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Summary of an interview with Stefan Beck on his Frankfurt projects

1. "The Thing". The famous netforum for art-related discussions stopped existing as a mailbox. Now every interface has a different design, which causes a lot of disorientation says Stefan Beck. This experience combined with the laziness of most users led Beck to another idea. Besides running "The Thing" in Frankfurt, he created a weekly newsletter. This letter promolgated by e-mail contains net and local news and Beck's view on cultural phenomena. The letter is mailed free to a growing circle of about 40 people.

2. "Das Seminar" is a weekly debate which takes place in a coffeehouse. Normally, the topics of the talks are changed several times during a meeting and include social, political, cultural and philosophical questions. The whole conversation is taped and stored by Stefan Beck. His main concern is uncensored and unfiltered dialogue.

3.According to Stefan Beck, "multitrudi" is a very small space (about 9 square meters) where different people meet . "multitrudi" does not have an art gallery audience, mostly because these visitors sometimes don`t recognize art as such. Beck likes the smallness of the place, which was one of his priorities when looking for a space. Being in such a small room forces people to talk to each other. He was influenced by the tiny bars found in some of Tokio's amusement areas. In addition to artists, Beck, who is a musician himself, often invites DJs or experimental musicians and offers sake to his guests.

 

Gespräch mit Stefan Beck

Stefan Beck: Fangen wir mit "The Thing" an. Das habe ich von Andreas Kallfelz geerbt, der seinen Verein "707" (Frankfurt a.M. 1986-96, Programm: experimentelle Kunst und Musik) nicht mehr weitergemacht hat. "The Thing" wurde von Amerika aus nach und nach eingestellt. Jetzt gibt es keine "The Thing" mailbox mehr. Die einzelnen Stationen sind alle im Internet. Dadurch hat sich eine enorme Vereinzelung ergeben. Die Mailbox war früher so programmiert, daß man sich immer gegenseitig ausgetauscht hat. Jeder hat gesehen was Andere gemacht haben. Jetzt sind die Benutzeroberflächen total verschieden. Jeder muß da graben, wo er die Informationen her haben will. Das hat den Effekt, daß man fast gar nichts über die Anderen weiß. Ich schau praktisch nie nach, was es in Wien, Berlin oder New York gibt. In New York haben sie seit ein paar Monaten ein ganz furchtbares Interface, einfach grausig. Grotesk, dauernd muß man warten bis sich irgendwelche Bildchen aufbauen. Am Anfang haben in Frankfurt drei oder vier Leute regelmäßig etwas dafür geschrieben. Mittlerweile ist aber das Interesse, was das Mitmachen angeht auf null. Dadurch, daß ich im September letzten Jahres angefangen habe Rundbriefe zu schreiben entstand eine Art Leserschaft. Leuten von denen ich weiß, daß sie interessiert sind an dem was ich schreibe und einigen die sich neu dazugemeldet haben, schicke ich jetzt einmal in der Woche einen Rundbrief. In ihm teile ich einfach mit, was es so alles gibt, über was ich mir Gedanken mache. Das hat den Vorteil, daß es fast immer gelesen wird. Dabei habe ich aber auch bemerkt, daß die Leute noch zu träge sind die Seiten anzuklicken. Im Internet ist jeder ein Sender. Daher habe ich es mittlerweile aufgegeben andere Leute zu rekrutieren, weil jeder sofort sagt: "Das kann ich ja auch machen. Warum soll ich bei dir schreiben". Jeder ist eine Ministation und verbreitet Nachrichten. Im Prinzip ist das eine Art von Rundfunk oder Nachrichtenagentur. Das ist wie ein Ticker. Die Leute wissen: Jede Woche kommt mein Ticker rein. Alle drei Punkte über die ich hier spreche, handeln davon, Öffentlichkeit auf verschiedenen Ebenen zu erzeugen. Das "Seminar" ist im Gegensatz zu der e-mail Geschichte, die eine Sendefunktion hat, eher dialogisch ausgerichtet. Daß man miteinander spricht und nicht dauernd einer etwas kundtut und die anderen nur zuhören. Wir haben im März 96 damit angefangen und seitdem gibt es das Seminar wöchentlich. Der Gedanke des Seminars ist, daß verschiedene Quellen möglichst unzensiert und ungefiltert miteinander reden können. Deswegen gibt es kein Thema. Dahinter steht der Gedanke, daß das Thema sich im Laufe des jeweiligen "Seminars" ausbildet. Letztens im Radio (Radio X, Freier Sender aus Frankfurt a.M.) haben wir, ohne daß wir das geplant hatten eine dreiviertel Stunde über den Tod gesprochen. Das finde ich den Idealfall, daß man nicht hingeht und sagt: genau das wollen wir jetzt. Sondern, daß es sich aus dem beiläufigen Gespräch ergibt.

