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Anders als viele glauben, kann man beim Lotto auch auf lange Sicht gewinnen - also nicht durch pures Glück, durch einen Zufallstreffer sozusagen, sondern auch im Durchschnitt über viele Spiele. Das klingt zunächst paradox, weil ja die Hälfte aller Einsätze an den Staat bzw. an die Lottogesellschaft gehen. Damit verbleiben für die Spieler nur 50 Pfennig von jeder eingesetzten Mark. Aber das bedeutet eben nicht, wie viele glauben, daß wir ganz gleich wie wir auch tippen, auf lange Sicht auf jeden Fall die Hälfte unseres Einsatzes verlieren. Denn die übliche Berechnung des mittleren Verlustes funktioniert nur bei Lotterien mit festen Gewinnen: Sechs Richtige bringen sagen wir 3 Millionen Mark, fünf Richtige mit Zusatzzahl bringen 100000 Mark etc. So waren die Vorgänger des modernen Lotto konstruiert, etwa die berühmte Genueser Zahlenlotterie "5 aus 90" aus dem 16. Jahrhundert, die es noch heute in Italien gibt. Hier brachte schon eine einzige richtige Zahl dem Gewinner das 14fache des Einsatzes, zwei Richtige brachten das 240fache, drei Richtige das 4800fache und vier Richtige das 60000fache (auf fünf Richtige wurden keine Wetten angenommen, weil kein Buchmacher den Gewinn hätte auszahlen können). Bei solchen Lotterien berechnet man den mittleren alias "erwarteten" Gewinn, indem man die möglichen erwarteten Gewinne mit den zugehörigen Wahrscheinlichkeiten malnehmen, dann das Ganze aufaddiert. Diesen erwarteten Gewinn vergleicht man mit dem Einsatz und weiß, was man auf lange Sicht verliert. So funktioniert das moderne Lotto aber nicht. Erstens ist die Auswahlmenge kleiner (49 statt 90 Zahlen in Deutschland, 45 Zahlen in Österreich und der Schweiz), und zweitens sind die Gewinne für drei-vier-fünf-sechs Richtige alles andere als fest. Sie richten sich vielmehr ganz entscheidend nach den Mitspielern, nach den Tips der Anderen, und das unterscheidet das Lotto des deutschen, österreichischen und schweizer Typs ganz wesentlich von anderen Lotterien. Nehmen wir das alte deutsche Zahlenlotto "6 aus 49". Hier gab es bis Ende 1991 die folgenden Gewinnklassen: 6 Richtige, 5 Richtige plus Zusatzzahl, 5 Richtige, 4 Richtige, 3 Richtige. Aber wer jetzt denkt: "6 Richtige! Also ab in die Bahamas!" kann sich - wie etwa die Hauptgewinner am 18. Juni 1977 - ganz gewaltig irren. Damals gab es für 6 Richtige ganze 31000 Mark. Denn im deutschen, österreichischen und schweizer Lotto wird der für jede Gewinnklasse vorgesehene Gesamtgewinn unter allen Gewinnern aufgeteilt, und wenn es viele Gewinner gibt - an jenem denkwürdigen Samstag des Jahres 1977 waren es allein in der höchsten Gewinnklasse über 200 - gewinnt der Einzelne eben weniger. Das ist für die Spieler sowohl gut wie schlecht. Es ist schlecht für Spieler, die so tippen wie viele Andere. Es ist gut für Spieler die so tippen wie wenige Andere. Denn wer so tippt wie viele Andere, muß seinen Gewinn falls er gewinnt mit vielen teilen; wer so tippt wie wenige Andere, hat den Gewinn, falls er gewinnt, für sich allein. Und deshalb können diese Spieler auf lange Sicht durchaus ihren Einsatz zurückholen - und vielleicht noch mehr. Denn das ist das Besondere am Zahlenlotto: hier spielt man nicht nur gegen den Zufall und die Lottogesellschaft, hier spielt man auch gegen die anderen Lottospieler! Die Lottogesellschaft