Stadtimkerei finger 2010 / Honig von der Pumpstation
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Honig von der Pumpstation

Als Beitrag zur RUHR 2010 - Kulturhauptstadt Europas und des Ausstellungsprojekts "B1| A40 DIE SCHÖNHEIT DER GROSSEN STRASSE" des Kurators Markus Ambach hat die Stadtimkerei finger einen neuen Bienenstand im Autobahnkreuz Kaiserberg eröffnet.

Bienenkorb im Autobahnkreuz Kaisberg

Ausstellungstext von → www.b1a40.de

Wo im Kreuz Kaiserberg täglich 140.000 Fahrzeuge vorbeirauschen, hat sich in den Flutungsbecken der Pumpstation unbemerkt ein Biotop aus Wasserlilien, Röhricht und Rohrkolben gebildet. Die Vergessenheit des Ortes, der als Autobahninfrastruktur die von ihr abfließenden, verschmutzten Regenwässer sammelt, um sie ins Abwassernetz der Stadt zurückzupumpen, bietet Schuür diese ungewollte wie erstaunlich ästhetische Entwicklung.

Die Pumpstation ist damit in gewisser Weise ein Nukleus des Stadtraums entlang der großen Straße, der zeigt, wie sich autoproduktiv allein aus den widersprüchlichen Strukturen und scharf kontrastierten, oft ungewollten Nachbarschaften der Orte erstaunliche Landschaften ergeben. Sie sind in Form und Vielfalt von einer erschreckenden Schönheit, die sich zwischen den zörerischen Begleiterscheinungen menschlichen Handelns und dem unendlichen Einfallsreichtum der Natur konzipiert üuml; die Künstlergruppe Finger aus Frankfurt diesen sublimen Ort für die Produktion eines sublimen Produkts auswählte, liegt nahe. Der im Sozialmagen der Bienen entstehende Honig verwandelt sich bekanntlich durch nur wenige Eingriffe des Imkers in ein golden fließendes Genussmittel höchster Reinheit. Die merkwürdige Divergenz von Verdauung und Reinheit hat die Menschen seit jeher fasziniert und dem Honig in der Nahrungsmittelkette stets eine Sonderstellung eingeräumt.

Dass Finger ausgerechnet den Autobahnknoten als Standort für ihr städtisches Bienenlabor wählt, hat noch weitere Gründe. Die Gruppe, die sich seit längerem mit sozio-ökonomischen Strukturen im städtischen Kontext beschäftigt und dabei oft alternative Lebens- und Überlebensformen fokussiert, sah sich eines Tages erneut mit den Fragen des eigenen wirtschaftlicÜberlebens konfrontiert. Da die Distribution von Kunst im knallharten Vergleich mit anderen Wegen des Broterwerbs nicht mithalten konnte, transformierten Andreas Wolf und Florian Haas, die beide ein ausgeprägtes Interesse am Imkern hatten, ihren künstlerischen Projektraum vor einigen Jahren flugs in die "Stadtimkerei". Seitdem produzieren sie städtischen Honig, der gegenüber vergleichbaren Landprodukten geschmacklich äußerst komplex daher kommt, da die städtische Balkonlandschaft inzwischen eine skurrile Form des Artenreservoirs mit einer wesentlich komplexeren Flora aufweist als die Monokulturen der Landwirte. Das städtische Bioprodukt ernährt seitdem auch die beiden Imker mit Bienenstandorten an städtischen Verkehrsadern oder dem Museum für Moderne Kunst in Frankfurt.

Autobahnhonig

Natürlich bleibt bei dieser Tätigkeit das künstlerische Interesse nicht auf der Strecke. Der "Honig von der Pumpstation" mitten im Autobahnkreuz Kaiserberg dient gleichzeitig als Forschungsmaterial der Künstler. Denn aus der Honiganalyse, die die beiden vornehmen ließen, lässt sich ein minutiös genaues Bild der Flora im Flugumkreis der hier 500.000 fleißigen Helfer von Finger erstellen. Die Tracht, die den Bienen in ihrem weiten Bewegungsradius von bis zu fünf Kilometern zur Verfügung steht, zeichnet sich durch eine unglaubliche Artenvielfalt aus. Von Majoran bis Honigtau erweist sich das Autobahnkreuz als Sortenreservoir der besonderen Art. Dies soll kein Plädoyer für den Bau neuer Großtangenten sein, wohl aber ein Statement für eine Entwicklungsfähigkeit dieser einzigartigen Kulturlandschaft im Schatten der Autobahn als biokultureller Spezialraum, den es nicht zu reproduzieren, wohl aber zu schützen gilt. Das hier in Kooperation mit der Imkerei Franz Schwanbeck eingetragene Produkt referiert auch auf die ungewöhnlich stark der natürlichen Umwelt zugewandte Produktion im Kreuz Kaiserberg und reiht sich so subtil in die Phalanx lokaler Produktionen von Delikatfisch Braun, Bauer Everts oder der sich selbst versorgenden Farm von Frau Höffler ein. Die Künstler verhelfen damit der hartnäckigen Widerständigkeit der Bewohner, die in einer Art Selbstverteidigung gerade an diesem Ort ihre Naturnähe behaupten, zu einer neuen Sichtbarkeit. Die Arbeit wird zum Kommunikator zwischen den Welten, wenn sie mit einem überdimensionalen beleuchteten Bienenkorb als weithin sichtbarem Zeichen dem unwissenden Autofahrer anzeigt, dass es hier unter den Fly-overs der Autobahn ein Leben jenseits der Schallschutzwand gibt, das ungeahnte Überraschungen birgt.

