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Summary of an interview with Pater Böckermann from the catholic order of African missionaries called "Die Weißen Väter" by Florian Haas and Martin Schmidl.

 

 

The IOF ("Initiative der Ordensleute für den Frieden") - a peace initiative by members of various catholic orders in Germany, was built in the early eighties fighting the "Nato Doppelbeschluß" (the setting-up of American rockets called cruise missiles in former West Germany by the NATO). The IOF is supported by friends helping them during their campaigns. Since 1990, these protests in front of and inside the headquaters of the Deutsche Bank in Frankfurt a.M. have raised nationwide media interest. The operations assumed a performance character when the IOF for example wrapped the Max Bill sculpture "continuum" in front of the main entrance with a sheet of black plastic covered with portraits of African people. Another time they chained themselves to block up the garage doors or laid themselves down as a human carpet so that the bank employees had to walk over them. Their most ironic campaign was called "Brot für die Bank" which means - bread for the bank - showing IOF members collecting money in the main pedestrian area of Frankfurt. They also asked people to mail coins to the bank to cut down together with their collection the amount of money the so - called Third World ows the bank. The money was given to a speaker of the Deutsche Bank together with symbolic pieces of bread. The speaker called this "tasteless and cynical" and said that the Deutsche Bank would pass it on to people in need. S&H: Uns interessiert Ihr Engagement im Zusammenhang mit der Deutschen Bank. Können sie etwas darüber erzählen?

Pater Böckermann: Man kann auch Protest sagen. Ich gehöre den ";Weißen Vätern"; an, den Afrikamissionaren. Das ist eine Missionsgesellschaft, etwa wie ein Orden wie die Franziskaner oder Jesuiten innerhalb der katholischen Kirche. Im kirchenrechtlichen Sinne sind wir aber eine Missionsgesellschaft, die im 19. Jahrhundert gegründet wurde. Ihr Auftrag war die Mission in den islamischen Ländern. Wir heißen nicht wegen der Hautfarbe "Weiße Väter";, sondern wegen des Gewandes, das wir von den Arabern übernommen haben. Als sich aber die Araber immer europäischer kleideten, da liefen wir immer noch wie die Araber herum. Unser Gewand war ein Ordensgewand geworden. Deswegen heißen wir im Volksmund "Weiße Väter", offiziell aber Afrikamissionare. Ich habe von 1964 - 1968 in Leuwen, Belgien Theologie studiert. Es war in der Zeit des zweiten Vaticanums, als die katholischen Kirche sich öffnete. Als ich 1968 zum Priester geweiht wurde, war der Dialog mit den großen Weltreligionen in. Es war das modernste was es damals in der Theologie gab. Dem Islam gegenüber wollte man mit Respekt auftreten. Deswegen habe ich mich freiwillig nach Nordafrika gemeldet. Ich habe 18 Jahre gebraucht um zu kapieren, daß der Dialog den wir wollten, nur zwischen gleichwertigen Partnern existieren kann. Zuerst muß eine Plattform hergestellt werden auf der ein Dialog möglich ist. Die Algerier haben mir mit Beharrlichkeit beigebracht: "Geh zurück in dein kapitalistisches Deutschland und verändere dort ungerechte Strukturen. Dort hilfst du uns mehr, als wenn du vor Ort als Entwicklungshelfer arbeitest". Die "Ordensleute für den Frieden" entstanden im Zuge der Nachrüstung. In der Woche nach Pfingsten gingen sie immer nach Hasselbach im Hunsrück um dort gegen die Stationierung der Cruise Missiles zu protestieren. Als die abgezogen wurden, haben die Ordensleute für den Frieden gesagt: "Frieden hat nicht nur was mit Abrüstung zu tun. Frieden hat auch etwas mit Gerechtigkeit zu tun". Deswegen sind wir 1990 vom Hunsrück vor die Deutsche Bank gekommen... weil wir gesagt haben: "Das ist auch ein Ort des Unheils." Am Anfang haben wir vor der Bank eine Slumhütte aufgebaut und Texte von Günther Grass zitiert. Er verglich die Slumhütte aus Kalkutta mit den gläsernen Türmen in Frankfurt und sagte: "Auf Dauer wird die Slumhütte überleben und die gläsernen Türme Frankfurts werden zusammenbrechen."

S&H: Gab es da Reaktionen?

