Menschenjagd im und mit dem Internet als Spiel.
Kaum
ist "Big Brother" vorübergerauscht, setzt der Berliner Unternehmer
Alexander Skora noch einen oben drauf und veranstaltet eine "echte"
Menschenjagd im und via Internet. Und seine Suche nach geeigneten
Opfern ist schon jetzt recht erfolgreich gewesen: 120 Freiwillige
haben sich nach seinen eigenen Angaben bisher gemeldet, um in die
Rolle eines sogenannten "Reality Runner" zu schlüpfen, obwohl
oder gerade weil der Aufruf zur fröhlichen Pirsch ziemlich martialisch
und - auch das - arg menschenverachtend klingt. Aber über Geschmack
lässt sich ja bekanntlich nicht streiten. Und Menschenverachtung
praktizieren ja noch ganz andere, nicht nur aus unserer feinen Gesellschaft.
Wer die Seite www.realityrun.com also anwählt, wird begrüßt
mit Parolen wie: "Wir suchen Menschen, die sich für Geld jagen
lassen. Willst Du, dass ein Kopfgeld auf Dich ausgesetzt wird? Willst
Du von der ganzen Welt gesucht werden? Willst Du trotzdem überleben?"
Und wer der Meinung ist: o.k., überleben find ich irgendwie krass,
der kann dort gleich mit dem "Headquarter" Email-Kontakt aufnehmen.
Auch die Spielregeln haben es in sich: Start ist am 1.August in Berlin.
Dort soll sich 24 Tage lang das ausdrücklich ortsfremde Opfer
verbergen. Damit der Gesuchte die ganze Zeit nicht einfach in einem
sicheren Versteck verbringt, muss er täglich Aufgaben lösen,
die ihn auf die Straße treiben. Außerdem ist der Gejagte
verkabelt. Das heißt: eine Digitalkamera überträgt
ständig Bilder ins Internet und ein Mikrophon nimmt rund um die
Uhr jeden Laut auf, den er von sich gibt. Auch dies ist im Netz dann
zu hören, zusätzlich soll noch eine Ü bertragung per
Telefon geschaltet werden. Wer sich als Jäger an dieser Menschenjagd
beteiligt, kann sich natürlich übers Netz aktuelle Infos
besorgen, Erfahrungen austauschen und wird zusätzlich unterstützt
von zwei Profis: einer Dame namens "RealityBabe", die als professionelle
Boxerin vorgestellt wird, und einem Herrn, der sich Jack Black nennt
und über den es wörtlich heißt: "Er war Mitglied einer
Fallschirmspringer Elite-Einheit, hat eine Scharfschützenausbildung
und ist darauf trainiert, vermisste Personen aufzuspüren. Die
ganze Welt kann ihn bei seiner Jagd nach dem RealityRunner über
das Internet steuern. Alter: 28 Jahre, Größe: 188 cm, Gewicht:
80 kg, Ausbildung: Combat-Soldat, Scharfschütze, Fallschirmspringer."
Kurzum: ein Mann wie der PitBull von nebenan. Wem es trotzdem gelingt,
24 Tage von Jack Black oder einem anderen Jäger nicht ins Bein
gebissen oder anders überführt zu werden, dem winken als
Preise für sein Überleben 10000 US-Dollar und die Teilnahme
an einem ähnlichen, aber mit 100000 Dollar dotiertem Lauf in
New York. Wird er jedoch vorher entdeckt, geht das Geld komplett an
den Jäger. Auch die Kandidatenwahl findet übrigens im Internet
statt. Eindeutiger Spitzenreiter ist derzeit mit 35 Prozent aller
abgegebenen Stimmen ein gewisser Jörg aus Wien, der "keine gesellschaftlich
abartigen" sexuellen Neigungen hat und stattdessen lieber fechtet,
Ski und Rad fährt. Frauen sind dagegen Mangelware unter den Bewerbern:
Die Bestplatzierte nennt sich selbst "RunnerGirl", stammt aus Köln,
redet dennoch nicht gern über ihre sexuellen Vorlieben, braucht
nur drei Stunden Schlaf und ist von Beruf Künstlerin. Wenn dieses
Spiel nun tatsächlich veranstaltet wird, können die Herren
und Damen Medienwächter, die so lange über "Big Brother"
debattiert haben, ihre Bedenken und ihren Job als Bedenkenträger
wohl endgültig an den Nagel hängen. Und wenn "RealityRun"
auch beim Publikum ankommt und vor allem die Werbung finanziell mächtig
einsteigt, dann drohen zukünftig wohl noch heftigere Vergnügungen,
über die wir lieber erst gar nicht nachdenken möchten. Aber
vielleicht ist das alles ja auch nur ein Fake...
zurück
|