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For months an international group of tourists are being held as hostages by an underground army in the Philippines. Both sides try to force a quick solution by counting on the public pressure, which they hope will come up through the media coverage. Journalists are permitted into the camp and in return for large payments they are allowed to do interviews and photo reports, almost without any restrictions. But other than expected, there was no public pressure worth mentioning. Up to now the kidnappers have not been able to explain their aims and claims clearly. On the contrary Ð now there is no room for compromise and they can only set free the hostages when they achieve their goals fully. The outcome for the kidnappers has to be seen as a great success in the eyes of the world. But the press does not take them seriously anymore, which is increasing the danger for the imprisoned people. Everything is focused on the suffering of the hostages and on their daily state of health. Even this does not mobilize the public Ð because apparantly the entertaining qualities of the daily reports are underestimated. The spectators at home are overwhelmed by the frustrating realization that - in spite of a wide range of information - they can be nothing more than a passive witness, clinging to the illusion of being directly involved in the situation from a safe distance. Now we do have the "realistic" images but we are unable to interpret them and to transform the gained knowledge into positive actions. It is this particular disability to decode that makes projects like the Cologne media container "Big Brother" (since July 6th also produced in the USA) such a success. The content is about nothing anymore. There is nothing to understand anymore because we are in the middle of an overinterpretation of absolute trivialty. Any form of behaviour is welcomed towards an temporary predicament, which is extoled as an important social experiment. A mass movement around this spectacle comes up excactly where it is free of any reference to reality and a possibility to change the status quo. The hostages as well as the kidnappers in the Philippines now have to face this fact. To be able to resolve the situation of the hostages the media should halt the almost live reporting, to allow a new chance to end the hostage crisis.

Gehen wir davon aus: die Entführung auf den Phillippinen ist bereits beendet, die Geiseln sind wieder in ihren Heimatländern in Sicherheit und Ð keiner hat's gemerkt. Und das obwohl nie zuvor Ð abgesehen von Gladbeck Ð soviele Bilder, die das Elend und den Alltag der Geiseln dokumentieren, zugänglich wurden. Im Unterschied zu anderen Fällen, dieses Mal eben keine Bilder von Menschen am Ende ihrer Kräfte, in der Hand eine aktuelle Tageszeitung, um den Beweis für ihr momentanes berleben zu geben. Diesmal sind es Bilder von Menschen am Ende ihrer Kräfte, die Reportern Rede und Antwort stehen oder sie sind bei der Pflege ihrer Mitgefangenen zu sehen und bei der Verrichtung alltäglicher Dinge. Es sind verzweifelte Menschen, aber Menschen, die sich dennoch versuchen einzurichten. Da bleibt kein Raum für das Unvorstellbare. Nahezu täglich erhalten wir einen Report darüber, wo sich die Gruppe befindet, wie es um sie steht, wie die Geiseln untereinander versuchen sich zu organisieren. Wir haben uns an die Bilder von den Wallerts und ihren Leidensgenossen gewöhnt und irgendwie scheinen sie da wo sie sind auch nicht in akuter Gefahr, zumindest suggeriert das die Medienpräsenz. Die Öffentlichkeit hat Zugang zum Lager. Ihre Verteter werden mit dem nötigen Eintrittsgeld gerüstet hingeschickt und erfüllen Ihre Pflicht. Im Gefangenenlager setzen beide Seiten auf die Anteilnahme der Weltöffentlichkeit, um ihre Ziele durchzusetzen bzw. um frei zu kommen. Doch der Druck des "Publikums" bleibt weitgehend aus, da offensichtlich der Unterhaltungswert einer scheinbar unmittelbaren Teil - Fortsetzung auf Seite 8 nahme am Geschehen aus sicherer Distanz unterschätzt wird (Spiegel 20/15.05.2000: "Renate Wallert litt in weiter Ferne und war zugleich so nah Ð die Bilder aus Jolo hatten einen solchen Gefühlswert, dass daheim sogar notorische Helden der Sparkultur wie "Big Brother" -Zlatko vorübergehend ins Abseits gerieten."). Die Hoffnung der Geiseln dürfte inzwischen abgenommen haben, dass die Medienöffentlichkeit zu ihrer Befreiung beiträgt. Die Entführer selbst bestimmen die Höhe des Obolus, Zeitpunkt und Dauer der Bericht erstattung. Es ist nicht so sehr das Problem einer Papparazzi-Mentalität, sondern das veränderte Interesse der "Big Brother"-gestählten Zuschauer gemeinde, das die Rezeption der Bilder verwirrt. Es ist zu ernst für sarkastische Spielereien, aber die Reglosigkeit mit der auch die unfasslichsten Bilder auf genommen werden, verlangt ein Nachdenken über die veränderten "Sehgewohnheiten". Was