glaube das nicht. Zukunft aber ist in dem Maße gestaltbar, in dem Menschen die Möglichkeit haben, sich einzubringen. Soziologische Eckdaten, demographische Tendenzen, auch technologische Entwicklungen im Sinne des Fortschreibens von Trends verweisen zwar auf Entwicklungstendenzen, die Zukunft aber sagen sie nicht voraus. Soweit mir bekannt ist, hat niemand im Bereich der Zukunftsforschung 1989 den Fall der Berliner Mauer, den Kollaps des Realen Sozialismus vorhergesagt. Man denke auch an die Prognosen von Herman Kahn, einer der Gründungsväter der modernen Zukunftsforschung. Kahn hatte für die Jahrtausendwende, jene Jahre also, in denen wir leben, kaum weniger als paradiesische Zustände vorhergesagt. Was für ein Irrtum, auch wenn es uns tatsächlich in vieler Hinsicht besser als jemals zuvor geht! Oder denken wir an teils stark von einander abweichende Vorhersagen der demographischen Entwicklung. Die Weltbevölkerung kann sich in den nächsten fünfzig Jahren bei 12 Milliarden einpendeln oder auf 15 Milliarden und mehr ansteigen, aber auch Schätzungen zwischen 10-12 Milliarden klingen recht plausibel. Wie sind diese widersprüchlichen Aussagen zu erklären? Die Entwicklung hängt jeweils und vor allem davon ab, was wir wollen, was wir tun oder lassen, wohin wir steuern. In vielerlei Hinsicht haben wir die Wahl und können entscheiden. Getriebene sind wir hingegen dann, wenn wir andere für uns entscheiden lassen und uns nicht aktiv beteiligen an der Gestaltung der Zukunft. Es liegt an uns, ob wir mitsteuern oder nur passiv im Schlepptau hängen! Demoskopia — eine Baustelle für die Zukunft Mit welchen Menschen erarbeitet man die Zukunft? Eine spannende Frage! Vor allem mit unkonventionellen, würde ich meinen. Was wir brauchen, sind Kreuz- und Querdenker, Unruhestifter, Phantasten ebenso wie Menschen — Frauen und Männer —,die Übersicht, Ausdauer und Geduld in hohem Maß aufbringen, denn wir brauchen auch jene, die bereit und in der Lage sind, ãdie ganz dicken Bretter zu bohrenÒ. Demoskopia könnte eine solche Baustelle der Zukunft sein. An ihr müßten viele Begabungen und Talente zusammenwirken.

An welchem Ort?
Demoskopia bräuchten wir an vielen Orten. In allen größeren Städten und Kommunen sollte es Einrichtungen geben, die sich dem Thema Zukunft widmen. Dabei denke ich über das, was wir in Salzburg zu leisten vermögen, weit hinaus. Solche Zukunftsinstitute sollten nicht jeweils nur für sich arbeiten, sondern mit einander vernetzt sein und intensiv miteinander kooperieren. Es sollten auch nicht nur Bibliotheken sein, an denen Zukunftswissen archiviert wird, sondern Orte und Räume, wo Menschen einander regelmäßig begegnen und sich austauschen können. Diese Orte sollten auch dafür ausgestattet sein, Zukunftswerkstätten, Zukunftskonferenzen, Planungszellen u. a. partizipative Modelle zu beherbergen. Ferner sollte es permanent einen intensiven Austausch mit der Politik geben. EntscheidungsträgerInnen aus allen Bereichen sollten nicht nur gern hinzukommen, um zu reden, sondern auch hingehen, um zuzuhören und zu erfahren, was BürgerInnen über ihre Pläne und ihre Entscheidungen denken. An diesen ãOrten der ZukunftÒ, wie ich sie sehe, würde öffentlich debattiert, zuweilen wohl auch gestritten, vor allem aber danach getrachtet werden, Entscheidungen für ein ãgutes LebenÒ im Sinne der ãpolisÒ zu fällen.

Das Zukunftsstadion
Ich stelle mir das Olympiastadion in München (es steht exemplarisch für jedes andere vergleichbare Oval) als eine riesige Zukunftsarena vor. Die Leute sitzen da aber nicht nur passiv herum, sondern beteiligen sich von ihren Rängen aus durch Voten, auf grünem Rasen am Planen und konkreten Gestalten. Sie ãwerkenÒ gemeinsam an Zukunftsentwürfen für ihre Stadt, ihre Region, den Kontinent, entwickeln Modelle für eine solidarische ãEine Welt und werden dabei von erfahrenen ModeratorInnen (oder auch MediatorInnen, wennâs mal zu kontroversiell wird) unterstützt. Die Vorschläge werden in Realzeit weitergegeben und der gesamten Bürgerschaft zur Beurteilung vorgestellt, um dann in einer anderen Runde weiter vertieft und konkretisiert zu werden.