Längste Tafel der Welt 22. Juli 2010

Das für alle deutlich lesbare Zeichen des Bienenkorbs am Autobahnkreuz Kaiserberg, das seine Sprache aus der Terminologie der Straße bezieht (siehe temporäre Verkaufsstände in Erdbeerform, Bratwürste als Imbissbuden etc.), verweist auf ein Folgeprojekt hier im RRZ. Denn das in dem Korb angelegte Versprechen von der Pumpstation wird hier eingelöst: Finger hat in der künstlerischen Shopping-Mall auf einer Aktionsfläche zwischen den Ladenlokalen einen Verkaufsstand eingerichtet, der die süßen Träume aus dem Biotop am Autobahnkreuz Kaiserberg verkauft, vermittelt und erweitert. Die "Beebox Pumpstation" zeigt zum einen auf herkömmlichen Bienebeuten die grafische Umsetzung der Honiganalyse und deren faktische Ergebnisse. Andererseits setzt sie das lokale Produkt in einen globalen Vergleich: Beim mehrmals abgehaltenen Honigfrühstück hat der shoppende Passant die Möglichkeit einer Vergleichsöstigung des neuen A40-Honigs, des Honigs lokaler Imker aus derselben Gegend und eines globalen "Cuvée" aus internationalen, im RRZ erworbenen Honigen, die natürlich alles enthalten vom Naturprodukt bis zu genmanipulierten Ra Tatsache, dass selbst eine halbe Million Bienen dem Bedürfnis nach dem neuen Produkt kaum nachkommen konnten.

Das Projekt hat damit die soziopolitische Komponente autoproduktiver Strategien im Stadtraum nachhaltig unterstrichen. Wo sonst die Trockenheit der politischen Komponenten des künstlerischen Dialogs mit dem Stadtraum die ästhetischen Bedürfnisse der Menschen auf eine harte Probe stellt, findet Finger Wege, den Diskurs mit ungemein genussreichen kulinarischen wie auch ästhetischen Momenten zu versüßen. Zwischen Theorie und Praxis schlagen Bienen und Honig eine ästhetische Brücke zur Landschaft, in der die Projekte eine wunderbare Dichte komplexer Ereignisse anbieten, die sowohl ansprechen als auch zeigen, wie sich Diskurs und Leben genussreich verbinden lassen.

Bienenkasten auf der Pumpstation

Honig von der Pumpstation

Ausstellungstext von der Stadtimkerei finger

Hier direkt an der A 40, die durch die unbekannte Mitte des Ruhrgebiets führt und eine der meist befahrenen Autobahnen Deutschlands ist stand vom 12.06.10 - 08.08.10 auf dem Dach einer Pumpstation ein um ein vielfaches vergrößerten "Bienenkorb", der an die traditionelle Korbimkerei erinnerte. Die 4 Meter hohe Skulptur bestand aus einem Stahlgerüst um das gelbes Drainagerohr gewickelt wurde, wie es üblicherweise auf Baustellen Verwendung findet. Nachts leuchtete der Bienenkorb, so dass er als Landmarke bereits aus großer Entfernung und auch bei schnellem Vorbeifahren wahrgenommen werden konnte. In Kooperation mit dem Duisburger Imker Sven Schwanbeck, richtete finger neben dem Bienenkorb einen Bienenstand ein, der den Honig aus der Pumpstation erzeugte.