bisher nur für den Fall der Kriegsberichtserstattung diskutiert wurde, lässt sich nicht ohne weiteres übertragen. Während des Golfkrieges dominierte die skandalöse Zensur und Manipulation freier journalistischer Arbeit und Bildreportage. Ziel war die Desinformation und Irreführung der Ouml;ffentlichkeit, um in den jeweiligen Ländern den Widerstand gegen die Kriegsführung gar nicht erst aufkommen zu lassen. Vor allem in den USA sprach man von einem Lerneffekt aus der Entwicklung des Vietnamkrieges (was schon fast als gelungenes Marketingverhalten gefeiert wurde). Umfassende Information war gleichgesetzt mit Mobilisierung der Massen, mit der Konsequenz starken politischen Drucks, hin zu einer Beendigung der Kampfhandlungen. Die Wahrheit über die Greuel des Krieges mittels Bilder zu veröffentlichen und Einfluss zu nehmen auf den weiteren Verlauf des Konfliktes, spielte auch eine bedeutende Rolle im Krieg im ehemaligen Jugoslawien. Nur hier waren die Rollen schon wesentlich komplizierter verteilt Ð auch wenn uns das die Politiker versucht haben auszureden. Spätestens jetzt sehen wir, dass die Bilder uns zwar "den Balkan-Krieg" zeigten, aber keine Möglichkeit boten auch nur annähernd zu begreifen, wer auf welcher Seite wofür kämpfte und das nach wie vor tut. Die einzige Gewissheit ist, dass gemordet und gestorben wird. Die frustrierende Erkenntnis überwältigt uns, trotz umfassender Informationsmöglichkeiten letztendlich nichts anderes als passiver Zeitzeuge zu sein, mit der Illusion direkt am Geschehen Teil zu haben. Zusammen mit einem wachsenden Misstrauen gegenüber der Manipulationsmacht der Bilder und der sie verbreitenden Institutionen scheint uns Passivität und eine "mal sehn' wie's ausgeht"Ð Haltung die einzig adäquate Verhaltensweise zu sein. Wir haben zwar jetzt die geforderten Bilder, aber wir sind unfähig sie zu interpretieren und die gewonnene Erkenntnis in eigenes aktives Handeln umzusetzen. Die Unfähigkeit zur Interpretation macht gerade Projekte wie den Kölner Mediencontainer so erfolgreich. Es geht um nichts. Es gibt nichts zu interpretieren, weil wir uns bereits in der berinterpretation der Belanglosigkeit befinden. Interaktivität ist als Spielraum mit eingebaut, aber verlangt von uns, über das Angebot einer scheinbaren Wahl hinaus, lediglich ungerichtetes Handeln. Denn jede beliebige Form von Verhalten ist erwünscht in Bezug auf eine künstlich geschaffene, zeitlich begrenzte Zwangssituation, die als soziales Experiment angepriesen wird. Eine Massenbewegung um das Spektakel entsteht genau da wo sie frei ist von Bezügen zur Wirklichkeit und Veränderung des Status Quo. Mit diesem Faktum sind nun sowohl die Gefangenen wie auch die Entführer in Jolo konfrontiert. Es gibt die Bilder, es gibt zahllose Reportagen Ð aber weder können die Entführer auf diesem Weg ihren politischen Kampf, ihre Ziele für eine Veränderung der Lebensumstände transportieren, noch können die Geiseln die Weltöffentlichkeit, die Herr Wallert in einem der ersten Interviews noch als "einzig verbleibende Hoffnung" bezeichnete, mobilisieren. Wir sind wohl mehr an einer Erhaltung des Ist-Zustandes interessiert, weil uns der unmittelbare Blick auf die Notsituation nur eine Modifikation der künstlichen Variante wahrnehmen läßt. Es geht in den Berichten ausschließlich um die Leiden der Geiseln, was für eine tatsächliche Lösung aber inzwischen keinerlei Relevanz zu haben scheint. "Die Geiselnehmer haben schnell verstanden, was die Öffentlichkeit will. Sie will die leidende Frau Wallert sehen. Diese Entwicklung verlängert aber nur das Geiseldrama. Man unterhält sich offenbar nicht mehr darüber, was die Erpresser wollen, damit alle Geiseln freikommen, sondern konzentriert sich auf die Frage, was passieren muss, damit Frau Wallert gehen kann." Durch die ständige Berichterstattung wird aber auch für die Entführer "eine sehr gefährliche Öffentlichkeit geschaffen. Die Geiselnehmer können ihre Gefangenen nicht vor der gesamten Weltöffentlichkeit freilassen Ð ohne einen vorzeigbaren Erfolg. Sonst verlieren sie ihr Gesicht. Das setzt sie unter Druck. Außerdem scheint die Sache durch den Medienrummel ausser Kontrolle zu geraten. Keiner scheint mehr zu wissen, worum es den Entführern geht... Es sieht fast so aus, als würde man die Geiselnehmer nicht ernst nehmen, und das kann gefährlich werden." (Stern-Interview mit der Psychologin Gabriele Bertram / link: s.u.). Für das weitere Vorgehen kann das nur zu dem Schluss führen: Erst mit der Abnahme bzw. der völligen Einstellung der (nahezu-live) - Berichterstattung eröffnet sich eine Chance, die Geiselnahme zu beenden. links zum text: www.betacity.de (finger newsletter) www.bigbrother.de [* bother I 1. Mühe, Schererei, Schwierigkeit; 2. Plage II 1. lästig sein, belästigen, plagen, quälen 2. aufregen, aus der Ruhe bringen III 1. sich Sorgen machen, sich kümmern ]

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