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Wir fangen am einfachsten mit ihrem Beitrag zur Ausstellung "Museum der Museen" an, die im April.99 im Karl Ernst Osthaus Museum eröffnet wurde. Der Titel ist auch Thema der Schau und ist von ihrem Projekt dem "Museum der Museen" in Waregem entlehnt. In Hagen zeigen Sie unter anderem eine Sammlung von Büchern, von und über Künstler, die sich mit dem Thema Museum/ Sammlung auseinandergesetzt haben. Ist das ein Teil Ihres "Museums der Museen" und was enthält es sonst noch? Johan van Geluwe: Das Archiv der Bücher ist nur ein Teil meiner Sammlung. Andere Unterabteilungen sind noch bei mir in Waregem: Industrielle Archäologie, Architektur, Patrimonium Stituationen, Kitsch und Kunst. Im Karl Ernst Osthaus Museum gibt es in der Sammlung noch die Hommage an den Gründer, den Herrn Osthaus. Das ist in situ und einmalig und allein für diesen Platz geeignet. Seit wann gibt es das "Museum der Museen"?
Bestand ausser dieser Grundidee zu der Zeit noch keine Sammlung? Johan van Geluwe: Einen kleinen Anfang der Sammlung gab es bereits. Ich habe mich damals mit Fotografie, mit Dias beschäftigt. Später sind die Sektionen (Einteilung in Abteilungen) gekommen. Früher richtete sich das gegen die Kommerzialisierung der Kunst. Meine Behauptung war, daß das was einfache Leute machen, schön ist, gut ist, und daß es echt ist. Im "Museum der Museen" und wie Sie damit umgehen gibt es ja beides: In der liebevollen Art wie sie ihre Sammlungen zusammenstellen liegt einerseits eine Hommage an Museen, andererseits ist es eine deutliche Kritik, wenn ein Einzelner ein "Museum der Museen" macht. Johan van Geluwe: Ja, ja natürlich. Die Museen sind Macht. Ich bin aus der Generation, die in den frühen 60er Jahren die Gesellschaftskritik der Studenten mitgemacht haben. Ich wollte die Macht der Museen, die eine reine Bürokratie geworden sind, brechen. Es war auch eine Reaktion auf eine Ü berkommerzialisierung und eine fehlende Identität. Ich habe dann das "Museum der Museen" gegründet um das zu einem Begriff für die Revolution des Typus Museum zu machen. Es bedeutet: Die ganze Welt ist ein Museum. Gab es Vorbilder oder parallele Entwicklungen, die für Sie damals wichtig waren? Johan van Geluwe: Broodhardts hat auch mit diesen Gedanken gespielt. Natürlich waren die Wunderkammern der Rennaissance für mich wichtig. Sammlungen von Kuriositäten haben mich sehr interessiert. Ich habe auch selbst damals in dieser Richtung gesammelt. Das "Museum der Museen" hat also die ganze Welt im Blick? Johan van Geluwe: Ja, das ist auch eine ökologische Frage. Sie sammeln aber nicht nur Abfallprodukte, oder die unbeachteten Dinge? Johan van Geluwe: Nein, nein. Abfall ist Abfall. Sie können das aber in einen Kunstkontext zurückrepräsentieren. In meiner Sammlung ist zum Beispiel Bernd Löbach vertreten. Er sammelte gequetschte Bierdosen, die er dann geordnet hat. Ich fand das interessant und habe das in meine Sammlung aufgenommen. Das "Museum der Museen" grenzt also zuerst einmal nichts aus. Gibt es aber nicht eine Grenze nach "oben" indem Sie keine Hochkunst sammeln? Johan van Geluwe: Bei der hohen Kunst interessieren mich die Pioniere und nicht die Derivate. Daneben interessiert mich die low culture. Das ist das was der gewöhnliche Mensch macht. Das sind Dinge wie von den Dias, die ich gezeigt habe (Von Privatleuten gestaltete Gärten/Vorgärten/ Grünanlagen - "Gärtchen von Eden" - Dia Vortrag im KEO Museum anläßlich der Ausstellung "Museum der Museen"). Für mich ist das einfache, echte, belebte Kunst. Die meisten Künstler sind Nachläufer. Die Sammlung von Büchern und Katalogen, die Sie im KEO Museum zeigen stellt die Art von Hochkunsthaltung vor, die Sie schätzen? Johan van Geluwe: Als Sammler. Ich habe den größten Respekt für Sammler, die ihre Sammlungen an die Gemeinschaft übergeben. Die, die das nicht in den Brandkasten einschließen sondern dafür sorgen, daß ihre Sammlung zurück an die Gesellschaft kommt und daß die nicht bei Sothebys oder Christies oder wie die immer heißen verkauft werden. Das ist für mich ein wichtiges Ziel, die Kunst zur Bevölkerung, zu den Menschen zurückzubringen. Das "MdM" soll also kein festes Haus haben, sondern sich im Idealfall über verschiedene Orte verteilen? Johan van Geluwe: Ja, ich muß kein Museum haben. Das fände ich gar nicht gut. Es ist viel besser wenn die Arbeit eines Künstlers in verschiedenen