Pater Böckermann: Zu Anfang, sagten die Leute von der Bank: "Machen sie sich erst einmal kundig. Sie haben ja keine Ahnung." Das sagt uns heute keiner mehr von der Deutschen Bank. Wir haben dann jeden ersten Donnerstag im Monat eine Mahnwache von zwei bis vier Uhr organisiert. Beim Anmelden im Ordnungsamt hat man mich gefragt: "Wie lange wollen sie das machen?" Meine Antwort war: "Bis die Deutsche Bank die Schulden der Dritten Welt streicht". Darauf hat der Mann im Ordnungsamt gesagt: "Das kann ja lange dauern". Dann hab ich gesagt: "Ok, dann wird das so lange angemeldet." 1989 gab es einen Pilgerweg von Frankfurt nach Mainz. Unsere erste Station war die Deutsche Bank, und zwar das Kontinuum, eine Skulptur von Max Bill vor der Bank. Wir wollten sie mit einer großen schwarzen Plastikfolie verhüllen. Darauf hatten wir Köpfe von Menschen aus der Dritten Welt geklebt. Das erzähle ich immer gerne um deutlich zu machen, was es heißt Ü ngste abzubauen bei solchen Aktionen. Zuerst einmal zu dieser großen Plastikhülle. Mein Bruder, ein Bauer aus dem Emsland, hatte sie mir geschenkt. Das waren so 10 auf 20 Meter, damit wir auch ja nicht in Schwierigkeiten kommen würden bei der Verhüllung des großen Kontinuum. Die Gruppe sagte: "Damit das auch klappt bei der Aktion rollst du das schön zusammen, dann können wir das in einem Schwung darüber ziehen." "Ich sagte, kein Problem", und nachts wach ich hier im Haus auf und denke: "Meine Güte, wo soll ich das hier bloß ausrollen." Meine Mitbrüder durften zu Anfang nicht wissen, daß wir so was planten, weil die ganz und gar nicht dahinter standen. Ich hatte richtig Angstschweiß bekommen. Ich habe dann doch einen Mitbruder, der mir einigermaßen wohlgesonnen war, eingeweiht. Dann haben wir es, da die Nachbarn das auch nicht sehen durften, ganz früh morgens, an einem Feiertag ausgerollt und dann schön zusammengefaltet und an den vier Enden Bindfäden angebracht. Das war in der Grünanlage vor unserem Haus. Am Tag der Aktion kam ein einzelner Wachmann von der Deutschen Bank und sagte: "Stop, das geht aber nicht. Das ist hier privat und das dürfen sie nicht. Da kriegen sie Schwierigkeiten und dann kriegen sie die Rechnung und vielleicht eine Anzeige. Sie sind doch ein ehrenwerter Mann." Ich bin zurückgezuckt, tatsächlich, ich bin ein ehrenwerter Mann. (lacht) Da war zum Glück der Professor Hengsbach von den Jesuiten da. Wahrscheinlich hatte er schon mehr Erfahrung mit solchen Aktionen und sagte: "Sagen sie mal: sind sie sicher, das das privat ist? Ist das nicht halb öffentlich, so daß sie die Aktion wenigstens dulden müssen?" Dann ist der Wachmann zurück und war verunsichert. Er ist rein gegangen und hat sich erkundigt. In der Zeit haben wir dann mit zitternden Händen unsere Plane darüber geschmissen. Ein einziges Mal sind wir wirklich im Bankgebäude gewesen. Da haben wir eine dreitägige Fastenaktion gemacht. Eine kleine Gruppe von sieben, acht Leuten sind dann reingegangen. Als die Deutsche Bank das gemerkt hat, haben die die Türen dichtgemacht. Jeder der rein wollte, mußte dann seinen Personalausweis oder seine Karte vorzeigen. Dann haben die Leute drinnen gesagt: Ok, wenn das so ist; wir wollen sowieso drei Tage fasten, dann bleiben wir einfach hier bis zum Schluß. Sie haben sich dann einen ganzen Tag lang hingesetzt. Leute von der Deutschen Bank haben sie immer wieder aufgefordert rauszugehen. Sie meinten: "Wir wären ja sehr sanft und wir würden das schon machen." Als abends dann die Lichter ausgingen, haben sie die Polizei geholt und uns geräumt und die Personalien aufgenommen. Vor allem einige Frauen in der Gruppe sagten dannach: "Das ist erschreckend, einen ganzen Tag lang die Banker und Bankerinnen beobachten zu können, wie sie alle gleich angezogen sind. Wie sie sich alle gleich gehaben. Wie sie alle gleich reden usw.". Eine andere Aktion war für uns der erste Akt zivilen Ungehorsams, bei der wir Gesetze übertreten haben. Wir haben uns in den Zufahrten zu den Tiefgaragen hier in der Guiollettstraße angekettet. Da sind fünf Tore, wo die dicken Mercedese und BMWs reinfahren. Wir haben drei Tage lang die Deutsche Bank mit unseren Ketten umkreist... auch um sie ein bißchen hinters Licht zu führen, da wir uns am dritten Tag anketten wollten. In der Mitte ging ein Mensch, der trommelte. Als er dann den Ü berblick hatte und alle ungefähr auf der Höhe der Tore waren, hat er ein Zeichen gegeben und wir waren in 15 Sekunden angekettet. Es gibt Videos davon (der Hessische Rundfunk war dabei) auf denen man sehen kann, daß die Wachleute noch versucht haben uns daran zu hindern. Das Ganze hat nicht lange gedauert. Sie hatten dann doch schnell Bolzenschneider bei der Hand und uns rausgeschnitten.

