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BABY BERLINSchöne Familienarbeit / Barbara Schmidt
Alle, die nicht gerade unter einer Brücke schlafen, kommen da in die gleiche Kategorie. Wenn man dann zu einer speziellen Kita hingeht, um sich vormerken zu lassen, erntet man erst mal einen Lachanfall. Wir sind da auf Wartelistenplatz 27 gekommen. Am Ende sind wir in einem teuren Privatkindergarten gelandet, weil wir den Äusserungen Glauben geschenkt haben, dass das alles keinen Sinn hat, wegen den langen Wartelisten. Später haben sie uns dann plötzlich angerufen und gesagt, sie hätten jetzt doch einen Platz. Da hatten wir aber den Vertrag schon unterschrieben und uns auch eingewöhnt. Ansonsten war ich nicht unzufrieden. Wir hatten eine Hebamme, die war total Klasse. Die wurde von der Krankenkasse bezahlt. Das war eine Beleghebamme. Die hat die Vorsorge und die Nachsorge gemacht und war bei der Geburt dabei. Das war optimal. Die hat auch ganz tolle Tipps gegeben. Wir hatten dann 14 Tage eine Haushaltshilfe, das hat die Hebamme auch empfohlen. Die hat gesagt: "Jetzt nichts wie her mit so einer Fee. Das zahlt die Kasse, wenn man ambulant entbindet." Das wußte die Kasse erst selbst nicht. Da hatte ich dann so eine Fee, die den halben Tag kam und geputzt und gekocht hat. Der Dietmar hat ja da zum Teil gearbeitet, von zuhause aus Projekte betreut. Der war dann immer ein paar Stunden am Tag weg. Durch die Haushaltshilfe war das kein Problem. Da wir beide freischaffend tätig sind, war das ganz geschickt. Wir haben uns ja auch abschrecken lassen. Bei der Kita haben die uns gesagt, dass das mit dem staatlich- oder städtisch organisierten Läden nicht hinhaut. Da wird man ja nach dem Einkommen taxiert. Jetzt zahlen wir über 700 Mark im Monat für diese private Kita. Das macht schon einen Unterschied aus. Wir wollten das dann aber doch nicht rückgängig machen, weil diese Kita auf uns einen guten Eindruck gemacht hat. Wir mussten uns ja auch im Mai entscheiden, ob wir in diesen Kindergarten gehen, und haben das dann auch gemacht. Im August kamen dann die anderen an und haben gesagt: "Hier sind jetzt die Wartelisten aus unerfindlichen Gründen geräumt." Von Platz 27 auf Platz 0. Ich hatte Erziehungsgeld beantragt. Das kriegt man erst mal ein Jahr lang. Das haben sie mir erst mal gestrichen, weil Dietmar die ersten drei Monate was verdient hat. Die Ermessensgrenze sinkt dann im zweiten Jahr drastisch. Dietmar wurde dann aber arbeitslos. Er hat auch keine Arbeitslosenhilfe bekommen. Wir mussten aber richtig penetrant werden, damit die uns das Erziehungsgeld weiter zugestanden haben, weil das Familieneinkommen sehr in Frage steht. Leute, die keine Kinder haben, finden dass oft supersüß und idealisieren das komplett, dass man arbeitet und ein Kind hat ... Also ich muss sagen: der Tassilo war mein Karriereverstärker. Ich hab damals gedacht, hier läuft nichts so richtig und ich mach jetzt hier Pause. Und ab da gings rund. Ob durch Zufall, weiß ich nicht. Ich hab halt vorher zuviel gerödelt und irgendwie kam nichts zustande, und dann waren ein paar Entscheidungen fällig. Die Leute, mit denen ich geschäftlich zu tun habe, und die die Entscheidungen getroffen haben, dass ich wichtig für sie wäre, die haben alle auch Kinder und finden das superklasse, dass ich auch ein Kind hab. Da kommt schon gelegentlich diese völlig ungläubige Frage: "Ja, wie machst du das alles." Dann lach ich halt und sag: "Das weiß ich auch nicht." Das sind Leute, die auch berufstätig sind und die die ganze Zeit arbeiten und die wissen, wieviel Arbeit Arbeit macht. Dann können die sich nicht vorstellen wie man da noch Familie haben kann, was ja schier nicht vorstellbar ist, aber irgendwie geht halt alles. Ja, Freizeit fällt aus. Ja, es gibt kaum ein Sozialleben. Dass man über ein Wochenende wegfährt und Leute besucht, was man vorher vielleicht mal gemacht hat ... mal Ausstellungen anguckt. Jetzt gehen wir halt in den Zoo. Permanent. Wir haben eine Jahreskarte. Wir gehen jedes Wochenende in den Zoo, kennen alle Tiere mit Namen. Wenn wir nicht in den Zoo gehen, weil es regnet, dann gehen wir schwimmen. Ich weiß nicht, wann ich vorher mal im Schwimmbad war ... freiwillig. Das richtet sich halt danach, was der Tassilo witzig findet. Es ist ja auch witzig, wenn er sich da wohlfühlt. Aber dass man sich mal mit Freunden trifft und in der Kneipe rumhängt ... ich war, seit der Tassilo auf der Welt ist, nicht mehr im Kino. Ich war früher leidenschftlich im Kino. Der Staat könnte zum Beispiel sagen: wieso muss eigentlich ein Kind ab zwei Jahren im Flugzeug voll bezahlen ... oder bei der Bahn? Eine enorme Verbesserung zu früher empfinde ich, dass man sich bei uns lange genug mit seinen Interessen und Neigungen beschäftigen kann und sich dann bewusst zur Familie entscheiden kann. In meinem Umfeld kriegen die meisten erst ab 30 Kinder. Ein wichtiger Punkt ist sicherlich, dass viele Familien den gesellschaftlichen Anforderungen und den verschiedenen Formen von Druck, denen sie ausgesetzt sind, einfach nicht standhalten. Ich denke, dass das eine echte Katastrophe ist für die Kinder. Dass beide Eltern den Erfordernissen im Beruf gerecht werden müssen ... dann würgen sie sich zuhause noch einen ab und wollen auch mit dem Kind noch etwas Nettes machen. Wenn man da in allen Bereichen die Maximalforderungen, die man da oft an sich stellt, erfüllen will, dann muss man da einfach scheitern. Es scheitern jedenfalls viele daran und es sind dann letztlich die Kinder, die das ausbaden müssen. Das ist für mich die eigentliche Katastrophe. Man muss eben konzentrierter leben. Die Großbuchstaben kommen nach vorne. |