Teilen der Welt zu sehen ist, als alles auf einem Platz. Das was Herr Osthaus gemacht hat ist wunderbar. Eine Sammlung an die Gemeinschaft, an die Gesellschaft zu übergeben. John Puttnam: Sehen Sie Ihren Stempel (mit der Aufschrift "Museum der Museen" und einem Säulentempel als Signet) als eine Kritik an der Autorität des Museums? Johan van Geluwe: Ein wenig. Ich sehe es als eine Gegenmacht zu den Kunstinstitutionen, die ein Institut geworden sind und dadurch bürokratischer geworden sind. Diese Haltung hat, wie ich schon erwähnt habe, mit meiner 68er Herkunft zu tun, was auch dazu führt, daß ich keine Arbeiten verkaufe. John Puttnam: Eine Art anti-materialistischer Haltung? Johan van Geluwe: Nein, das ist eine moralische Frage. John Puttnam: Was könnte die Installation "Das Kabinett des Konservators" (im KEO Museum) einem Besucher sagen, der den Raum betritt? Welche Idee möchten Sie damit wirklich zum Ausdruck bringen? Johan van Geluwe: Der Raum wird verschiedene Reaktionen auslösen. Der eine wird sich in den Stuhl des Direktors setzen und fühlt sich wichtig. Ein anderer bleibt distanziert... Wovon leben Sie, wenn Sie keine Kunst verkaufen? Johan van Geluwe: Von meiner Pension. Ich habe 17 Jahre lang Architekten an einer Hochschule in Gent unterrichtet. Davor war ich als Architekt berufstätig. Für einen Architekten hört sich das ungewöhnlich an, daß er für sein Museum kein Gebäude bauen will. John Puttnam: Ja, gerade heute hat die Architektur von Museen eine große Bedeutung bekommen und es wird sehr viel Geld dafür ausgegeben. Manche Architekten sind zu Ü ber-Künstlern geworden. Johan van Geluwe: Und haben die Welt in ein Architekturmuseum verwandelt für die Biennale von Venedig. John Puttnam: Möglicherweise gibt "Das Kabinett des Konservators" ihren Sinn von Architektur und Raum wieder. Auch wegen dem spezifischen Einsatz der Farben... ? Johan van Geluwe: Ja, ja, die Farben, die Proportionen usw.. Ich beschäftige mich sehr mit dem Raum. Der Raum ist das Wichtigste. Er ist die Begrenzung eines Territoriums. Wenn ich eingeladen werde und der Raum ist nicht gut, dann sage ich: danke nein. Die Situation ist das Wichtigste und auch die Leute dort, die die Initiative ergreifen: Beschäftigen die sich mit Kunst oder nur mit Dekoration, ist für mich die Frage. John Puttnam: Ihr Archiv, was enthält es, wie sieht es dort aus? Johan van Geluwe: Ein Teil des Künstlermuseums ist dort zu sehen, andere Dinge sind noch in Schachteln. Das müßte nur inventarisiert werden. Zwei Freunde von mir haben die Initiative ergriffen und eine Stiftung für meine Arbeit gegründet, die sich auch um die Inventarisierung kümmern wird. Das Archiv besteht aus den Sektionen: industrielle Archäologie, Patrimoniumsituationen, Museen - oder was man Museum nennt, oder nicht nennt - von dem, was ich meine, daß es ein Museum ist. John Puttnam: Ist das "Museum der Museen" eine Art nicht-abstrakte Idee von Ihnen? Johan van Geluwe: Nein, es ist abstrakt, utopisch und es ist wirklich. Meine Installationen sind real und beschäftigen sich mit der Konstruktion von Realität und Utopie. John Puttnam: Sie sehen das "Museum der Museen" als eine utopische Idee? Johan van Geluwe: Ja, ja. Eine Leidenschaft. Ich verkaufe nichts. Es wirft also auch eine moralische Frage auf. Ausserdem steht eine ökologische (oder ökonomische?) Frage dahinter. Wieso ich nichts verkaufe kommt daher, daß ich nicht mit anderen Künstlern in Konkurrenz treten will. Es gibt Künstler, die von ihrer eigenen Arbeit leben müssen und ich wollte frei sein, nicht gebunden sein, nicht an Galerien... Ich wollte nie jemand dazu bringen zu sagen: das ist schön. Ich habe deshalb zum Beispiel gestern, diese Dia-Sammlung von privater Gartengestaltung ohne Kommentar präsentiert. Jeder soll entscheiden ob er etwas gut oder nicht gut findet. Wovon es schon zuviel gibt ist, daß Leute vorgeben was man als gut oder nicht gut zu sehen hat. Wenn sie mit dem Museum nicht mehr weiter machen, können sie sich vorstellen, daß das jemand anderes fortsetzt? Johan van Geluwe: Das ist niemals abgechlossen. Die Kunst kann niemals abgeschlossen werden. Sie ist nicht zu fassen. Wenn sie zu fassen ist, dann ist es keine Kunst mehr. Wenn sie die Kunst erklären, was die meisten tun, dann ist das für mich keine Kunst mehr. Sie müssen immer die Interpretation für die Besucher, die Betrachter freilassen. photo credits and drawings: Johan van Geluwe |