zurück

Die "Frankfurter Küche" wurde in den 20er Jahren von Margarete Schütte-Lihotzky als Serienproduktion für die Frankfurter Siedlungsprojekte der Gruppe May entwickelt (Ernst May war Stadtbaurat in Frankfurt am Main und leitete 1925 den Beginn der modernen Stadtplanung in Frankfurt ein). "Wie kann man durch richtigen Wohnungsbau der Frau Arbeit ersparen? so lautete der Titel ihrer ersten theoretischen Schrift. Die Wienerin Margarete Schütte-Lihotzky war im Frankfurter Baudezernat in der Abteilung T beschäftigt. T stand für Typisierung, Standardisierung und Normierung von Bauteilen. Das war auch immer ein zentrales Anliegen ihrer Arbeit in einer Zeit des Ü bergangs zur industriellen Produktion." (Peter Noever in: Die Frankfurter Küche von Margarete Schütte-Lihotzky, hrsg. v. Peter Noever, MAK Wien) Auszüge aus einem Video-Gespräch, das Andreas Wegner im Juni 1998 mit Margarete Schütte-Lihotzky in ihrer Wohnung in Wien geführt hat. Dem Film ging ein Gespräch über die Frankfurter Küche und ihre Arbeit als Architektin voraus, welches auf Wunsch von Frau Schütte-Lihotzky nicht aufgezeichnet wurde.

"Frau Schütte Lihotzky ist fast blind. Der Kater knabbert an den Keksen, die mir Frau Schütte-Lihotzky angeboten hat." Margarete Schütte-Lihotzky: Der Noever ist sehr gut. Das MAK (Museum für Angewandte Kunst) war vorher in einem Dornrößchenschlaf... und seit der Noever da ist... was macht der (Kater) an ihren Sachen?

Andreas Wegner: Ach, der macht gar nichts, der nimmt einen Keks.

Margarete Schütte-Lihotzky: Ach so, Schurli, nein, das soll er auch nicht, Schurli bitte... Ich muß mich dort hinsetzen, es ist so furchtbar heiß, es ist wirklich etwas gefährlich heute... diese Hitze (in der Wohnung sind c.a. 30 Grad Celsius).

A.W.: Ich würde gern das Kästchen aufnehmen.

Margarete Schütte-Lihotzky: Ach so, das Kästchen. Natürlich, einen Moment.So, schaun sie. ich hab meinem Professor gesagt, ich will Architektin werden. Das war genau wie ich mich entschlossen hab' 1916. Und er hat dann als erste Aufgabe gesagt: Machen sie ein Kästchen für eine Dame für die Toilettengegenstände. Und da hab' ich das gemacht... Grundrisse, und auch alles für den Tischler. Da sehen sie, die Beschläge hab' ich entworfen, extra. Und das ist so: das geht so auf und das geht so auf und das geht so auf auf... so... ist doch hübsch?

A.W.: Sehr hübsch.

Margarete Schütte-Lihotzky: Das erste Möbelstück. Und das ist über sechzig Jahre später jetzt das erste mal gemacht worden... ja, aber jetzt lege ich mich wieder hin. (...) Mein Gott, wissen sie, ich hab' an der Frankfurter Küche ein dreiviertel Jahr gearbeitet und hab# 40 Jahre Praxis... ist doch lächerlich(Daß sie immer nur in Bezug auf die "Frankfurter Küche" rezipiert wird). Das kommt daher. Der May war ein sehr guter Propagandist und der hat das "Frankfurter Küche" genannt. Ich hab' das nicht so benannt. Er hat das eingeführt, und das war natürlich für die Stadt Frankfurt.

A.W.: Es war auch das Ausland interessiert.

Margarete Schütte-Lihotzky: Der französische Minister für den Wiederaufbau in Frankreich.

A.W.: Aber es ist nie eine Küche nach Frankreich geliefert worden?

Margarete Schütte-Lihotzky: Ich glaube nicht. Na, was nachdem ich (aus Frankfurt) weggefahren bin gemacht worden ist, das weiß ich gar nicht so genau... soweit es nicht aus der Presse zu ersehen war. (...) Ja, was wollen sie mit dem Kästchen machen, mit der Photographie? Schicken sie mir eine Aufnahme? Und von mir dürfen sie mir auch eine schicken. Das gehört ja eigentlich dem MAK. Dieses Kästchen ist gesponsort worden von verschiedenen Tischlern, als die Ausstellung war. Ich hab' ja eine große Ausstellung im MAK gehabt 1993. Zu dieser Ausstellung ist das Kästchen gemacht worden. Jetzt hat jemand im MAK gesagt, sie sollen mir doch das Kästchen auf Lebenszeit zur Verfügung stellen. der Direktor hat da sofort ja gesagt. Das gehört eigentlich dem MAK.Wenn ich sterbe, muß es dem MAK zurückgegeben werden.

A.W.: Frau Schütte-Lihotzky, wie wird man 101 Jahre alt? haben sie ein Rezept, einen Trick?

Margarete Schütte-Lihotzky: Also, da hat es eine Frau Dr. Aslam gegeben, in Bukarest. Aber alles was aus dem Osten gut ist und wahr, das ist doch totgeschwiegen worden. deswegen weiß kein Mensch im Westen von der Dr. Aslam. Im Osten weiß jeder davon. Also die Aslam war in Bukarest und sie war Ärztin in einem Altersheim und ist darauf gekommen, daß wenn sie den Leuten Procain oder irdenwelche Medikamente spritzt, in denen ein Stoff namens Procain ist, daß die länger fit bleiben. Sie hat das in Paris vorgetragen auf einem internationalen Kongress, gleich nach dem Krieg. Na, das hat man natürlich heruntergemacht, weil es aus Bukarest gekommen ist. Das ist aber jetzt weltberühmt geworden. Sie hat also entdeckt, daß dieses Procain verhindert, daß die Abwehrkräfte im Alter so schnell abnehmen. Ich hab davon gewußt, weil ich auch die östliche Presse gelesen hab', nicht nur die Westlichen. Ich bin hingefahren nach Bukarest, war bei ihr, sie hat glänzend deutsch gesprochen, war derselbe Jahrgang wie ich, ist vor zwei Jahren gestorben, und da gibt es diese Injektionen. Die nehmen ich seit meinem siebzigsten Lebensjahr. Ich bin überzeugt davon, daß die sehr viel dazu beitragen, daß es mir so gut geht.

A.W.: Wie oft nehmen sie die?

Margarete Schütte-Lihotzky: 12 Injektionen, das dauert einen Monat. Dann einen Monat Pause, und dann wieder 12. Das mache ich seit meinem siebzigsten Lebensjahr. Das sind also jetzt schon mehr als 30 Jahre.

zurück