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![]() 1995 we found 100 black and white photographs of an unknown soldier of world war II in Cologne in a small antique store. The prints also show touristic highlights of the European west: French cathedrals, Paris, Versailles, landscape views and villages of the east in Ukraine and Russia. The route went from Paris to Kiew and the soldier's view changed from that of a tourist to a conquistador's. What happend to those two girls in summer clothes standing knee-deep in the snow, smiling? The soldier noted "village beauties" on the back. Our shifting recognition makes us see a church, but where are the roof and the windows? The impression of an idyllic old hut is broken because of the soldier graves in front of it. You won't see any real cruelties, as other photographs of this period show, but the rememberance of the horrors of war. And the curiosity of one's individual viewpoint. Was this the "grand tour" of a whole generation? ![]() Zu Fotografien eines unbekannten Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg. Nachdem mich Christoph in den Laden in der Kölner Innenstadt gebracht hatte, wählte ich aus dem Konvolut von Fotografien aus dem 2. Weltkrieg 72 Stück aus. Diese Fotos rührten mich an, weil in ihnen sowohl eine gewisse Lust an der Erkundung fremder Länder, ein neugieriger Blick, als auch ein mit Galgenhumor ertragenes Leid lag. Nachdem unser gemeinsamer Besitz damit auf etwa 100 Fotos eines unbekannten Soldaten angewachsen war, ließ sich die West-Ost-"Reise" dieser einen Person in den Jahren1941/42 in Mitteleuropa etwas deutlicher rekonstruieren. Christoph hatte einige Tage zuvor 27 Fotografien ausgewählt, die er für Rußlandfotos hielt. Einige Ansichten von marschierenden Soldaten und Soldaten in der Kaserne stammten aber wohl aus Belgien bzw. Nordfrankreich stellten wir nun fest, wo die Kompanie zunächst eingesetzt worden war. Man sieht Männer in Zivil und mit etwa gleich großen Koffern in Reih und Glied aufmaschieren und antreten. Alle tragen einen Hut. Aus keinem der Fotos spricht Zerrissenheit über den Zustand und die Situation in der sie sich befinden. Der fotografische Blick ist eher ein touristischer und keinesfalls ein kriegsdokumentierender. Das Schloß von Chimay (Belgien), die Kathedralen von Soissons und Laon. Erst auf den zweiten Blick bricht die Normalität der Bilder. Praktisch nie sieht man Zivilisten. Alle Eingänge der Kathedrale in Laon sind zugemauert. In Soissons fehlen der Dachstuhl und Teile des Kirchenschiffes. Der Pariser Triumphbogen und dann Versailles. Uniformierte Wehrmachtssoldaten besichtigen den Spiegelsaal. Es scheint so als ob sie einer Führung lauschen. In der nationalsozialistischen Ideologie erlosch wohl in diesem Moment die Schmach des verlorenen Krieges von 1918 und des Versailler Vertrages von 1919. Hitler wird sich mit Genugtuung in seinem Sessel zurückgelehnt haben. Warum sich gerade die deutschen und französischen Machthaber des ausgehenden 19. und 20. Jahrhunderts auf diesen Raum so konzentrierten? Le Roi Soleil muß auch den "Führer des tausendjährigen Reiches" und seine Vasallen mächtig beeindruckt haben. Hier treffen sich die selektiven historischen mit den touristischen Anschauungen. Dann ging die Fahrt in den Osten. Mit der Eisenbahn über Namur, durch Deutschland-Heimatland. Der letzte mit Sicherheit auf der Landkarte zu bestimmende Ort liegt in bereits besetztem Land: Zamosc, an der heutigen Grenze zwischen Rußland und Polen. Man sieht einen leeren Marktplatz in einer Kleinstadt. Von da ab Landschaftsbilder, Dörfer, fast zufällig deutsche Soldatengräber vor einer russischen Bauernkate und schließlich Kiew. ![]() Diese Photos zeigen Bilder aus der Kriegszeit. Sie zeigen keine Kampfhandlungen. Man sieht zerstörte Häuser und eine zerstörte Brücke. Ein kaputtes Flugzeug. Tote Menschen und Tiere. Das sind die Effekte des Krieges. Die sichtbaren. Kann man etwas über die unsichtbaren Effekte sagen, etwas über diesen Photographen, der die Bilder festhielt, als er selbst in einer ungeheuren Bewegung steckte und diese mitausführte? Eine Kraftanstrengung, die für diese ganze Zerstörung verantwortlich war. Auch diese Bewegung hat er photographiert. Lastwagen auf einer schlammigen Rollbahn. An der Seite Pferdefuhrwerke. Das Land unbegrenzt. In den Dörfern Dächer aus Stroh. In der Stadt die Möbel auf der Straße. Frauen bilden ein Paar. Ich weiß nicht, ob sie Angst haben. Sie halten sich die Hand. Sie ließen sich von dem fremden Soldaten photographieren. Dieser notierte "Dorfschöne" auf der Rückseite des Photos. Ein Blick der Begierde. Es gibt sechs Schneebilder: Die Frauen bei der Schneeballschlacht. Viele Soldaten in einer Reihe mit fünf Schneemännern. Ein totes, von Füchsen angefressenes (so steht es auf der Rückseite!) Pferd. Zwei tote, geplünderte russische Soldaten im Schnee. Zwei deutsche Soldaten auf einem Pferdeschlitten. Und die zwei russische Frauen in Sommerkleidern im Schnee, eng beieinander; die eine lacht. Wahrscheinlich war dieser Krieg für Kamera- und Filmhersteller ein Erfolg. Es sind sehr viele Photos entstanden. Es ist nicht klar, warum. Waren die Ereignisse so weit weg von allem, was die Soldaten zuhause und zuvor machten, daß sie es dokumentieren wollten? Für sich oder auch für die Familie? Saßen sie dann irgendwann zuhause und erzählten zu diesen Photos? Wurde dieser Krieg für sie zur grossen europäischen Reisezeit? Oder konnte das Photographieren den Krieg auf Distanz halten? Schob der laienhafte Photograph zwischen die Wirklichkeit und sich eine Kamera? Mein Vater war nicht im Krieg, auch meine Grossväter nicht. Meine Onkel schon, aber die waren beide schon tot, bevor ich lebte. Mein Vater erzählte etwas von seinen Brüdern. Onkel Ernst im Panzerspähwagen konnte vorwärts und rückwärts fahren. Onkel Wilhelm war auf einem Minen suchboot. Er überlebte nicht. Der Krieg also war für mich nicht sehr konkret. Und doch phantasierte ich vom Krieg, wenn ich mit dem Fahrrad übers Land fuhr. Ich schoß, was das Zeug hielt. Unser Nachbar war in Stalingrad gewesen. Er hatte irgendjemand auf seinen Schultern mitgeschleppt und abends sah er dann, daß sein Stiefel voll Blut war. Aber er war sehr krank und ist heute schon tot. Der Mann, der mir immer ein Eukalyptusbonbon gab, war auch in Stalingrad gewesen. Man sagte, er hätte getrunken und seine Frau geschlagen. Er ist schon tot. In Stalingrad war auch einer gewesen, den man "Lalla, der Eingekesselte" nannte. Ich kenne ihn nicht. Aber es heißt, wenn er betrunken sei, dann fange er an zu lallen: wie er eingekesselt gewesen sei. photo credits: Sammlung Franzen/Otterbeckzurück |