S&H: Wurden sie dann von der Polizei in die Autos getragen?

Pater Böckermann: Nein, die haben uns auf die andere Seite getragen. Dann hat die Deutsche Bank einen ganzen Wagen mit Kaffee und Brötchen runtergefahren (lacht) und sie sagten: "So, jetzt haben sie ja ihren Auftritt gehabt. Das Fernsehen war da und die Presse war da und jetzt können wir ja wieder miteinander Brot teilen." Unser Jargon, unsere Theologie von Brot und Wein teilen. Zum Glück hat keiner von uns das angenommen. Im Laufe der Jahre haben wir uns mit der Armut in Frankfurt auseinandersetzen müssen. Während wir die Mahnwache abgehalten haben, wurden hinter unserem Rücken die Drogenabhängigen aus der Taunusanlage vertrieben. Rudel von Polizisten, haben die wochenlang immer wieder vertrieben, damit sie nicht mehr diese Grünanlage betreten. Ein bißchen weiter, erging es den Obdachlosen unter den Mainbrücken ähnlich. Wir haben unsere Forderung einfach erweitert. Es geht nicht mehr nur um die Verschuldeten der Länder der Dritten Welt, sondern es geht um eine Auseinandersetzung mit unserem kapitalistischen Wirtschaftssystem. Dieses System bedingt zwangsläufig, daß die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Inzwischen sind wir dabei uns mit dem Zinsnehmen auseinanderzusetzen. Was bedeutet das: Zins nehmen. Mein Neffe hat auf seinem Taschenrechner ausgerechnet, was das bedeutet. Bei 2000 Mark Schulden sind das in 30 Jahren, bei 19 Prozent Zins (Damals war Hochzinsphase und die Deutsche Bank nahm 19 Prozent Zinsen) ca. 369000 Mark. Damals gab es noch nicht das neue Insolvenzrecht, nach dem auch Privatpersonen Konkurs anmelden können. Man konnte 30 Jahre lang belangt werden. Daran sieht man, wenn man arbeitslos und dann krank wird, daß man sein ganzes Leben nicht aus dieser Verschuldung raus kommt. Das bedeutet Zinseszins.

S&H: Wie steht ihre Kirche dazu. Ich könnte mir vorstellen, daß Teile der katholischen Kirche von ihren Aktionen gar nicht entzückt sind?