kassiert auf jeden Fall die Hälfte aller Einsätze, aber um die andere Hälfte dürfen sich die Lottospieler raufen. Und dabei können die Klugen durchaus von den Dummen profitieren. Wenn die Gewinne in den verschiedenen Klassen (die sogenannten Quote) nicht vorher feststehen, sondern von der Anzahl der Gewinner abhängen, ändert sich die Formel für den mittleren alias erwarteten Gewinn; beim deutschen Zahlenlotto etwa müssen wir jetzt die Wahrscheinlichkeiten für die insgesamt sechs Gewinnklassen, von "6 Richtige plus Superzahl" bis "drei Richtige", mit den jeweiligen Quoten malnehmen, und diese Quoten sind nicht fest, sie hängen von unserem Tippverhalten ab. Den Wahrscheinlichkeiten in dieser Formel sind wir hilflos ausgeliefert; sie beträgt etwa für sechs Richtige plus Superzahl 1:139 Millionen, und damit weit weniger als die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz getroffen oder zum Papst gewählt zu werden (für männliche Katholiken). Aber die übrigen Zutaten in dieser Formel, also die Quoten alias die Gewinne, falls gewonnen wird, haben wir als Spieler durchaus in der Hand. Denn in dem wir populäre Tips vermeiden, können wir zwar die Gewinnwahrscheinlichkeit nicht verbessern - aber wir können den Gewinn verbessern, falls wir überhaupt gewinnen. Und das hat für den erwarteten Gewinn den gleichen Effekt, als würde die Wahrscheinlichkeit erhöht. Wenn wir dagegen populäre Zahlen wählen, verlieren wir langfristig sogar mehr als die Hälfte des Einsatzes: Der erwartete Gewinn beträgt nicht 50 Pfennig pro eingesetzte Mark, sondern weniger. Sehr beliebt sind etwa Kombinationen, die früher oder andernorts bereits gezogen worden sind: die 200 Hauptgewinner an jenem Samstag 1977 hatten etwa die holländischen Lottozahlen der Vorwoche getippt. Gern getippt werden ferner auch Geburtstage, weswegen die Zahl 19 regelmäßig den Gewinn verdirbt. Sehr beliebt sind auch Muster, wie die Zahlen 1-6, oder Diagonalen und andere regelmäßige Figuren auf dem Tippfeld so wie rechts: Solche geometrischen Muster garantieren also nur Verluste. Je nach dem Arrangement der Zahlen, ob quadratisch, wie in den meisten Bundesländern oder in einer einzigen langen Zeile wie in Nordrhein-Westfalen angeordnet, ändern sich dabei die populären Muster - am besten meidet man sie alle miteinander. Denn sollte eines Samstags wirklich eines dieser Muster aus der Lottotrommel rollen, wird der bisherige Rekord von 200 Hauptgewinnern noch beträchtlich übertroffen. Am leichtesten kann man den "Normalspieler" schlagen, also die Waisenkinder unter den 13983816 möglichen 6-aus-49 Kombinationen finden, indem man an den Zufall appelliert: die Zahlen 1 - 49 auf Papierschnitzel geschrieben, gut durchgemischt, und sechs Zahlen zufällig gezogen. So arbeiten grob gesagt die bekannten Spielgemeinschaften wie Faber etc., die im Prinzip nichts anderes sind als Waisenkinder-Detektive (und ihren Mitgliedern tatsächlich in dem Umfang, wie sie unbespielte Zahlenmuster finden, auf Dauer höhere Gewinne garantieren).Diese Strategie hat natürlich nur dann Erfolg, wenn weiterhin die meisten Tipper die bekannten Muster produzieren. Kreuzen alle Lottospieler ihre Zahlen mittels Zufall an, dann ist auch der Gewinn für alle wieder gleich, nämlich genau 50 Pfennig für jede eingesetzte Mark.

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