ãDemoskopiaÒ als Stadt
Demoskopia sehe ich, wie gesagt, an vielen Orten. Doch ist es auch reizvoll, sich das Modell einer vorausschauenden, gemeinsam planenden Bürgerschaft in einer konkreten Stadt vorzustellen. Dann aber bitte ohne Wohnrecht auf Lebenszeit! Es müßte ein Kommen und Gehen sein, ein Austausch über Kontinente hinweg, mit immer neuen Menschen; ständige Bewegung, nicht Festsetzen und Festsitzen! Wie aber müßte diese Stadt aussehen, um Menschen Lust auf Zukunft zu machen? Sie müßte vor allem veränderbar, zukunftsoffen sein. Ich will dies anhand eines weiteren kleinen Beispiels — diesmal in eigener Sache — verdeutlichen: Als vor gut einem Jahr dem Platz, der hier vor unserer Haustüre liegt, der Name Robert Jungks gegeben wurde, gab es Einwände von Skeptikern wie von Freunden unseres Instituts. Man könne doch nicht, so argumentierten sie, Robert Jungk einen von Autos vollgestellten Platz inmitten der Stadt zueignen; passend sei weit eher ein Biotop an ruhigem Ort, hieß es. Doch Peter Stephan Jungk, der aus Paris zur offiziellen Eröffnung des ãRobert-Jungk-PlatzesÒ angereiste Sohn unseres Mentors, meinte dazu: ãWissen Sie, mein Vater hätte sich keinen besserenPlatz wünschen können als diesen hier. Er liegt im Zentrum Salzburgs und ist vor allem veränderbar. Das ist die Option für die Zukunft.Ò Gleiches gilt für unser Projekt und das Modell Demoskopia: Warum nicht vielerorts permanent geöffnete ãHäuser der ZukunftÒ mit einem Nebeneinander von gemütlichen CafŽs (selbstverständlich auch solchen mit Zugriffsmöglichkeiten auf das ãWord Wide WebÒ), Räumen für Forschung und Diskurs, Künstlerisches und Kulinarisches? Demoskopia sollte zudem eine Klagemauer, eine Art öffentlichen Beschwerdebriefkasten (durchaus auch virtuell) besitzen. Jede/r könnte da kundtun, was sie oder ihn belastet: persönliche Nöte deponieren, ebenso wie Fragen oder auch Anregungen zu aktuellen lokalen, regionalen oder globalen Themen. Es wäre selbstverständlich geübte Bürgerpflicht bzw. —tugend, darüber zu reden, einander zu helfen. Auch Wunsch- oder Phantasiebäume würden in Demoskopia wachsen, Ideen, gewissermaßen an Luftballons festgemacht, um (nicht nur) symbolisch auch weiter getragen zu werden. In ãZukunftswerkstättenÒ verwenden wir diese Metapher, um die Teilnehmenden zu ermuntern, die Schwere der Realität hinter sich zu lassen, zu fremden Sternen aufzubrechen, um zurückkehrend den eigenen Planeten mit neuen Augen zu sehenÉ

Das Sabbatjahr in Demoskopia
In der Stadt Demoskopia gäbe es für alle ein Sabbatjahr, nicht als Möglichkeit, sondern als Verpflichtung. Die Maxime der Übung: Reiß dich heraus aus dem Alltagstrott, setz dich in einen Zug, fahr irgendwohin und schau dir die Welt ãvon der anderen SeiteÒ an! Die Menschen müssen einfach einmal weg, Neues sehen, erleben, erfahren, um anderes denken und in der Folge auch tun zu können. ãAngenommen, man gäbe dir drei Monate Zeit; du bekommst alles, was du brauchst, um an den Ort deiner Wahl zu gelangen und dort zu tun, was immer du willst. Was würdest du tun?Ò Angebote dieser Art sollte man ernst nehmen, denn sie helfen, unsere Lebensqualität individuell und gesamtgesellschaftlich zu verändern und zu verbessern.

Demoskopia als eine Art delphisches Orakel?
Wenn ich Delphi richtig interpretiere, dann ging es dabei doch um eine sehr persönliche Art der Begegnung und des Umgangs mit Zukunft. Irgendein Berufener oder vom Schicksal unfreiwillig in eine Situation des profunden Zweifels Gestoßener pilgerte nach Delphi und erhoffte sich eine Antwort auf seine Frage, die Lösung einer Krise. Tückischerweise war diese Botschaft dann derart verschlüsselt, daß sie nicht verstanden werden konnte, auf Irrwege, zu schuldlos schuldiger Verstrickung und nur selten zu einem guten, versöhnlichen Ende führte. Was ich dagegensetze und zu zeichnen versucht habe, ist ein anderes Bild: ein Ort oder Orte, wo viele Menschen zusammenkommen, um ihre Sorgen, Visionen und Erwartungen zu einem gemeinsamen Anliegen zu formen. Das ist natürlich ein Vision, die getragen ist von der Überzeugung der Machbarkeit. Sie hält daran fest, daß wir [die] Zukunft gemeinsam gestalten, daß unsere Wünsche nach und nach Wirklichkeit werden (können). Schließlich gab es doch auch in Goethes ãIphigenie auf TaurisÒ durch die Delphische Orakelweisung ein Happy End, oder?

 

(Im Gespräch mit Barbara Aigmüller und Clemens Zerling in Salzburg, am 4. April 2002)

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