Pater Böckermann: Nein, auch innerhalb meines eigenen Ordens gibt es Gegenstimmen. Inzwischen haben sie sich damit abgefunden. Jetzt mache ich das 11 Jahre, da gibt es einen Gewöhnungseffekt. Die offizielle Kirche in Deutschland, sowohl die Evangelische wie die Katholische, stecken unter einer Decke. Deswegen, beziehen wir die Kirchen immer in die Kritik mit ein. Sie stecken unter einer Decke und liefern eher noch die Ideologie um dieses kapitalistische Wirtschaftssystem zu untermauern... zu decken. Also wir sagen, es geht nicht gegen die Leute, die bei der Deutschen Bank arbeiten. Als Priester und Ordensleute können wir uns nicht leisten irgend jemand auszuschließen. Wir sind als Ordensleute selbst mitbeteiligt an diesem kapitalistischen Wirtschaftssystem, das wir kritisieren, als Wähler, Sparer und Konsumenten. Trotzdem haben wir gelernt, daß es Hauptverantwortliche gibt und die sitzen in den Chefetagen und auch in der Deutschen Bank. Die wollen wir besonders herausfordern. Deswegen gehen wir, immer zur Hauptversammlung und reden dort als kritische Aktionäre. Man braucht sich ja nur eine Aktie übertragen lassen um da reinzukommen. Das ist eine spannende Geschichte, dort den ganzen Vorstand und Aufsichtsrat vor sich zu haben und dann hinzugehen und denen die Leviten zu lesen. Zum Beispiel bei der letzten Hauptversammlung. Einer von uns, ein Dominikaner, hat eine Rede gehalten und am Ende die Leute zu einer Schweigeminute für die Opfer der Verschuldung aufgefordert und sich von ihren Plätzen zu erheben (lacht). In der Zeit sind wir zu siebt nach vorne gegangen. Wir hatten Kerzen dabei wie die in Leipzig. Wir haben die Kerzen angezündet und und uns dann mit ihm in eine Reihe gestellt. Mit dem Rücken zum Vorstand und zum Saal mit seinen drei oder vier tausend Leuten und versucht diese Schweigeminute durchzuhalten. Oh Gott, in meiner Aufregung habe ich nur ein oder zwei Leute gesehen, die sich erhoben haben. Der Christians, der Chef vom Aufsichtsrat, hatte die Gesprächsleitung. Das hat keine 15 Sekunden gedauert, da hat der schon ins Mikrofon gebrüllt: "Unerhört, das geht zu weit! Räumen sie bitte!" Wir wollten die Kerzen, wie in Leipzig oder Dresden denen eigentlich vor die Füße setzen. Wie auf die Simse der Kirchen oder Rathäuser, wollten wir die Kerzen auf das Podium setzen. Aber das haben wir nicht mehr geschafft in unserer Aufregung. Ich finde das wie so ein kleines Zeichen der Schwachheit in diese Versammlung der Macht rein zu tragen. Zu hoffen, daß das mal etwas verändern wird.

S&H: Können sie uns etwas über ihre Ideen zum Denkmal für die Opfer der Verschuldung erzählen?

Pater Böckermann: "Idee = Aktion" ist ein Schlagwort bei uns geworden. Wir ziehen uns ein oder zweimal am Wochenende zurück um ein bißchen zu meditieren, um den Zusammenhalt zu pflegen. Dann geht es uns auch immer darum, was für eine Aktion wir das nächste Mal machen, damit deutlich wird, was wir wollen. Im Kopf wissen wir alle, daß es so nicht weiter gehen kann. Die Frage ist: wie kriegen wir es in die Füße. Im Zusammenhang von "Idee = Aktion", war uns die Idee gekommen, daß wir ein Denkmal für die Opfer der Verschuldung brauchen. Wir haben im Lutherjahr, ein Apfelbäumchen an der Deutschen Bank gepflanzt. Das kann man noch sehen. Luther hat gesagt: "Wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch mein Apfelbäumchen pflanzen." Das haben wir dann als Aktionsform genommen. Erst wollten wir das Apfelbäumchen in den Beton, neben das Kontinuum setzen, um deutlich zu machen: hier muß Beton kaputt gemacht werden, damit das Leben sprießen kann. Aber dann gab es von meinem Superior und auch innerhalb der Gruppe einige Bedenken: "Dort ist das Apfelbäumchen zum Tode verurteilt, das dauert nicht lange, dann ist das da weg". Im letzten Augenblick hatten wir uns dann darauf geeinigt, es in der Grünanlage vor der Deutschen Bank einzupflanzen. Das steht da immer noch und wächst, ich erfreue mich jedesmal, wenn ich vorbeikomme. Im Sommer gieße ich es. Wir hatten eine Plakette angebracht: "Den Opfern der Verschuldung". Die haben sie nach zwei Stunden abgemeißelt. Jetzt stellen wir dafür immer Blumen hin, um zu sagen: das ist keine Verschönerung eurer Grünanlagen, wie ihr das der Presse erklärt habt, sondern das ist ein Mahnmal für die Opfer der Verschuldung. Jetzt wollen wir etwas ähnliches als Mahnmal, aber etwas größer oder stabiler. Nein, stabiler kann man gar nicht sagen. Sagen wir so: wir wollen die Stadt Frankfurt in unsere Überlegungen und in unsere Kritik mit einbeziehen. Deswegen auch die Anfrage bei der Oberbürgermeisterin, uns einen Platz zur Verfügung zu stellen, in der Taunusanlage oder im Bankenviertel Frankfurts. Für ein Denkmal für die Opfer der Verschuldung.

photo credi: Florian Haas Martin Schmidl

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