Mit einem Radius von maximal 10 Kilometern können die Bienen von hier aus ein Gebiet von bis zu 50 Quadratkilometern befliegen und tragen dabei Nektar und Pollen aus der Region in ihren Bienenstock ein. In Ballungsgebieten allerdings sind Sammelflüge dieser Distanz eher eine Seltenheit, da die Bienen bereits in einem Flugkreis von 2-3 Kilometern in der Regel ein vielfältiges und ausreichendes Nahrungsangebot vorfinden. Scheinbar paradoxer Weise finden sich somit heute oftmals die für die Bienen besseren Lebensbedingungen eher in den Städten und Ballungsräumen als in ländlichen Bereichen, die vielerorts von großflächig angelegten Monokulturen und industrieller Landwirtschaft geprägt sind.
Traditionell waren und sind Imker und mit ihnen ihre Kundschaft oftmals an Sortenhonigen interessiert, die sich dadurch erzeugen lassen, dass die Bienen von Wanderimkern zu der jeweiligen Blüte gebracht werden, von der Honig produziert werden soll. Imkereien dagegen, die fest im städtischen Raum angesiedelt sind, erzeugen einen Honig, der sich durch seine immense Vielfalt an unterschiedlichsten angeflogenen Blüten als lokalspezifische Delikatesse auszeichnet.

Um zu untersuchen und darzustellen wie sich die Vielfalt an Trachtpflanzen in dieser Region zusammensetzt und welche mengenmäßigen Anteile verschiedener Blüten dabei den Honig charakterisieren, wurde der auf der Pumpstation erzeugte Honig im Bieneninstitut Celle einer quantitativen und qualitativen Honiganalyse unterzogen. Einen ersten Eindruck des Ergebnisses vermittelte die grafische Umsetzung der Honiganalyse in der temporär angesiedelten "beebox-Pumpstation" im Rhein Ruhrzentrum Mühlheim. Die exakten Mengenverhältnis der unterschiedlichen angeflogenen Blüten werden hier sinnfällig gemacht in der jeder vorgefundenen Trachtpflanze ein unverwechselbares Blütensymbol zugeordnet wurde. Was auf den ersten Blick wie eine bunte Blütentapete aussah war eine exakte Statistik der Zusammensetzung des Honigs. So standen zum Beispiel 480 gelbe Rapsblüten einer bunten Vielfalt von Majoran, Erdbeere, Maiglöckchen, Glockenblume, Erika oder Efeu gegenüber, die mit nur wenigen Blütensymbolen vertreten sind.

Honigverkauf auf der Autobahn
(Längste Tafel der Welt)

Im Angebot waren 3 Honige:

•"Honig von der Pumpstation"
  Honig aus der Imkerei Sven Schwanbeck
  vom Dach der Pumpstation auf dem Autobahnkreuz Kaiserberg

•"Honig von der Pumpstation"
  Eine Mischung von Honigen lokaler Imker aus dem Flugkreis um
��das Autobahnkreuz Kaiserberg

•"Honig von der Pumpstation"
��Eine Mischung von - im Rhein-Ruhr-Zentrum erworbenen -
��Honigen aus aller Welt.

Ein Ziel dieser Honigpräsentation war es die Besucher des Einkaufzentrums über die Zusammensetzung, Qualität und gesundheitlichen Mehrwert der angebotenen Honige aufzuklären.
So wurde spätestens bei der Betrachtung der Honiganalyse des Cuvées: "Rhein-Ruhr-Zentrum" sichtbar, dass die Vielzahl der darin enthaltenen Trachtpflanzen und Honigspender vorwiegend aus Süd-, Mittelamerika und Südeuropa stammten was erhebliche Auswirkungen auf Geschmack und Qualität des Produkts hatte. Salopp gesagt war die Mischung, die der Zusammensetzung eines handelsüblichen Langnese Honig entsprechen könnte, einfach nur "babbig und süß". Zum Verzehr geeignet, entsprach unser Cuvée aber immer noch der deutschen Honigordnung.

Installation aus Bienenkästen im RRZ

Die für die Mischung verwendeten Honige wurden alle von der "Stadtimkerei finger" im Rhein Ruhr Zentrum erworben. Diese Mischung war auch Grundlage für die Preisgestaltung aller von uns angebotenen Honige. So ergab der Mittelwert aller im Rhein Ruhr Zentrum gekauften Honige genau den Preis von 3,30 Euro für ein 250 g Glas Honig.
Der Käufer konnte sich nun entscheiden ob er zum Einheitspreis von 3,30 Euro nicht doch lieber ein Glas Honig von der Pumpstation erwerben wollte, dessen Inhalt, wie aus der Honiganalyse hervorging aus der typischen ortspezifischen Flora des Autobahnkreuz stammte. Wobei die zu erwartenden Schadstoffe, wie eine von uns in Auftrag gegebene Analyse eines Honigs aus der Innenstadt von Hildesheim und die Untersuchungen des Bieneninstituts Oberursel an der Startbahn des Frankfurter Flughafens gezeigt haben in viel geringeren Maße vorgefunden wurden, als landläufig zu erwarten gewesen wäre. Für Cadmium und Blei lagen die Untersuchungswerte des Honigs aus Hildesheim unter der Nachweisgrenze. Alle untersuchten Honige wie auch der Honig von der Pumpstation entsprachen der strengen Verordnung des deutschen Imkerbunds.