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finger Interview mit Rainer Ganahl "Was ist Dialektforschung?"
"Wofür veranstaltest du Seminare? Was versprichst du dir davon?" Leseseminare und Diskussionsrunden haben mich während meiner Studienzeit (Philosophie, Geschichte, Kunst) entscheidend geprägt. Seit etwa 5 Jahren halte ich selber Leseseminare ab. In diesen Seminaren passiert, was mich am meisten interessiert: Wissensvermittlung, Diskussionen, Gespräche. Diese werden dabei mit Video aufgezeichnet und fotografiert. Vom Diskussionsarchiv, das sich über die Jahre hinweg ansammelt, erwarte ich eine wissenssoziologische Auswertbarkeit, um die ich mich aber nicht kümmere. Die Fotos von den Teilnehmern faszinieren mich jedoch jetzt schon als Abbildungen von Personen, die sprechen, lesen oder denken. Diese Bilder verstehe ich als "pädagogische Fotografie", die ich konzentriert und systematisch verfolge, weil sie versucht etwas zu repräsentieren, das sich nicht leicht abbilden läßt: nämlich Intelligibilität. "Deine Forschungen werden im Kunstkontext präsentiert, ein Seminar findet anlässlich der Ausstellung in site way out statt."
Brauchst du das Betriebssystem Kunst um deinen "Sonderforschungsbereich" präsentieren und finanzieren zu können?" Wie gesagt, ich bin mehr oder weniger zufällig in den Kunstbereich reingerutscht und flottiere darin. Deshalb finanzieren auch diese Gelder - nebenbei recht spärlich - meine Projekte. Etliche der Seminare und der Großteil der anderen Arbeiten sind einzig von mir selbst bezahlt, wenn sie überhaupt geldabhängig sind. Nur wenn man Elemente meiner künstlerischen Praxis - Fremdsprachenlernen, Fremdsprachen unterrichten, Leseseminare, Lesen, usw. - isoliert, könnte sich dabei ein rein akademisches, universitäres, diszipliniertes Unternehmen partiell ableiten lassen: ansonsten können mich Universitätsleute nur kopfschüttelnd belächeln und disqualifizieren. Nicht unterschätzen möchte ich auch den Mehrwert der Diskussionsnotwendigkeit für den Kunstkontext, die meine institutionsübergreifenden Projekte hervorrufen. Ich mißbrauche ja immer wieder das Ready Made Paradigma, indem ich das dekontextualisierte Objekt mit der dekontextualisierten Institution vertausche. Nebenbei bringt uns das wieder zurück auf die Ursprünge der bürgerlichen Kunst: das frühe 19. Jahrhundert hat uns nicht nur die Kunst beschert, sondern auch die allgemeine Volkserziehung und den Nationalstaat. Die gehören zusammen, obwohl sich die Kunst ihre historischen Abhängigkeiten sehr ungerne eingesteht, was auch ein Teil ihres Wesens ausmacht: seiner Herkunft und Abhängigkeit gegenüber blind zu sein. "Kannst du dir vorstellen diesen Kontext zu verlassen oder ist dies schon passiert oder wird dies von dir geplant?" Ich glaube, ich habe diese Frage weiter oben schon teilweise beantwortet: Ich würde jede Einladung unabhängig von der Institution in Betracht ziehen. Allerdings würde mich das nicht hindern, auch im Rahmen einer Universitäts (oder Schul-)veranstaltung, die eigenen Studenten zu filmen und zu fotografieren. In keiner Weise wäre das das Ende meiner künstlerischen Arbeit: die geht weiter und dies selbst ohne Ausstellungen und ohne Universitäten oder Schulen. Ich glaube, daß gerade mein Sprachenlernen und Schreiben eine Form von Arbeit ist, die auch ohne Ausstellungen und Institutionen auskommen kann. Das schätze ich daran. Selbst wenn ich nichts verkaufe und nichts zeige, lerne ich was von meiner Kunst. Kulturelle Arbeit, - und ich sehe mich als kultureller Arbeiter - finde ich, sollte sich nicht von der ein- oder ausladenden Ausstellungsmacherklasse abhängig machen. "Ist das nicht ein frommer Wunsch sich nicht von den ein- oder ausladenden Ausstellungsmachern abhängig machen zu wollen? Wie gehst Du da vor? Wie sind Deine Erfahrungen?" Frommer Wunsch oder nicht - oft ist es Realität, daß Ausstellungen ausbleiben. Nun, ich meine, daß man in solchen Fällen eben nicht zu arbeiten aufhört, nervenkrank oder Alkoholiker werden sollte oder gar sinnlos vor sich hinproduzieren und die Welt zynisch verschimpfen darf. Ideal ist es, wenn Künstler Arbeits- und Erfolgsvorstellungen realisieren, die auch unabhängig von den üblichen Verteilungsstrukturen sinnvoll sind. Bei meinen hier erwähnten Projekten ist das der Fall: zu guter letzt bleibe ich nicht nur auf 400 Videokassetten "Basic Korean" sitzen, sondern kann mich auch auf koreanisch unterhalten. Das ist ja schon ein kleiner Trost, oder? "Was ist Inhalt eines Leseseminars. Was sollen wir uns unter Wissensvermittlung, Diskussion und Gespräche" vorstellen?" Ja, kommt vorbei, nach Kreuzlingen. Der Inhalt in Kreuzlingen ist, wie gesagt, vorgegeben: Ortssprachen - local languages. Wissensvermittlung, Diskussion und Gespräche näher zu definieren, ist - glaube ich - hier nicht sehr sinnvoll, weil Ihr mir das dann wieder als Frage vorwerft: nicht nur kann jeder sich was darunter vorstellen, auch ändert sich das von Personenkonstellation zu Personenkonstellation. "Woran macht sich Dein Interesse für Fremdsprachen fest?" An recht vielem, auch recht Widersprüchlichem. Als Halbwüchsiger waren es die Reisen und die zwischenmenschlichen Abenteuer; als Student waren es die Reisen und die zwischenmenschlichen Abenteuer und die Bücher; nun sind es Reisen, zwischenmenschliche Abenteuer, Bücher, Theorie und Kunst. Rainer Ganahl, über: www.kunsthaus-bregenz.at/kubuse/local.language zurück |