Florian Haas & Martin Schmidl: Als ich beim "Seminar" dabei war, hattet ihr euch mit Literatur und Theorie beschäftigt. Für einen Aussenstehenden war die Diskussion hermetisch. Wenn man das Buch nicht gelesen hatte, konnte man schlecht mitdiskutieren. Hat sich das verändert?

Stefan Beck: Ja, das kam einfach dadurch, daß die Personen, die darauf Wert gelegt haben verschwunden sind. Es hatte zu dem Zeitpunkt als ihr da ward diesen Charakter. Der ist wieder verschwunden. Damals gab es von einigen Leuten den Wunsch, ein "richtiges Buch" zu lesen und gemeinsam zu diskutieren. Im Moment ist der überhaupt nicht da, sondern es ist einfach eine lockere Rederunde, die sich manchmal einem Thema nähert, es dann aber auch wieder verläßt. Das hat vielleicht den Nachteil, daß das Thema nicht mehr so griffig ist oder man leicht in ein Gerede übergeht. Aber auf der anderen Seite ist es dadurch lockerer. Man kommt auf Dinge, die man sonst vielleicht nicht beachtet hätte.

Florian Haas & Martin Schmidl: Was ist "multitrudi"? Ist das ein Treff, eine Bar oder ein multitrudi?

Stefan Beck: Zuerst einmal ist es ein Ort wo Leute unterschiedlicher Herkunft zusammenkommen. Ich habe das zum ersten Mal in der "Sake-Bar" bei "Arosa" (Kunst/Medienprojekt Frankfurt a.M.) ausprobiert und daran Geschmack gefunden. Mich hat immer interessiert, welche ästhetischen Ziele, Vorgaben oder Praktiken bringen Leute mit, die sich auf einem Feld bewegen, das nicht zum eigentlichen Kunstfeld zugehörig ist? Wie kann ich damit umgehen? Wie erleben die so eine Situation? Wie erlebe ich das? "Multitrudi" richtet sich an ein Publikum, das über das hinausgeht was normalerweise von einer Galerie angesprochen wird. Was die Sache auch schwierig macht. Wenn zum Beispiel Kunstwerke dort zu sehen sind, dann werden sie manchmal als solche gar nicht erkannt. Der ursprüngliche Gedanke stammt aus Japan, mit seiner Platzenge - zu wissen, daß es tausende von kleinen Objekten in Tokyo gibt, die geradezu übereinandergestapelt sind. In den Vergnügungsvierteln gibt es Häuser wo 20 Bars drin sind. Aussen befinden sich Laufschriften, die anzeigen: Soundso Bar im dritten Stock. Für mich war das dort so: Ich wußte gar nicht wo ich hingehen sollte. Ich bin einfach durch die Straßen gelaufen.  berall in den Häussern waren kleine zimmergroße Apartements mit einer kleinen Bar. Sozusagen ein mikroskopisches Angebot. Ich wohne in der Wallstraße in Frankfurt, die schon relativ dicht bepflastert ist mit Kneipen. Man muß sich dann vorstellen, die Häusser hätten alle sechs Stockwerke und in jedem Ding wären zwei oder drei Bars auf jedem Stockwerk. Es gibt Gegenden in Tokyo wo sich dieses Phänomen über die Größe des Frankfurter Bahnhofviertels hinzieht. Das ist eine unglaubliche Dichte und Verkleinerung des eigentlichen Objektes. Mich hat ein ganz kleiner Raum interessiert, der zwei oder drei oder maximal zehn Leute beherbergt. Weil das für mich einen Laborcharakter hat. Es ist sehr schwer sich im "multitrudi" zurückzuziehen. Der Ort ist aus dem Gedanken entstanden so eine Art Spionage zu betreiben. Was ich natürlich gerne auch immer weitergebe. Wenn wenige da sind und ich kenne die Leute, dann stelle ich sie einander vor. Obwohl das auch immer wieder mit Verwunderung aufgenommen wird: Was, in einer Kneipe wird man einander vorgestellt? Einzelinitiativen sind erst mal kleine Zellen, die sich irgendwo bilden und dann gewissermaßen autark für sich bleiben. Ich finde das gar nicht so schlecht. Es müßte einfach noch mehr von den Dingern geben. Solange es nur hier und da und dort so etwas gibt, hat das natürlich den Charakter wie die Planeten des "kleinen Prinzen". Man hüpft von Einem zum Anderen und entdeckt irgendwelche Sonderlinge, die da hausen.

photo credit: Florian Haas Martin, Schmidl

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